Mit der auf ein Rekordniveau von 3,7 Prozent gestiegenen Teuerung sei eine Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits im Juli noch wahrscheinlicher geworden, schätzt die Postbank. Die Inflationssorgen der EZB dürften anhalten und das Preisklima auch in den kommenden Monaten durch hohe Energiepreise belastet werden. Zudem gefährde eine dynamischere Lohnentwicklung die Preisstabilität im Währungsraum. Im Mai waren die Verbraucherpreise in der Eurozone auf Jahressicht um 3,7 Prozent gestiegen, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Montag mitteilte. Dies ist die höchste Jahresrate seit bestehen des Währungsraums. Ihren bisherigen Höchststand hatte die Inflation im März mit 3,6 Prozent erreicht. Damit hat sich die Teuerung weiter von dem Zielwert der EZB von knapp unter zwei Prozent entfernt.
Verschärfung der EZB-Geldpolitik wahrscheinlicher
Wegen der anhaltend hohen Teuerung und grosser Inflationsgefahren hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet Anfang Juni eine Zinserhöhung für den kommenden Monat in Aussicht gestellt. Eine Anhebung des Leitzinses sei «nicht sicher, aber möglich». Marktbeobachter zeigten sich von der Ankündigung und den ungewohnt deutlichen Worten Trichets überrascht. Bis zu diesem Zeitpunkte waren viele Experten von zunächst unveränderten Leitzinsen ausgegangen. Wegen der dämpfenden Effekte der internationalen Finanzkrise wurden zum Jahreswechsel sogar Zinssenkungen erwartet. Mit der Rekordinflation im Mai ist jedoch nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts bereits im Juli gestiegen. Auch eine darüber hinausgehende Verschärfung der EZB-Geldpolitik im weiteren Jahresverlauf ist laut Experten nunmehr wahrscheinlicher. Sollten die Inflationserwartungen in den kommenden Wochen nicht nachgeben, seien weitere Zinserhöhungen im Euroraum nach Juli durchaus möglich, schreiben die Volkswirte von HSBC Trinkaus.
Kerninflation noch recht moderat
Die UniCredit hält unterdessen eine weitere Straffung der Geldpolitik nach einem Juli-Schritt nicht für notwendig. So falle die Kerninflation ohne schwankungsanfällige Komponenten wie Energie und Nahrung mit derzeit 1,7 Prozent noch recht moderat aus. Allerdings dürfte der erneute Ölpreisanstieg die Gesamtteuerung kurzfristig auf 3,8 bis 3,9 Prozent nach oben treiben. In dieser Spannweite sollte sich die Inflation bis zum Herbst bewegen. Unter drei Prozent dürfte die Teuerung erst zum Jahresanfang 2009 sinken. Im weiteren Jahresverlauf 2009 sollte sich das Preisklima aber entspannen. (awp/mc/ps)