EU-Zinsbesteuerung: Brüssel will Schlupflöcher stopfen – kein Systemwechsel
Daher will Brüssel die Bestimmungen auf weitere Produkte ausweiten, «um unser Ziel, Steuerhinterziehung auszurotten, zu erreichen», so Kovács. Kovács hofft, dass die zur Steuerflucht genutzten Schlupflöcher bereits 2011 gestopft werden. Dazu strebt der Kommissar eine Einigung unter der 27 EU-Staaten noch im kommenden Jahr an, wie er bei der Präsentation der Vorschläge für eine Revision der Richtlinie am Donnerstag in Brüssel sagte.
Zahlstellen sollen in die Pflicht genommen werden
Primär ins Visier genommen wird, dass bislang durch die EU-Richtlinie nur Zinszahlungen direkt an natürliche Personen erfasst werden. Dies lässt sich leicht umgehen, indem eine juristische Person dazwischen geschaltet wird. Hier will die EU-Kommission die Zahlstellen in die Pflicht nehmen: Diese sollen künftig mehr Informationen über die eigentlichen wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften erheben müssen, um die wirklich Begünstigten eruieren.
Liechtensteinische Stiftungen einbeziehen
Davon wären auch die im Zuge der Steueraffäre in die Kritik geratenen liechtensteinischen Stiftungen sowie Fonds betroffen. Zudem soll der Geltungsbereich auf Wertpapiere und bestimmte Lebensversicherungsverträge, die eigentlich zinstragenden Anlagen gleichwertig sind, ausgeweitet werden.
Bankgeheimnis nicht tangiert
Am Bankgeheimnis rüttelt die EU-Kommission mit ihren Verschärfungsvorschlägen nicht: Der Steuerrückbehalt, den die EU-Staaten Belgien, Luxemburg und Österreich – sowie die an der EU-Zinsbesteuerung ebenfalls teilnehmenden Länder wie die Schweiz und Liechtenstein – anstelle des Informationsaustausches kennen, wird nicht in Frage gestellt.
Verschärfung nicht ohne die Schweiz
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dürfte das Thema – insbesondere auf Druck Deutschlands – jedoch sicher aufs Tapet kommen. Allerdings müssen die EU-Staaten Änderungen schliesslich einstimmig beschliessen. Und sowohl Luxemburg wie auch Österreich wollen am Bankgeheimnis festhalten. Für die beiden Staaten ist zudem klar, dass sie einer Ausweitung nur zustimmen, wenn auch die Nicht-EU-Mitglieder wie die Schweiz weiterhin an Bord sind. Kovács will zuerst eine Einigung innerhalb der Europäischen Union suchen und dann mit den betroffenen Drittstaaten verhandeln.
Erst nach der Zustimmung – die einstimmig erfolgen muss – will Kovács mit den Drittstaaten, welche die Regelung ebenfalls anwenden, verhandeln. «Ich habe Zweifel, ob die neue Richtlinie funktionieren kann, ohne die bilateralen Abkommen anzupassen», sagte er in Bezug auf die Schweiz.
Gesprächsbereitschaft von Schweizer Seite
Die Bundesrätinnen Doris Leuthard und Micheline Calmy-Rey haben seitens der Schweiz bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. Auch die Bankiervereinigung widersetze sich nicht, sagte Sprecher Thomas Sutter auf Anfrage. Allerdings könnte eine allfällige Anpassung aus Sicht der Bankiervereinigung erst 2013 in Kraft treten. Sutter verwies dabei auf das Abkommen. Diese Interpretation wird jedoch von Kovács nicht geteilt. (awp/mc/pg/26)