EZB-Zinserhöhung rückt stärker in den Fokus – Sorge über Inflation
Nachdem Bundesbankpräsident Axel Weber bereits am Montag mögliche Zinserhöhungen seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) angedeutet hatte, tat dies nun auch der französische Notenbankchef Christian Noyer. «Wir werden die Leitzinsen falls nötig ändern», sagte Noyer dem französischen Radiosender «RTL Radio» am Dienstag mit Blick auf die aktuell hohe Inflation im Währungsraum. Vorläufig belasse die EZB den Leitzins aber bei 4,0 Prozent, da dieses Zinsniveau derzeit angebracht erscheine, fügte Noyer hinzu.
Der Chef der Banque de France ist wie Bundesbankpräsident Weber Mitglied im geldpolitischen Rat der EZB, der über die Leitzinsen im Euroraum entscheidet. Weber hatte am Vortag abermals die Möglichkeit von höheren Leitzinsen im Währungsraum angedeutet. Angesichts einer Teuerung im Euroraum von aktuell 3,6 Prozent werde der EZB-Rat in den kommenden Wochen entscheiden, ob das derzeitige Leitzinsniveau die Gewährleistung von Preisstabilität sicherstelle, sagte Weber am Montag in München. Der EZB-Rat werde alle Entwicklungen sehr genau verfolgen. Damit unterstrich Weber gleichlautende Äusserungen von vergangener Woche.
Experte: Zinserhöhung zurzeit wahrscheinlicher als Senkung
Die EZB sieht Preisstabilität bei Inflationsraten von knapp unter zwei Prozent gewährleistet. Aufgrund der aktuell hohen Teuerung, die mehr als anderthalb Punkte über dem Zielwert der Währungshüter liegt, hatten viele Marktbeobachter zuletzt ihre Zinsprognosen für den Euroraum angepasst. Waren Experten zu Anfang des Jahres wegen der US-Hypothekenkrise und der Finanzmarktturbulenzen noch von Leitzinssenkungen spätestens zur Jahresmitte ausgegangen, rechnen zahlreiche Analysten mittlerweile nicht mehr mit schnellen Zinssenkungen der EZB.
«Obgleich wir nach wie vor von zunächst unveränderten Leitzinsen ausgehen, ist eine Zinserhöhung derzeit wahrscheinlicher als eine Zinssenkung», kommentierte Commerzbank-Experte Michael Schubert jüngste Äusserungen aus der EZB. Die Befürworter von Zinserhöhungen («Falken») hätten wegen der ungünstigen Inflationsdaten zurzeit «Oberwasser». Wichtig für die weitere Geldpolitik der europäischen Notenbank seien nach wie vor mögliche Zweitrundeneffekte infolge hoher Lohn- und Preissteigerungen. «Auf der anderen Seite geht von der zwar abgeschwächten, aber immer noch intakten Konjunktur im Euroraum kein merklicher Abwärtsdruck auf die Teuerung aus», unterstrich Schubert.
Auch Luxemburgs Notenbankchef mit deutlichen Worten
Auch jüngste Äusserungen von Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch deuten laut Schubert auf mögliche Zinserhöhungen der EZB hin. Mersch hatte in einem Interview mit der «Financial Times Deutschland» (Dienstagausgabe) erhebliche Zweifel geäussert, dass die Notenbank im kommenden Jahr ihr Preisziel überhaupt noch erreichen kann. Zudem widersprach Mersch deutlich den Markterwartungen sinkender Leitzinsen: «Ich bin überrascht, dass verschiedene Marktanalysten immer noch eine Option in Betracht ziehen, die sich im bestehenden Umfeld keineswegs aufdrängt – nämlich eine Zinssenkung.» (awp/mc/pg)