Finanzkrise zieht sich wegen unzureichender Rettungspläne weiter in die Länge

Von Karl-Heinz Goedeckemeyer

Zwar hat das Londoner G 20-Treffen eindrucksvoll bewiesen, dass die Krise nur durch ein globales Forum zu meistern ist. Auch der Wille der Politiker, die notwendigen Lehren aus der Krise zu ziehen sind lobenswert. Dennoch ließ der Gipfel meines Erachtens viele Wünsche übrig. Zum einen ist unklar, inwieweit die beschlossenen Regelungen in nationale Gesetze übernommen werden. Zum anderen konnte der Gipfel keinen konkreten Beitrag zur Stabilisierung der Märkte liefern. Die Problematik der nach wie vor unkalkulierbaren Risiken auf den Aktivseiten der Banken wurde im Abschlusskommuniqué zwar erwähnt, lässt aber jegliche konkrete Schritte vermissen. Des Weiteren dürften die vom britischen Premierminister Gordon Brown in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel von 1.100 Milliarden Euro sich als Taschenspielertrick herausstellen. Denn viele dieser Mittel sind bisher noch gar nicht fest zugesagt worden. Und von den 250 Milliarden Dollar, die den Welthandel unterstützen sollen, sind lediglich erst 3 bis 4 Milliarden fest zugesagt. Praktisch enthält das Paket keine neue Verpflichtungen, dafür aber eine Menge künstlicher Geldschöpfung.


Gefahr der Hyperinflation?
Problematisch ist, dass im Kampf gegen die Wirtschaftskrise immer mehr Geld (teilweise unkontrolliert) eingesetzt wird. Wohin das führen kann, lehrt die Vergangenheit nur allzu gut: Die Staaten verschulden sich und wälzen diese Last früher oder später auf ihre Bürger ab. Der Steuerzahler wird die Suppe am Ende auslöffeln müssen. Steuererhöhungen und die Rückkehr der Inflation werden die Folge sein. Zwar mag die Inflation derzeit kein Thema sein. Künftig, da sind sich viele Experten einig, wird die Geißel Inflation zurückkommen. Der Londoner Chefvolkswirt von Morgan Stanley, Joachim Fels spricht gar von einer möglichen Rückkehr der Hyperinflation, mit Geldentwertungsraten von 50 % und mehr. Hintergrund solcher Spekulationen ist die enorme Ausweitung der weltweiten Geldmenge. Rund um den Globus versuchen die Staaten die Rezession mit gewaltigen Konjunkturpaketen zu bremsen. Doch das hat Folgen.


Staatsbankrott kann Realität werden
Inzwischen hat die Staatsverschuldung vor allem in den USA und Großbritannien bedrohliche Ausmaße angenommen. Die Krisen in Lateinamerika und Asien in den 80er und 90er Jahren haben gezeigt, wie schnell Länder mit hohen Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten in die Pleite getrieben werden können, wenn denen das Vertrauen entzogen wird. Schnell kann eine Kapitalflucht finanzielle, wirtschaftliche und politische Krisen auslösen. Der Londoner Ökonom Willem Buiter rechnet für das kommende Jahr in den USA und Großbritannien mit Budgetdefiziten von 14% bzw. 12 % des BIP. Vor dem Hintergrund der dramatischen Zuwächse schließt Buiter auch einen Staatsbankrott beider Länder nicht mehr aus.


Konzeptionslosigkeit in Deutschland
Hinzu kommt, dass in vielen Ländern die Bankenrettung nur unzureichend angegangen wird. Mit Ausnahme von Großbritannien, die ein Restrukturierungsregime für den Finanzsektor installierte und Irland, die jüngst eine «Bad Bank» adoptiert hat, ist die Vorgehensweise wie man mit den toxischen Wertpapieren in den Bilanzen der Banken umgeht entweder nur unzureichend angegangen (USA) oder noch gar nicht auf dem Weg gebracht (Deutschland). Während in Irland der Staat zwischen 80 – 90 Mrd. Euro an giftigen Wertpapieren von den Banken übernehmen will (das Volumen der toxischen Assets wird in Irland auf etwa 400 Mrd. Euro geschätzt) dürfte das Volumen deutscher Banken an toxischen Wertpapieren weitaus höher sein. Ferner hat die deutsche Regierung sich bislang zu sehr auf die Rettung der Hypo Real Estate konzentriert, statt ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Bankenkrise zu entwerfen. Derzeit ist kein Konzept für die Restrukturierung des deutschen Finanzsektors erkennbar. Dabei wäre zumindest eine Gesamtlösung für die teilweise maroden Landesbanken nötig. Aber der Bund vergeudet seine Zeit mit der Rettung einer Bank, deren Systemrelevanz höchst umstritten ist. Obwohl Berlin der HRE bisher mehr als 100 Milliarden Euro an Kapitalspritzen und Garantien zur Verfügung gestellt hat, ist der Bund die Antwort schuldig geblieben, warum die HRE als systemrelevant einzustufen ist.


Verstaatlichung der Verluste in den USA
Große Skepsis macht sich auch in den USA breit. Zwar hat US-Finanzminister Timothy Geithner kürzlich einen Plan zum Aufkauf problematischer Aktiva der Banken vorgelegt. Der ist aber unter Experten äußerst umstritten. Der Plan sieht vor, zusammen mit den restlichen Mitteln aus dem TARP-Programm (Troubled Asset Relief Program) in Höhe von ca. 135 Mrd. US-Dollar die Banken von ihren toxischen Aktiva (die neuerdings eher als «Altlasten» bezeichnet werden) zu befreien. Zuvor war bereits ein britischer Rettungsplan vorgestellt worden, bei dem mit Hilfe von Bürgschaften Bankenaktiva in Höhe von 585 Mrd. GBP abgesichert werden sollen. Einerseits machen diese Initiativen Mut, andererseits darf man nicht daraus schließen, dass die Sanierung der Banken dadurch sichergestellt ist. Denn mit der Reinigung der US-Bankbilanzen versucht Geithner zwar das Kernproblem – kaum einschätzbare Risiken auf Bankbilanzen – anzugehen, in seiner Ausgestaltung ist der Plan aber noch nicht ausreichend bzw. sogar fehlspezifiziert. Volle Transparenz auf der Aktivseite der Banken ist damit kaum darstellbar und möglicherweise auch nicht erwünscht. Denn eine solche Transparenz kann nur über massiven Staatssupport erreicht werden. Zudem basiert der Plan des Finanzministeriums darauf, den Markt die Preise für toxische Assets der Banken bestimmen zu lassen, darunter auch offene Hypotheken und Sicherheiten, die auf diesen Kredite beruhen. Zum einen haben diese Vehikel wenig miteinander zu tun, zum anderen wird der Rettungsplan fast alle Verluste  absichern. Das bedeutet, dass nicht die in diesem Programm eingebundenen Privatinvestoren das Hauptrisiko tragen werden, sondern der Steuerzahler. Unzweifelhaft hat die Regierung Obama Angst, die Banken zeitweilig zu verstaatlichen, schrieb jüngst der US-Ökonom Joseph Stiglitz. Was die US-Administration derzeit mache, sei viel schlimmer als Verstaatlichung. «Es ist die Privatisierung der Gewinne und Verstaatlichung der Verluste», so Stiglitz. Wenn erst einmal bekannt ist, was dieser Rettungsplan kostet, wird das ohnehin gesunkene Vertrauen weiter schwinden und die Gesundung des Finanzsystems hinausgezögert. 


Wertberichtigungen in der Höhe von vier Billionen Dollar
Wie dramatisch die Bankenkrise ist, zeigt eine neue Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nunmehr rechnet der IWF damit, dass die Verluste der Banken infolge der Wertberichtigung auf toxische Wertpapiere sich im laufenden Jahr auf vier Billionen Dollar belaufen werden. Der US-Ökonom Nouriel Roubini geht in einer ersten Stellungnahme davon aus, dass davon zwei Billionen auf europäische und 1,8 Billionen Dollar auf US-Banken entfallen werden, der Rest auf asiatische Institute. Im Januar ging der Fonds noch mit Verlusten von 2,2 Billionen Dollar (bis 2010) aus.





Der Autor
Karl-Heinz Goedeckemeyer (geb. 1957, Betriebswirt / Certified Real Estate Investment Analyst) ist unabhängiger Finanzanalyst und Wirtschaftspublizist in Frankfurt am Main. Er hat knapp zehn Jahre als Bankenanalyst für Hornblower Fischer und SRC Research gearbeitet. Im Jahr 2004 hat er zusammen mit Oliver Everling das Handbuch «Bankenrating» herausgegeben. Seit 2008 ist Goedeckemeyer freiberuflicher Mitarbeiter eines nationalen Projektentwicklers sowie Fachautor für diverse Banken- & Immobilienmagazine.

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