Um die Märkte am Leben zu halten, will die EZB in Zukunft zur Not auch Anleihen von hoch verschuldeten Staaten oder auch privaten Schuldnern kaufen. Dies teilte die EZB am frühen Montagmorgen in Frankfurt mit. Die Finanzministern der führenden Wirtschaftsnationen und der Internationalen Währungsfonds (IWF) begrüssten diesen Schritt.
Weiteres Tabu gefallen
Mit dem möglichen Ankauf von Staatsanleihen fällt in der Schuldenkrise der Eurozonen-Staaten ein weiteres Tabu der Geldpolitik- bereits in der Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hatten die Notenbanken zahlreiche ungewöhnliche Schritte unternommen, um die Banken und Märkte mit genügend Geld zu versorgen. Einige dieser Massnahmen wurden in der Nacht auf Montag wiederbelebt. Die EZB verteidigte den jetzt möglichen Ankauf damit, dass ihre Aufgabe, die Preise stabil zu halten, nur bei funktionierenden Märkten möglich ist. Grundsätzlich ändere sich nichts an den geldpolitischen Zielen der EZB.
Umstrittener Schritt
Der jüngste Schritt ist unter Experten umstritten, da zahlreiche Politiker genau dies gefordert hatten. Die Zentralbank ist von ihren Statuten her unabhängig und nur der Preisstabilität im Euroraum verpflichtet. Die Eurozonen-Staaten hatten sich davor nach einer Marathonsitzung auf ein 500 Milliarden Euro hohes Euro-Rettungspaket, das zudem mit bis zu 250 Milliarden Euro durch den Internationalen Währungsfonds unterstützt wird, geeinigt. Die EZB hat sich noch nicht auf den Umfang eines möglichen Anleiheankaufs festgelegt. Sollte sie Staatsanleihen an den Märkten erwerben – ein direkter Kauf von den Staaten ist rechtlich nicht möglich – würde die EZB einen Teil der Schulden der Staaten finanzieren.
Märkte reagieren erleichtert
An den Märkten wurden die angekündigten Schritte der Eurozonen-Länder und der EZB grösstenteils erleichtert aufgenommen. Der Euro kletterte wieder deutlich über die Marke von 1,29 Dollar. Am Freitag war die europäische Gemeinschaftswährung zeitweise unter 1,26 Dollar gefallen. Auch an den Aktienmärkten in Fernost wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Dort stiegen die Kurse. In der vergangenen Woche hatte vor allem die Schuldenkrise in Europa für einen teils heftigen Kursverfall an den Aktienmärkten gesorgt.
Geldströme in der Eurozone am Laufen halten
Neben dem Ankauf von Staatsanleihen will die Zentralbank mit Mitteln aus der Finanzkrise, die Geldströme in der Eurozone am Laufen halten. So sollen die Banken sich bereits in dieser Woche so viel Geld wie sie wollen bei der EZB für sechs Monate leihen können. Die Kosten dafür richten sich nach dem durchschnittlichen Zinssatz der sonst üblichen Refinanzierungsgeschäfte bei der EZB in diesem Zeitraum. Zudem will die EZB Ende Mai und Ende Juni den Banken jeweils für drei Monate unbegrenzt Geld zu einem festen Zinssatz zur Verfügung stellen. Darüber hinaus greifen die Notenbanken weltweit zu einem weiteren aus der Finanzkrise bekannten Schritt. Sie geben sich selbst untereinander Kreditlinien, um die jeweilige Versorgung mit Fremdwährungen zu gewährleisten.
Trichet: Anleihenkauf geht nicht auf politischen Druck zurück
Die Entscheidung der EZB zu Staatsanleihekäufen von Euro-Ländern ist laut EZB-Chef Jean-Claude Trichet nicht durch politischen Druck zustande gekommen. «Wir sind absolut unabhängig», bekräftigte Trichet am Montag in Basel am Rande einer Tagung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Die Entscheidung sei im EZB-Rat gefällt worden und nicht auf irgendeine Art von Druck zurückzuführen. Gleichwohl räumte Trichet ein, die Entscheidung im EZB-Rat sei nicht einstimmig zustande gekommen. Der Beschluss sei jedoch mit «überwältigender Mehrheit» getroffen worden. Konkrete Hinweise zum Volumen der geplanten Anleihekäufe gab Trichet nicht. «Der EZB-Rat wird über den Umfang der Interventionen entscheiden. Wir werden tun, was notwendig ist.» (awp/mc/ps/08)