EZB: Situation vor EU-Rettungsschirm mit Lehman-Krise vergleichbar
Dies heisst es im Monatsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers gilt als Höhepunkt der Finanzkrise und hatte das globale Finanzsystem an den Rand des Abgrunds getrieben.
Flankierender Ankauf von Staatsanleihen
In den Tagen von dem ersten Mai-Wochenende, als Europäische Union (EU) und Internationaler Währungsfonds (IWF) überraschend einen gigantischen Rettungsschirm spannten, kam es an den internationalen Finanzmärkten abermals zu heftigen Verspannungen. Nicht zuletzt auf Drängen der EZB wurde ein Hilfspaket von einer dreiviertel Billion Euro geschnürt, auf das finanzschwache Euro-Länder im Notfall zugreifen können. Die EZB flankiert das Programm mit dem Ankauf von Staatsanleihen, woraufhin ihr von vielen Seiten teils heftige Kritik entgegenschlug.
Gonzalez-Paramo: Wollen noch länger Staatsanleihen kaufen
Die EZB will weiter Staatsanleihen am Markt kaufen. «Wir werden weiter Anleihen kaufen, bis sich die Märkte ausreichen stabilisiert haben», sagte José Manuel Gonzalez-Paramo der Financial Times Deutschland. Dies erfolge unabhängig von der Einrichtung des 750 Milliarden Euro grossen Rettungsschirms der Eurozone und des IWF. «Wenn die Liquidität in diesem Markt versiegt, ist das gesamte Finanzsystem blockiert», rechtfertigte der Spanier die Käufe. Gonzalez-Paramo ist bei der EZB für den Bereich Märkte verantwortlich und damit auch für dieses Programm. Er sei mit dem Programm zufrieden. «Bislang läuft das Programm gut. Man muss nur die Renditeniveaus auf dem Anleihemarkt und die Zinsdifferenzen vergleichen mit der Situation Anfang Mai.»
Investoren bleiben vorsichtig
Viele Investoren seien aber weiter vorsichtig. «Die Situation ist immer noch nicht völlig normal.» Zu Vermutungen, die EZB sei derzeit der einzige Käufer von Staatsanleihen, sagte er, das sei «nicht korrekt, zumindest nicht völlig korrekt». Dass die EZB nicht preisgibt, wie viele und welche Staatsanleihen sie kaufen will, verteidigte Gonzalez-Paramo: «Wir brauchen auf jeden Fall volle Flexibilität und Beweglichkeit.» Solche Informationen bereitzustellen «könnte den Zielen des Programms zuwiderlaufen.»
EZB signalisiert Fortsetzung der Niedrigzinspolitik
Die EZB hat erneut eine Fortsetzung ihrer Niedrigzinspolitik signalisiert. «Die derzeitigen Zinssätze sind nach wie vor angemessen», heisst es weiter im Monatsbericht. Die Preisentwicklung dürfte mittelfristig moderat bleiben. Der globale Inflationsruck könnte anhalten, während der inländische Preisdruck gering bleiben dürfte. Die Inflationserwartungen blieben fest verankert. Die Konjunktur habe sich im ersten Halbjahr belebt. Der EZB-Rat rechnet mit einem moderaten Wachstum der Wirtschaft des Euroraums. Das Umfeld bleibe angesichts anhaltender Spannungen in einigen Finanzmarktsegmenten durch eine «ungewöhnlich hohe Unsicherheit» geprägt.
EZB fordert zur beschleunigten Korrektur von Haushaltsdefiziten auf
Die EZB hat die Staaten der Eurozone zur beschleunigten Korrektur von Haushaltsdefiziten aufgerufen. Solide Staatsfinanzen seien «eine notwendige Stütze der auf die Wahrung von Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik», schreibt die EZB weiter im Monatsbericht. Eine Haushaltskonsolidierung könne zwar kurzfristig Kosten in Form eines niedrigeren Wirtschaftswachstums verursachen. Die längerfristig positiven Effekte seien aber unstrittig.
Umsetzung von ehrgeizigen Konsolidierungspläne gefordert
Die kurzfristigen Kosten halten sich laut EZB in Ländern mit einer prekären Ausgangslage des Staatshaushalts tendenziell in Grenzen. Kurzfristig könnten Erwartungseffekte den kurzfristigen wachstumsverringernden Impuls einer Haushaltskonsolidierung mehr als ausgleichen. Eine Verzögerung der Haushaltssanierung würde umso drastischere Einschnitte bringen. Die EZB fordert eine frühzeitige Bekanntgabe und Umsetzung glaubwürdiger und ehrgeiziger Konsolidierungspläne. (awp/mc/ps/13)