Finanzkrise: Ökonomen erachten US-Finanzpaket als richtig
Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Walter Wittmann sieht ohne Rettungspaket ebenfalls düstere Zeiten kommen. Die Situation habe sich derart entwickelt, dass das gesamte Finanzsystem zusammenzubrechen drohe. «Und dann hätten wir nicht nur eine Rezession, sondern eine Depression wie in den Dreissigerjahren», sagte er im Interview mit der «Südostschweiz am Sonntag». Zwar gefalle ihm überhaupt nicht, «dass die Notenbanken und der Staat eingreifen müssen, um jene zu retten, die den ganzen Schlamassel angerichtet haben». Dies stehe im Widerspruch zum Verursacherprinzip, einer der wichtigsten Regeln aus den Theorien der Marktwirtschaft.
«Ordnungspolitischer Sündenfall»
Auch für den SVP-Nationalrat und früheren Chefökonomen der Bank Julius Bär, Hans Kaufmann, ist das Finanzpaket ein ordnungspolitischer Sündenfall, wie er im Interview in der Samstagsausgabe der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» sagte. Der Staat solle möglichst nicht intervenieren, es sei denn das System als solches sei in Gefahr. «Das ist heute wohl der Fall», sagte Kaufmann.
Für 700 Milliarden Dollar lediglich Zeit erkauft?
Es gelte nun, das Vertrauen in das Finanzsystem aufzubauen, sagte Klaus Wellershoff, Chefökonom der UBS gemäss Interview der Samstags-Ausgabe der Zeitung «Der Bund». Das Finanzpaket in den USA sei ein Schritt in die richtige Richtung. Ob es ausreiche, stehe allerdings in den Sternen. 700 Mrd USD seien absolut betrachtet eine gewaltige Zahl. «Aber wenn man sie vergleicht mit dem Kreditvolumen in der US-Wirtschaft und sich vor Augen führt, dass die Amerikaner nicht nur Probleme im Immobilienmarkt haben, sondern dass im Rahmen der konjunkturellen Abkühlung auch Dinge wie Autoleasing oder Kreditkarten in Frage gestellt werden müssen – dann sieht es aus, als würde das Programm nur Zeit erkaufen».
Bankenombudsmann Häni hegt kaum Hoffnung auf Lehren
Weder Banken noch Anleger werden aus dem Fall Lehman Brothers und anderen Enttäuschungen mit Finanzanlagen klüger. Der Bankenombudsmann Hanspeter Häni hegt diesbezüglich jedenfalls keine Hoffnung. Eine entsprechende Frage im Interview mit der «Mittelland Zeitung» vom Samstag beantwortet er folgendermassen: «Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Und die Antwort auf Ihre Frage heisst: Nein.»
Neue Produkte bringen neue Risiken
Banken würden stets neue Produkte mit neuen Risiken auf den Markt bringen. «Offenbar müssen Kunden und Betreuer zuerst lernen, damit umzugehen.» Bei Beratungsgesprächen müssten beide, Kunde und Berater, Klartext sprechen – der Kunde müsse seine Wünsche zum Ausruck bringen, der Berater die Vor- und Nachteile erläutern.
«Lehman war eine renommierte Bank»
Bei den Produkten von Lehman Brothers liege zwar der Schluss nahe, dass das Emittentenrisiko oft ausgeblendet worden sei. Doch würde ein Autohändler dem Käufer ja auch nicht zuerst eine Unfallstatistik vorweisen, vergleicht Häni. «Es liegt auch an den Kunden, ein Produkt zu hinterfragen». Ein Grossteil der Lehman-Zertifikate seien zwischen 2005 und 2007 verkauft worden. «Wenn damals jemand gesagt hätte, Lehman sei konkursgefährdet, hätte er eine Klage wegen Kreditschädigung am Hals gehabt. Lehman war eine renommierte Bank.» (awp/mc/ps/04)