Am Mittwoch wurde im Kreis aller EU-Finanzchefs in Brüssel noch darüber beraten. Sobald Dublin darum bittet, werden die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite bereitstellen. Auch der direkte Nachbar Grossbritannien, der nicht zum Euro-Raum gehört, bietet bilaterale Darlehen an. Nach Expertenschätzung könnten sich die Hilfen auf 60 bis 100 Milliarden Euro summieren – ähnlich hoch wie das 110 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für Griechenland, das im Mai geschnürt wurde und von Athen auch genutzt wird. Allein für die Sanierung seiner kriselnden Banken benötigt Irland bis zu 50 Milliarden Euro.
Überlebenskrise
In der sich zuspitzenden Schuldenkrise sieht Europa sich zu dieser dramatischen Aktion gezwungen, um ein Übergreifen der Krise auf andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Portugal zu verhindern. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy warnte vor einer Überlebenskrise der EU. «Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird auch die Europäische Union nicht überleben», sagte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprach: «Ich glaube nicht, dass die Eurozone gefährdet ist. Aber wir haben doch Turbulenzen und Situationen, die habe ich mir auch vor anderthalb Jahren nicht träumen lassen», sagte die CDU-Politikerin in einem ARD-Interview. Das Geld für Irland könnte aus dem insgesamt 750 Milliarden Euro schweren Euro-Rettungsschirm kommen. Im Frühjahr hatte die EU nach der Hilfe für Griechenland diesen Schirm gespannt. Damit sollen unter der Schuldenlast taumelnden Euro-Staaten Milliardenbeträge geliehen werden, um eine Staatspleite zu umschiffen. Bevor der Fonds einspringen kann, müssen alle Euro-Länder zustimmen. Da Dublin aber die damit verbundenen Reformauflagen vermeiden will, wird der Inselstaat wohl nur Hilfe für seine Banken anfordern und nicht für den Staat.
Kein offizieller Antrag
Die irische Regierung hat bislang keinen offiziellen Antrag auf Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds gestellt, doch die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Von Donnerstag an werde die Regierung mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem IWF verhandeln, sagte Finanzminister Brian Lenihan im irischen Fernsehen. Möglicherweise reiche es schon, einen Rettungsplan für den Notfall auszuarbeiten, um die Märkte zu beruhigen. Auch London will sich beteiligen. «Grossbritannien steht bereit, Irland zu unterstützen, um Stabilität in sein Bankensystem zurückzubringen», sagte der britische Schatzkanzler George Osborne. Ein wirtschaftlich gesunder Nachbar Irland sei im Interesse seines Landes. Grossbritannien gehört zur EU, hat aber nicht den Euro eingeführt. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, «dass in einer konkreten Lage natürlich auch mit anderen Staaten, die nicht der Euro-Zone angehören, geredet wird».
Streit um Griechenland
Streit gab es um Europas grössten Schuldensünder Griechenland. Die EU will Hilfsgelder für Athen zurückhalten. Die nächste Tranche der Kredite werde nicht wie geplant im Dezember an Athen ausgezahlt, sondern erst einen Monat später. Dies hätten die Euro-Finanzminister besprochen, sagte der österreichische Finanzminister Josef Pröll. Als Grund nannte Pröll, dass Griechenland die Vorgaben nicht erfüllt habe, die im Gegenzug für die EU-Hilfe gemacht wurden. Das betreffe vor allem Steuereinnahmen. Vor zwei Tagen war bekanntgeworden, dass Griechenland noch tiefer in der finanziellen Klemme steckt als bislang bekannt. In den vergangenen Wochen war der Druck auf Irland gewachsen, weil Investoren bezweifeln, dass Dublin seine Schulden zurückzahlen kann. Merkel sagte in der ARD, es gebe den Rettungsschirm, falls ein Land diese Hilfe benötigen sollte. Dies sehe sie «im Augenblick aber nicht». (awp/mc/ps/ss/23)