Dieses Jahr sei das erste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Weltkonjunktur schrumpfe. Die Industriestaaten erlebten einen Abschwung, den man noch nie gesehen habe. Und in den aufstrebenden Märkten seien die Träume von der Entkoppelung ihrer Volkswirtschaften von den USA und den Industriestaaten geplatzt, sagte Roach, der bei seiner Vorstellung auf dem Podium als Kassandra des WEF betitelt wurde.
«Mutter aller Rezessionen»
Die trojanische Königstochter Kassandra besass in der griechischen Mythologie die Gabe, die Zukunft vorhersehen zu können. Allerdings glaubte niemand ihren Voraussagen. Im Vorjahr hatte Roach angesichts des Einbruchs des US-Konsums die «Mutter aller Rezessionen» vorhergesagt.
Grosse Auswirkungen der China-Fokussierung
Auch in den hochgejubelten Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Russland gehe das Wirtschaftswachstum zurück, sagte Roach. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) von China sei zwar immer noch stark, aber nicht mehr ganz so stark wie in den Vormonaten. Die Welt und insbesondere Asien seien China-zentriert geworden. Dies habe grosse Auswirkungen. So seien die Exporte von Taiwan um 42 Prozent geschrumpft, von Japan um 35 Prozent und von Südkorea um 17 Prozent, sagte Roach.
«Wir werden es schwer haben»
«Deshalb werden wir für viele Jahre das durchschnittliche Wachstum der Weltwirtschaft von rund 5 Prozent nicht mehr erleben.» Dieses dürfte es sich auf 2,5 Prozent halbieren: «Wir werden es schwer haben in nächsten Zeit», sagte Roach.
Talsohle noch nicht erreicht
«Wir müssen mit einer Rezession rechnen und wir sind noch nicht an der Talsohle angelangt, sagte Weltbank-Chefökonom Justin Yufu Lin. Die Entkoppelung sei nicht möglich. Vor einem Jahr waren zahlreiche Ökonomen am WEF noch zuversichtlich gewesen, dass die aufstrebenden Länder eine wirtschaftliche Verlangsamung der USA wettmachen könnten. Um gegen die Krise vorzugehen, brauche es multilaterales Handeln. Kapitaleinschüsse genügten nicht im Finanzsektor, sagte der Weltbank-Chefökonom: Die Staaten müssten auch mit steuerlichen Massnahmen reagieren.
«Regierungsaktivismus»
Kapitaleinschüsse seien nur Regierungsaktivismus, sagte der japanische Universitätsdozent Heizo Takenaka: Kapital sei zwar wichtig, genüge aber nicht. Diese Erfahrung habe Japan bereits gemacht. 1990 habe die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt Unsummen an Geld in die Geschäftsbanken eingeschossen. Vier Jahre später steckten die aber immer noch in der Krise. Jetzt seien auch makroökonomische Stimuli nötig.
Warnung vor Protektionismus
Gleichzeitig warnten die Ökonomen vor Protektionismus: Einige Regierungen hielten ihre Banken dazu an, im Inland zu investieren, sagte der Chef der türkischen Dogus Group, Ferit Sahenk: «Das ist eine neue Welle von Protektionismus.» Der Internationale Währungsfonds (IWF) sollte die Rolle der Polizei zur Überwachung der Finanzmärkte übernehmen. Denn es gebe nur wenige Institionen, die dazu die Ressourcen hätten wie der IWF.
Roth: «Keine Tabus»
Auch wenn das Zinsniveau in der Schweiz nach Aussage des Notenbankpräsidenten Jean-Pierre Roth bereits «extrem niedrig» ist, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) viele andere geldpolitische Optionen. «Es gibt keine Tabus mehr. In diesen Tagen ist alles möglich und die Zentralbanken haben beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, um in diesen Märkten zu agieren», sagte Roth am Mittwoch in einem Interview mit Dow Jones Newswires und Market News International. «Wir beobachten die Entwicklungen sehr genau und sind zum handeln bereit, falls nötig», sagte der Währungshüter. Die Wiederbelebung der US-Wirtschaft sei der Schlüssel für eine globale Erholung. Die Prognosen des Internationalen Währungsfonds seien positiv, in diesem Jahr werde zumindest eine kleine Erholung erwartet, sagte Roth. «Wir drücken die Daumen.» Sobald die Weltwirtschaft wieder anziehe, werde auch die Schweizer Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnen.(awp/mc/pg/23)