Die Europäische Zentralbank hat laut Volkswirten ein Ende der Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von einem Jahr signalisiert. Trotz einer erwarteten graduellen Konjunkturerholung signalisierte die Notenbank jedoch eine fortgesetzte Niedrigzinspolitik. «Die derzeitigen Zinsen bleiben angemessen», sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt. Die jüngsten Konjunkturdaten hätten die Erwartungen der EZB bestärkt.
Entscheid im Dezember
Über ein Auslaufen der Ein-Jahres-Refinanzierungsgeschäfte werde die EZB erst im Dezember entscheiden, sagte Trichet. Der Markt erwarte jedoch keine Verlängerung dieser Geschäfte. Man werde sicherstellen, dass die aussergewöhnlichen Massnahmen rechtzeitig und graduell zurückgeführt werden. «Die unkonventionellen Massnahmen werden in nächster Zeit aber nicht mehr so stark benötigt wie in der Vergangenheit», sagte Trichet. Die Notenbank hatte wegen der Finanzkrise den Geschäftsbanken in den 16 Euro-Ländern wiederholt Milliardensummen zu günstigen Konditionen und für ungewöhnlich lange Zeiträume zur Verfügung gestellt. Damit wollte die EZB ein Austrocknen der Geldmärkte verhindern. Beim letzten sogenannten Jahrestender im September war die Nachfrage nach diesem Geld aber bereits deutlich zurückgegangen.
Ende von Ein-Jahres-Refi quasi angekündigt
Trichet habe damit ein Ende der Refigeschäfte mit einer Laufzeit von einem Jahr quasi angekündigt, sagte Karsten Junius, EZB-Experte bei der DekaBank. Zudem werde die EZB wohl im Dezember ein Programm veröffentlichen, wie sie im Jahr 2010 aus den zusätzlichen Liquiditätsgeschäften aussteigen wird. Laut Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert wird der nächste Ein-Jahres-Tender im Dezember vermutlich der letzte seiner Art sein. «Dies bestätigt unsere Einschätzung, dass die EZB zunächst die Überschussliquidität aus dem Markt nimmt und erst dann den Leitzins erhöht.» Die Zentralbank hat laut NordLB deutlich darauf hingewiesen, dass die ergriffenen «unorthodoxen Massnahmen» künftig wohl nicht mehr so stark erforderlich seien wie bisher, heisst es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Bankhauses. Mit echtem Aktionismus sei jedoch in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.
Jüngste Daten signalisierten im zweiten Halbjahr ein Wachstum im Quartalsvergleich, sagte Trichet. Im Jahr 2010 dürfte sich die Wirtschaft graduell erholen. Die Konjunktur dürfte vor allem von einer Erholung der Exporte profitieren. Zudem dürfte sich auch der Lagerzyklus positiv auf die Konjunkturentwicklung auswirken. Das Vertrauen könnte schneller als bisher erwartet zurückkommen. «Die Unsicherheit bleibt jedoch hoch», sagte Trichet. Die Risiken für den Ausblick blieben ausgewogen. Laut Junius ist der Konjunkturausblick der EZB nur ein «klein wenig optimistischer» als zuletzt gewesen. «Da hätte man sich mehr vorstellen können.»
Keine Inflationsgefahren
Die Jahresinflationsrate dürfte in den kommenden Monaten wieder in den positiven Bereich drehen, sagte Trichet. Im Oktober hatte die Jahresrate noch bei minus 0,1 Prozent gelegen. Mittelfristig sollten die Raten leicht positiv bleiben und Preisstabilität gewährleistet sein. Die Inflationserwartungen blieben fest verankert. Die EZB werde alles Mögliche tun, damit dies so bleibe. Eine geringe Inflation stärke die Kaufkraft der Menschen.
Rechtzeitige Konsolidierung der Staatsfinanzen angemahnt
Trichet forderte die Regierungen auf, rechtzeitig mit einer Konsolidierung der Staatsfinanzen zu beginnen. Ausstiegsstrategien aus der expansiven Finanzpolitik müssten auf realistischen Wachstumsannahmen beruhen. Steuersenkungen sollten nur auf mittlere Sicht ins Auge gefasst werden, wenn die Regierung auch wieder haushaltspolitischen Spielraum haben. Dies gelte für alle Länder, auch für Deutschland. Sehr zufrieden zeigte sich Trichet über den Abschluss des Ratifizierungsprozesses für den Vertrag von Lissabon. (awp/mc/pg/22)