Finanzkrise: SNB-Präsident Roth warnt vor rigiden Banken-Lohn-Vorschriften

«Die Gefahr ist, dass die Talente, die keine marktkonformen Entschädigungen erhalten, zu Banken ins Ausland wechseln oder zu nicht regulierten Instituten.» Roth betonte, dass die Schweiz in dieser Frage nicht im Alleingang vorgehen dürfe. Der Schweizer Finanzplatz könne nur richtig funktionieren, «wenn unsere Banken gleich lange Spiesse haben wie ihre ausländischen Konkurrenten», sagte der Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB).


Übertreibungen korrigieren
«Übertreibungen müssen korrigiert werden, aber im Einklang mit dem Ausland», sagte Roth. Es sei Sache der Eidgenössischen Bankenkkommission (EBK) darauf zu achten, dass die Entschädigungen der UBS im Rahmen blieben. Kritiker des UBS-Rettungspakets hatten moniert, dass die Auflagen zur Salärpolitik zu vage seien. Roth verteidigte die Massnahmen als «marktkonform» – auch den hohen Zins von 12,5%, den der Bund für seine Pflichtwandelanleihe in Höhe von 6 Mrd CHF verlangt. Denn es handle sich nicht um einen normalen Kredit, sondern um eine Kapitalbeteiligung. «Ein Aktionär darf eine höhere Verzinsung erwarten als ein Kreditgeber.»


SNB-Rettungspaket: «Positove Zeichen zu erkennen»
Roth zeigte sich überzeugt, dass das Paket mit einem Gesamtvolumen von 68 Mrd CHF zur Beruhigung beitrage: «Heute sind positive Zeichen zu erkennen. Wir sehen, dass im Bankensektor ein bisschen Vertrauen zurückkommt.» Für ihn sei aber auch klar, «dass eine Wirkung nur zu erzielen ist, wenn nicht am Einsatz der Mittel gespart wird». Der oberste Währungshüter der Schweiz wies die Kritik zurück, dass Nationalbank und Bund auf politischen Druck der europäischen Länder reagiert hätten. Er habe die Notenbankgouverneure der G10-Staaten bereits an der Herbsttagung des Währungsfonds Mitte Oktober in Washington über die Pläne der Schweiz orientiert.


«SNB bereits im Mai bereit gewesen»
Die SNB sei bereits im Mai bereit gewesen, sagte Roth. Als sich die Krise im Herbst 2007 zugespitzt habe, sei die Überwachung von UBS und CS verschärft worden. Ebenso sei die Zusammenarbeit mit der EBK intensiviert worden. Das Finanzdepartement wurde im Frühling in die Pläne der SNB eingeweiht, die UBS war nicht informiert. Laut Roth war für die SNB «von Anfang an klar, dass im Fall der UBS eine Konsolidierung nur durch eine Abtrennung der illiquiden Positionen und eine Rekapitalisierung zu erreichen sein würde».


Zwei Szenarien
Zwei Szenarien wurden diskutiert: eine endgültige Auslagerung der Problempositionen aus der UBS-Bilanz oder eine nur vorübergehende Entlastung. Als sich die Lage im September erneut dramatisch zugespitzt habe, sei klar geworden, dass nur die erste Variante Erfolgschancen haben würde, erläuterte Roth. Dass es mit der Wirtschaft trotz aller Hilfsmassnahmen immer schneller bergab geht, bereitet auch Roth Sorgen: «Die Lage hat sich spürbar verschlechtert, weil die Finanzkrise die Realwirtschaft doch deutlich erfasst.» Zur Frage, ob die Schweiz in eine Rezession abgleiten werde, wollte er sich nicht äussern. «Wir tun alles, was möglich ist, um die Wirtschaft vor steigenden Zinsen zu bewahren», sagte Roth weiter. «Wir sehen, dass das Vertrauen langsam wieder wächst und sich die Zinssätze in den letzten Tagen nach unten korrigiert haben. Zwar nicht so schnell wie in der Vergangenheit, aber die Richtung stimmt.» 


Hildebrand nimmt Kantonalbanken in die Pflicht
Der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Philipp Hildebrand, nimmt die Kantonalbanken in die Pflicht. Er fordert von den Staatsbanken Zurückhaltung bei der Abwerbung von Kunden der Grossbanken. «In Notzeiten müssen alle am selben Strick ziehen», sagte Hildebrand in einem Interview mit der Zeitung «Sonntag» (Ausgabe vom 02.11.2008). Destabilisierendes Verhalten sei zu unterlassen. Er plädierte daher für einen «Ehrenkodex im Interesse des Finanzplatzes». Gefordert seien etwa die Bankiervereinigung und der Kantonalbankenverband.


«Kantonalbanken erschweren SNB-Geldpolitik»
Hildebrand kritisierte zudem, dass die Kantonalbanken zwar über eine sehr hohe Liquidität verfügen, gleichzeitig aber im Handel zwischen den Banken auf die Bremse treten. «Im Interbankenmarkt horten die Kantonalbanken ihr Geld und erschweren damit die Geldpolitik der Nationalbank.» «Es kann doch nicht sein, dass Bund und Nationalbank dem Schweizer Finanzplatz mit Milliarden unter die Arme greifen und die Kantone über ihre Banken genau das Gegenteil bewirken. Das ist aus Sicht des Steuerzahlers absurd, der letztlich auf beiden Seiten involviert ist», erklärte Hildebrand.


Misstrauen zwischen Banken hält an
Die SNB will den Leitzins, den Interbankensatz Dreimonats-Libor, auf 2,5% drücken. Der Dreimonats-Libor ist zwar in den letzten Tagen gesunken, er liegt aber immer noch über dem von den Währungshütern angepeilten Niveau. Das zeigt, dass zwischen den Banken grosses Misstrauen herrscht. Das 68 Mrd CHF schwere Rettungspaket für die UBS zeitigt nach Ansicht Hildebrands erste positive Wirkungen: «Die Situation hat sich etwas verbessert. Doch die Massnahmen müssen noch mehr greifen. Das braucht seine Zeit. Wichtig ist, dass sich der Interbankenmarkt weiter stabilisiert.»


Globale, synchrone Wachstumsabschwächung
Trotz allem lässt sich eine deutliche Abschwächung der Schweizer Wirtschaft nicht verhindern. «Die globalen Konjunkturaussichten haben sich massiv verschlechtert. Wir sehen eine globale, synchrone Wachstumsabschwächung, gepaart mit einer weltweiten Kreditkrise.» Zur Frage, ob die Schweiz in eine Rezession abrutsche, äusserte sich Hildebrand – im Gegensatz zu Roth – nicht konkret. (awp/mc/ps/04)

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