Ausserdem soll ein bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelter «Europäischer Rat für Systemrisiken» (ESRC) Frühwarnungen und Empfehlungen herausgeben, wenn etwa Banken Probleme haben, die andere Geldhäuser mit in den Abgrund reissen könnten.
Bruch mit der Vergangenheit
«Wir müssen mit der Vergangenheit brechen», sagte Barroso. Das neue System solle 2010 in Kraft treten. Im Herbst werde er konkrete Gesetzesvorschläge machen. Die Pläne sorgen bereits für Zwist. Während sie einigen Experten und Ländern wie Frankreich nicht weit genug gehen, hat Grossbritannien Widerstand gegen zu viel Macht für europäische Aufseher angekündigt. Auch die kleineren EU-Mitgliedstaaten haben Bedenken angemeldet. «Es handelt sich hier nicht um eine Zentralisierung der Macht», betonte dagegen Barroso. Er rief die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten auf, bei ihrem nächsten Gipfeltreffen Ende Juni seinen Plänen zuzustimmen.
Schrittweise Einführung
Der Portugiese stützte sich für seine Strategie auf Vorschläge des Finanzfachmanns und früheren Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF), Jacques de Larosière. Konkret sollen künftig die nationalen Behörden für die Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht innerhalb eines «Europäischen Systems für Finanzaufsicht» (ESFS) kooperieren. Analog sollen die drei europäischen, kompetenzarmen Ausschüsse für das Bankenwesen (Committee of European Banking Supervisors/CEBS), für den Versicherungssektor (Committee of European Insurance and Pensions Supervisors/CEIOPS) und für Wertpapiere (Committee of European Securities Regulators/CESR) aufgewertet und vernetzt werden.
Nationale Behörden bleiben für Tagesgeschäft zuständig
Für das Tagesgeschäft bleiben zwar die nationalen Behörden zuständig. In Deutschland sind das die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die neuen Behörden sollen aber vermitteln können, wenn sich nationale Aufseher in Konfliktfällen nicht einigen können. Als «letzter Ausweg» solle die EU-Behörde eine «verbindliche Entscheidung» treffen können. Den Vorsitz des ESRC soll EZB-Präsident Jean-Claude Trichet übernehmen. Insgesamt werden in dem neuen EU-Gremium 60 europäische Institutionen vertreten sein, darunter die nationalen Zentralbanken und die EU-Kommission.
Grossbritannien gegen zu Starke Rolle der EZB
Grossbritannien hat sich indes gegen eine zu starke Rolle der EZB gewandt. Frankreich kritisierte Barrosos Pläne als nicht mutig genug. Der EU-Gipfel im Juni müsse mit einer ambitionierteren Aufsichtsarchitektur aufwarten, mit einer stärkeren Rolle für die EU-Kommission, forderte der Chef der französischen Finanzaufsicht AMF, Jean-Pierre Jouyet, in der Tageszeitung «Le Monde» (Mittwoch).
«Raus aus dem Wirrwarr»
Aus den Reihen der konservativen Europaabgeordneten wurden Forderungen nach einer einheitlichen EU-Aufsichtsinstanz laut. «Wir müssen endlich raus aus dem Wirrwarr von 27 unterschiedlichen Aufsichtssystemen und hin zu einer zentralen europäischen Aufsicht, da die Finanzmarktakteure nicht an nationalen Grenzen halt machen», sagte etwa der CDU-Wirtschaftsexperte Klaus-Heiner Lehne. Die EU-Kommission erklärte, es sei derzeit «nicht realistisch, dass mehr als 10 000 Finanzinstitionen auf EU-Ebene überwacht werden». Das neue System solle aber 2013 überprüft werden. (awp/mc/ps/19)