Am Freitag kamen die beiden Länder überein, Verhandlungen anzustreben. Im Beisein von Bundespräsidentin Leuthard und Chinas Präsidenten Hu Jintao wurde eine Absichtserklärung unterzeichnet. «Es ist ein schönes Geschenk», sagte Leuthard und spielte auf das 60-Jahre-Jubiläum der diplomatischen Beziehung zwischen der Schweiz und China an.
Freihandelsabkommen: Verhandlungen ab Januar
Am Samstag teilte Wirtschaftsminister Chen Deming seiner Amtskollegin mit, dass ab Januar verhandelt werden könne. Die Schweiz wäre gemäss Leuthard schon im Dezember bereit, ein Freihandelsabkommen zu erarbeiten. Obwohl die Verhandlungen bis zu drei Jahre dauern könnten, ist die Schweiz in einer ausgezeichneten Ausgangslage verglichen mit anderen Industrienationen. China unterhält bislang mit keinem europäischen Land einen Freihandelsvertrag. Alleine und als kleines Land mit China zu verhandeln ist ein Vorteil – bei der Schweiz stellen sich für die aufstrebende Wirtschaftsmacht weniger strategische Konflikte. Die Schweiz könnte für China auch als Testland dienen. Die Volksrepublik gewinnt ohne grosse Risiken Erfahrungen, wie es sich auswirkt, wenn sie ihren Markt für ein europäisches Land öffnet.
Wichtigster asiatischer Handelspartner der Schweiz
Bereits heute ist China (inklusive Hongkong) der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien. Ein Freihandelsabkommen könnte dem bilateralen Handel noch mehr Schwung verleihen, glaubt Wirtschaftsministerin Leuthard. «Natürlich hätte dies auch mehr Konkurrenz zur Folge. Ein gegenseitig einfacherer Zugang zu den Märkten ist aber im Interesse beider Parteien.» Die Schweizer Wirtschaft ist sehr stark an einem Abkommen interessiert. Doris Leuthard wurde denn auch von zahlreichen Unternehmensvertretern begleitet. Die Zusammensetzung der 30-köpfigen Wirtschaftsdelegation reichte von der Bau- und Textilwirtschaft bis zur Maschinen- und Pharmaindustrie. Die Unternehmen hätten Kompetenzen, die China benötige, betonte Leuthard.
Lob von Unternehmerseite
Interesse ist auch von chinesischer Seite vorhanden, wie die Delegation auf ihren drei Stationen Chongqing, Shanghai und Peking erfuhr. Vor allem Chongqing, die Binnenmetropole im Südwesten, will zu wirtschaftlich stärker entwickelten Regionen aufschliessen und ist an Investitionen stark interessiert. Für ihren grossen Einsatz während der fünftägigen Reise erhielt die Schweizer Wirtschaftsministerin viel Lob von den mitgereisten Unternehmer. Die Bundespräsidentin absolvierte demnach nicht nur die hochrangigen Treffen am Freitag und Samstag souverän. Die Reise glich einem Marathon mit einer Vielzahl von Treffen, Zeremonien und Firmenbesuchen – und dies bei brütender Hitze. Bundespräsidentin Leuthard wird sich nur kurz erholen können: Am Mittwoch findet bereits wieder die erste Bundesratssitzung nach der Sommerpause statt.
Trotz Freihandel mit Asien: Traditionelle Märkte wichtiger
Obwohl Asien für die Schweizer Exportindustrie wichtiger wird, bleiben Europa und die USA laut Staatssekretär Jean-Daniel Gerber die bedeutendsten Handelspartner. Asien dürfte in der Schweizer Exportbilanz um wenige Prozente zulegen, schätzt Gerber. «Geografische Nähe und traditionelle Märkte sind mitentscheidend für den Handel», erklärte der Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) im Interview mit der Zeitung «Sonntag.» Derweil geht Gerber davon aus, dass d ie Verhandlungen mit China lang und schwierig sein werden. Als möglicher Knackpunkt aus Schweizer Sicht nennt er Forderungen in Bezug auf die Landwirtschaft. Die Chinesen wiederum fürchteten die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Exportindustrie, namentlich der Maschinen-, Uhren- und Pharmaunternehmen. (awp/mc/ps/02)