Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie von Experten erwartet unverändert bei 4,00 Prozent belassen. Zuletzt hatte die Notenbank den wichtigsten Kreditzins der Eurozone im Juni vergangenen Jahres auf das aktuelle Niveau angehoben. In der Folgezeit hatte die EZB ihren Zinserhöhungskurs aufgrund der Finanzmarktturbulenzen nicht fortgesetzt.
Aufwärtsrisiken für Inflation
Die Risiken für die Inflationsentwicklung im Euroraum sind nach Einschätzung der EZB weiterhin aufwärts gerichtet. Jüngste Daten hätten die Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität in der mittleren Frist bestätigt, sagte Trichet. Auch das Geldmengen- und Kreditwachstum im Euroraum bezeichnete der EZB-Präsident als weiterhin sehr kräftig. Derzeit sei eine recht langwierige Periode hoher Inflationsraten zu beobachten.
Der Eurokurs stieg nach den Äusserungen Trichets bis auf 1,5432 US-Dollar. Vor der Pressekonferenz wurde der Euro noch mit 1,5329 Dollar gehandelt. Am Aktienmarkt machte sich die Entscheidung nicht bemerkbar. Der für den Anleihenmarkt richtungsweisende Euro-Bund-Future stieg indes deutlich an und wurde zuletzt mit 114,24 Punkten gehandelt. Das sind 0,59 Prozent mehr als am Vortag. Vor der Entscheidung hatte der Bund-Future noch bei 113,90 Punkten gelegen.
Einstimmige Entscheidung
Die Entscheidung über einem unveränderten Leitzins sei im EZB-Rat einstimmig gefällt worden, sagte Trichet. Es habe keine Stimmen für eine Zinserhöhung oder -senkung gegeben. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Euroraums stellen sich laut Trichet weiterhin robust dar. Allerdings sei die Unsicherheit wegen der Finanzmarktturbulenzen nach wie vor hoch. Jüngste Daten sprächen für ein zwar moderateres, aber anhaltendes Wachstum im Währungsraum. Die Wachstumsrisiken seien aber weiterhin nach unten gerichtet. Hauptrisiko stellten die Spannungen auf den Finanzmärkten dar, die länger als zunächst erwartet anhalten könnten.
Inflation weiter über zwei Prozent
Die Inflationsrate wird im weiteren Jahresverlauf laut Trichet weiter deutlich über zwei Prozent liegen und nur moderat zurückgehen. Risiken für steigende Inflationsraten seien insbesondere weiter steigende Öl- und Nahrungspreise. Zudem unterstrich Trichet erneut die Wichtigkeit zur Vermeidung sogenannter Zweitrundeneffekten infolge hoher Lohn- und Preissteigerungen. Derartige Effekte müssten auf jeden Fall vermieden werden. Die Lohnverhandlungen im Euroraum verfolge die EZB mit besonderer Aufmerksamkeit.
Mit Blick auf die Interbanken- oder Geldmärkte sagte Trichet, hier seien weiterhin Spannungen festzustellen. In einigen Marktsegmenten habe sich die Lage aber etwas entspannt.
EZB zufrieden mit Zinsniveau
Die EZB ist nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) offensichtlich mit dem derzeitigen Leitzinsniveau zufrieden. Bei den Inflations- und Wachstumsrisiken für den Euroraum habe Trichet ein insgesamt ausgeglichenes Bild gezeichnet. Allerdings seien die Konjunkturrisiken etwas stärker betont worden als nach der Zinsentscheidung im April. Die bis zuletzt vorhandenen leichten Zinserhöhungserwartungen sollten daher tendenziell zurückgefahren werden.
Keine Änderung der Zinspolitik
Nach Einschätzung der Commerzbank hat die Notenbank kein Signal für eine Änderung des Leitzinses gegeben. Insgesamt seien die Ausführungen mit Blick auf die Inflations- und Lohnentwicklung etwas schärfer formuliert, sagte EZB-Experte Michael Schubert von der Commerzbank. In grossen Teilen seien die Aussagen im Vergleich zur vorangegangenen Sitzung aber nahezu unverändert wiederholt worden. Insgesamt gehe die Tendenz der Aussagen leicht in Richtung einer Zinserhöhung. Die Währungshüter dürften angesichts der zu erwartenden Konjunkturabkühlung und der Finanzmarktturbulenzen den Leitzins aber zunächst nicht antasten. Erst im Frühjahr 2009 sei im Zuge der Konjunkturabkühlung und der sich dann abschwächenden Inflation eine Zinssenkung zu erwarten.
Nach Einschätzung von HSBC Trinkaus hat die EZB kaum neue Signale für den künftigen geldpolitischen Kurs im Euroraum gegeben. «Die jüngsten Ausführungen Trichets waren seinen Aussagen vom Vormonat sehr ähnlich», sagte HSBC-Experte Rainer Sartoris. (awp/mc/pg)