EU: Verkrustete Energiemärkte mit Kartellverfahren aufbrechen

Zur Durchsetzung von mehr Wettbewerb und damit sinkenden Preisen sollen in den nächsten Wochen und Monaten Kartellverfahren eingeleitet werden, kündigte EU- Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes am Donnerstag in Brüssel an.


Keine Namen genannt
Namen von betroffenen Unternehmen nannte die Niederländerin nicht. Es gehe um die Abschottung von Gas- und Elektrizitätsmärkten durch langfristige Lieferverträge und Zugangsbehinderungen zu Transport- und Lagerkapazitäten.


Entschlossenes Handeln angekündikt
«Wir werden entschlossen handeln, um Störungen auf dem Energiemarkt zu bekämpfen. Damit soll den europäischen Verbrauchern, der Industrie und der europäischen Wettbewerbsfähigkeit geholfen werden», sagte Kroes. Falls sie in Kartellverfahren Verstösse beweisen kann, drohen den Unternehmen hohe Bussen von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Dieser Rahmen wurde bisher von Brüssel aber nicht ausgeschöpft.
Kroes kündigte an, dass auch Mechanismen zur Preisfestsetzung auf den Elektrizitätsmärkten genauer untersucht werden sollen. Sie schloss Regulierungsschritte in der Energiebranche nicht aus.


Zu wenig Auswahl für Verbraucher
Die Kommissarin kritisierte, Verbraucher hätten nicht genug Auswahl, da Neuanbieter nur schwer Fuss fassen könnten. Führende deutsche Gas-Versorger hatten erst am Dienstag auf Druck der Wettbewerbsbehörden angekündigt, ihre Netze vom 1. April an für wechselwillige Kunden zu öffnen.
Kroes stellte einen Bericht vor, an dem ihre Behörde seit Juni 2005 arbeitete. Die Wettbewerbshüter befragten dazu die Energiebranche und Abnehmer. Interessenten haben zwei Monate Zeit, zu den vorläufigen Ergebnissen Stellung zu nehmen.


ENI mit 290 Millionen Euro bestraft
Unterdessen bestrafte die italienische Kartellbehörde den Energieversorger ENI mit einer Strafe von 290 Millionen Euro. Der Konzern soll bei der Gas-Lieferung von Nordafrika nach Italien Wettbewerb durch andere Anbieter verhindert haben.


Deutsche Energiebranche sieht sich nicht betroffen
Die deutsche Energiebranche sieht sich von möglichen Kartellverfahren der EU-Kommission nicht betroffen. Die von Kroes vorgestellte Studie sei von Mitte 2005 und deshalb wenig aussagekräftig, sagte ein Sprecher des Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) dem «Tagesspiegel» (Freitagausgabe). Zwar sei Deutschland bei der Umsetzung der Liberalisierung «etwas spät dran» gewesen. Heute sei man aber schon viel weiter als vor einem halben Jahr. Beim Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) hiess es: «Der Bericht wird dem Prozess in Deutschland nicht gerecht». Schliesslich habe die Bundesnetzagentur ihre Arbeit als Regulierungsbehörde gerade erst aufgenommen. «Wenn die EU ihre Studie heute oder in einem halben Jahr durchführen würde, käme sie zu einem ganz anderen Ergebnis.» (awp/mc/ab)

Schreibe einen Kommentar