Ernst Tanner, VR-Präsident und CEO Lindt & Sprüngli: «Es gibt keinen Grund, unsere erfolgreiche Strategie zu ändern»

Von Andre Schäppi


 


Herr Tanner, die vergangenen Wochen waren mit Temperaturen um die 30 Grad müssen Ihnen wohl Sorge bereitet haben. Das Problem: Die Schokolade schmilzt wie Butter in der Sonne. Das kurbelt den Verkauf sicher nicht gerade an. Jetzt haben nigerianische Forscher scheinbar die Lösung: die Schokolade, die Temperaturen bis 50 Grad aushält. Wann kommt die Schokolade, die nicht mehr schmilzt? Und kommt sie von Lindt & Sprüngli ?


 


Ernst Tanner: Es ist kein Geheimnis, wie Schokolade «hitzefester» gemacht werden kann. Die Zugabe von härteren Fetten als Kakaobutter und/oder ein höherer Zuckeranteil kann relativ einfach zu diesem Resultat führen ? nicht aber ohne Konsequenzen. Es sind aber gerade eben solche Eigenschaften wie der zarte Schmelz, der verführerische Abgang im Mund und der einzigartige Geschmack unserer Rezepturen, welche die LINDT Schokoladen so unvergleichlich gut machen. LINDT ist nicht bereit, auch nur die geringsten Zugeständnisse an den Geschmack und die Qualität ihrer Premium-Schokolade zu machen, nur um sie hitzebeständiger zu machen.


 


Und was bringt die nächste Zukunft an weiteren Innovationen?


 


Produkteneuheiten in Form von neuartigen Konzepten, Rezepturen, Darreichungsformen und Verpackungen sind die Stärken von LINDT. Es wundert deshalb nicht, dass Lindt & Sprüngli allgemein bekannt ist für ihre Innovationsfähigkeit, und dies nicht nur bei den Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch am Markt. Die Pipeline unserer Maîtres Chocolatiers ist natürlich voll neuer Produktideen. Sie werden aber verstehen, dass wir nicht im Detail darüber sprechen, bevor diese lanciert werden.


 


Die Kakaopreise geraten in Bewegung. Der Verbrauch von Schokolade nimmt weltweit zu, doch die Produzenten ? vor allem in Westafrika ? erzeugen immer weniger Kakao. Am Markt drohen damit Engpässe und Preissteigerungen, auch wenn die Zahlen dies bisher noch nicht widerspiegeln. Wie reagiert L&S auf diese Entwicklung?


 


Die Aussage ist insofern falsch, als die Hauptproduzenten Elfenbeinküste und Ghana in den letzten zwei Jahren Rekordernten verzeichnen konnten. Die Versorgung des Weltmarktes mit Konsumkakao ist aus heutiger Sicht gewährleistet. Die kurz- bis mittelfristige Verfügbarkeit von Kakao hängt aber natürlich weitgehend ab von klimatischen und politischen Umständen. Die Angebotslage für Edelkakao («Fine Grades»), für welche Lindt & Sprüngli ein grosser Abnehmer ist, sieht etwas anders aus. Die weltweite Anbaufläche für «Crillos» geht zurück, während die Nachfrage nach Spezialitätenkakaos aufgrund des erhöhten Konsums von Premium Schokolade und dunkler Schokolade steigt. LINDT wird auch hier keine Zugeständnisse an die Qualität machen und versuchen, die nötigen Mengen an Edelkakao sicherzustellen. Dank enger und guter Kontakte mit Produzenten, Exporteuren und Händlern sind wir überzeugt, die unseren Bedarf abdecken zu können.


 


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L&S erhält zunehmend Konkurrenz im Premium-Bereich. Grosse Lebensmittelkonzerne wie Nestlé in der Schweiz oder Hershey in den USA versuchen, Ihnen Terrain streitig zu machen. Wie reagieren Sie auf derartige Offensiven?


 


Wir sind nicht unglücklich über die Konkurrenz. Konkurrenz belebt das Geschäft. Als Marktleader in Premium-Schokoladebereich profitieren von der allgemeinen Tendenz zum up-trading von Quantiät zu Qualität und bringen wir dieses Marktsegment zum wachsen. Wir nehmen unsere Mitbewerber aber sehr ernst und verfolgen ihre Tätigkeiten mit besonderer Aufmerksamkeit. Wir wollen immer einen Schritt voraus sein und Vorsprung nicht nur bewahren, sondern noch ausbauen. 


 


Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von lediglich 20g Schokolade besteht in China vermutlich noch ein grosses Potenzial für Schokolade von L&S, und auch in Indien dürfte ein ähnliches Potenzial bestehen. Welche Pläne haben Sie für diese Länder und welches Wachstum erwarten Sie?


 


Langfristig sehen wir tatsächlich grosses Potential. Aufgrund einer im Moment noch mangelhaften oder gar fehlenden logistischen Infrastruktur (z.B. garantierte Temperaturkontrolle bis zum Konsumenten) und der erst im Aufbau begriffenen modernen Laden-Infrastruktur sind dem Wachstum für Premium-Schokolade allerdings vorläufig Schranken gesetzt.


 


Seit 2004 legen Schweizer Schokoladeproduzenten nur noch im Ausland zu. Letztes Jahr stiegen die Verkäufe zwar total um 8,2% auf 160323 t. Doch während der Exportanteil der Schweizer Hersteller um 16,4% auf 91344 t (oder um 20,4% auf CHF 663 Mio.) zulegte, verringerte sich der Inlandabsatz um 1,2% auf 68979 t (oder 1,3% auf CHF 803 Mio.). Wenig erstaunlich, dass sich der Anteil der Importschokoladen am Inlandverbrauch weiter erhöhte, und zwar auf 27.4%. Beunruhigt Sie diese Entwicklung?


 


Diese Entwicklung ist ein Zeichen des weltweiten Trends in Richtung globaler Marken und Märkte. Auf der einen Seite haben wir es im Inland mit einem immer grösseren Wettbewerb zu tun, in welchem wir uns jedoch mit unserer Positionierung im Premium-Schokoladebereich und unserer Innovationskraft sehr erfolgreich behaupten. Auf der anderen Seite machen wir Jahr für Jahr erfreuliche Fortschritte in allen für uns wichtigen ausländischen Schokolademärkten.


 


Wo werden Sie in nächster Zeit die Schwerpunkte für die Entwicklung von L&S legen?


 


Der Schwerpunkt liegt im kontinuierlichen Aufbau der wichtigen Schokolademärkte, mit dem Ziel, LINDT rund um die Welt als «Globale Marke» im Premium-Markt immer stärker zu verankern. Hier hat LINDT dank dem kompromisslosen Bekenntnis zu Qualität wie auch dem weltweit guten Ruf der Marke nicht nur enormes Potential sondern auch eine ausgezeichnete Ausgangsposition.


 


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Das Geschäftsmodell von Lindt & Sprüngli mit der Fokussierung auf Premiumschokolade und der vorbildlichen Markenpflege hat wesentlich zum Erfolg der letzten Jahre beigetragen. Könnte es Gründe geben, künftig von dieser Erfolgsstrategie abzuweichen?


 


Nein, auf keinen Fall. Die volle Kontrolle des gesamten Herstellungsprozesses, von der akkuraten Auswahl der edelsten Kakaobohnen aus den besten Anbaugebieten bis hin zum fertigen Produkt ist und bleibt unsere Kernkompetenz. Die hohe Qualität, die profunde Kenntnis der Konsumgewohnheiten, der Innovationscharakter und die breite, attraktive Produktpalette sind das Fundament unserer Positionierung im Premium-Segment und begründen unseren Erfolg. Es gibt also keinen Grund, eine derart erfolgreiche Strategie zu ändern.


 


L&S ist über ihren Schatten gesprungen und bietet in Deutschland bei der Handelskette Plus ihre Waren an. Bisher wurde doch ausserhalb der Oster und Weihnachtssaison der Kontakt zu den Billigläden so gut es ging gemieden. Jetzt machen Sie ? noch ? den feinen Unterschied zwischen Discountern, zu denen Plus zählt, und Harddiscountern wie etwa Aldi oder Lidl, die Sie bislang nicht beliefern. Finden deutsche Konsumenten demnächst L&S-Schokolade auch in Regalen von Aldi und Lidl?


 


In Deutschland sind wir in denjenigen Geschäften präsent, in denen die Preisintegrität wie auch die Produktequalität voll garantiert wird.


 


Eine abschliessende Frage: Sie vereinigen beide Funktionen, die des CEOs und die des Präsidents des VRs, in einer Person. Andere Unternehmen wie etwa Nestlé sind in der jüngsten Vergangenheit deswegen von Aktionären für eine Gewaltentrennung angegangen worden. Kein Thema für L&S?


 


Die Firmenresultate wie auch die Performance an der Börse zeigen, dass dieses Modell, das übrigens auch im Ausland, speziell USA, immer noch sehr verbreitet ist, im Falle Lindt & Sprüngli gut funktioniert und was gut funktioniert, soll man nicht ändern. Group Management und Verwaltungsrat sind effiziente, gut eingespielte, harmonierende Teams, die eine fruchtbare Zusammenarbeit gewährleisten. Diese Kontinuität in Management und Organisation ist eines der «Geheimnisse» von Lindt & Sprüngli und mitunter auch einer der Erfolgsfaktoren über die letzten 12 Jahre.






 


Zur Person


Ernst Tanner (CH) wurde 1993 vom Verwaltungsrat als CEO und Vizepräsident gewählt. Im Jahre 1994 übernahm er das Präsidium des Verwaltungsrates. Vor seiner Tätigkeit bei Lindt & Sprüngli war er über 25 Jahre in führenden Management Positionen im Konzern Johnson & Johnson in Europa und den USA, zuletzt als Company Group Chairman Europe tätig. Ernst Tanner ist Mitglied des Verwaltungsrates bei den schweizerischen Konzernen Credit Suisse Group, und Swatch Group.


 


Das Unternehmen

1845 stellt Sprüngli erstmals Schokolade in fester Form her. Mit dem Kauf der Fabrik, des Herstellungsgeheimnisses und der Marke von Rodolphe Lindt wird 1899 der Grundstein für die erfolgreiche Expansion des Schokoladeherstellers gelegt. Als Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG avanciert das Unternehmen durch die Übernahme von Lizenznehmern sowie durch Akquisitionen zu einer seit 1986 an der CH-Börse kotierten internationalen Firmengruppe. 2005 erwirtschaftete die auf Premiumschokolade spezialisierte Lindt & Sprüngli mit rund 6600 Mitarbeitenden einen Umsatz von CHF 2247 Mio.
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