Finanzplatz Deutschland: Mit Staatsinterventionen allein wird die Finanzbranche nicht zu retten sein

Von Karl-Heinz Goedeckemeyer


Daneben nehmen die Diskussionen zur Gründung individueller «Bad Banks» allmählich Konturen an. Dennoch konnten sich Bund, Aufsicht und Banken bisher noch nicht darauf verständigen, wie der Finanzsektor künftig gestaltet werden soll. Denn unabhängig davon wie tief die Krise auch ausfallen wird, sind die hiesigen Strukturen längst nicht mehr zeitgemäß.


Hypo Real Estate «too big to fail»?
Wie groß die Unsicherheit in der großen Koalition ist, lässt sich an der Rettung der Hypo Real Estate (HRE) ablesen. Obwohl sich die Krise um die HRE bereits Ende des vergangenen Jahres dramatisch zugespitzt und der Lenkungsausschuss des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) die Voraussetzungen für eine Mehrheitsübernahme der HRE durch den Staat geprüft hat, will sich die Bundesregierung noch bis Ende März Zeit für eine Entscheidung bei der Hypo Real Estate lassen ? bis dahin hat das angeschlagene Institut seine Jahresbilanz veröffentlicht. Es ist kaum noch nachzuvollziehen, warum der Bund hier auf Zeit spielt. Immerhin hat der Immobilienfinanzierer bis dato Garantien und Bürgschaften in Höhe von 92 Milliarden Euro erhalten und einen weiteren Kapitalbedarf von rund 10 Milliarden Euro signalisiert. Statt über Kapitalhilfen und Verstaatlichungsmaßnahmen nachzudenken, hätten die Politiker den Finanzierungsalptraum längst beenden und die Bank abwickeln sollen, wie das Finanzminister Peer Steinbrück zunächst sogar vor (oder zumindest laut darüber nachgedacht) hatte. Warum soll der Bund einer maroden Bank, die an der Börse nur noch mit etwa 300 Million Euro bewertet wird, weiteres Kapital zuschießen? Oft wird in der Presse mit dem «»too big to fail»-Ansatz argumentiert, wonach Großbanken nicht in die Insolvenz fallen dürfen. Aber ist die HRE eine noch Großbank? Wenn die Depfa abgespaltet wird, wird eine reine Pfandbrief-Bank übrig bleiben. Trotz allem wird dem Bund angesichts der hohen Bürgschaften die Bank wohl nicht pleite gehen lassen und eine komplette Verstaatlichung anstreben.


Problemfall Commerzbank
An der «neuen» Commerzbank hingegen ist der Staat bereits mit 25% plus 1 Aktie beteiligt. Dabei hatte das Management der Commerzbank die Übernahme der Dresdner noch als Meilenstein für die Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft hingestellt. Zumindest im Privat- und Firmenkundengeschäft wollte man dem Branchenführer Deutsche Bank seine Führungsrolle streitig machen. Wäre der Bund nicht eingestiegen hätten sich diese Träume nicht nur in Luft aufgelöst, sondern die Bank in die Insolvenz gegangen. Ungeachtet der Garantien hat Berlin inzwischen rund 18,2 Milliarden Euro in die Commerzbank gepumpt. Angesichts des hohen Korrekturbedarfs auf toxische Assets ist nicht auszuschließen, dass der Staat auch hier weiteres Geld nachschießen muss, denn die Dresdner gilt seit langem als der größte Problemfall in der Bankenbranche.


Ein profitabler Riese aus zwei «Fusskranken»?
Neben der Tatsache, dass ohne Mithilfe des Bundes die Fusion zwischen den Instituten gescheitert wäre, wurde in Finanzkreisen auf die existenzbedrohende Situation beider Institute hingewiesen. Doch war das eigentlich der Fall und braucht Deutschland eine «Staatsbank in Gelb»? Sowohl die Commerzbank als auch die Dresdner hätten durchaus mit einem mehr fokussierteren Geschäftsmodell weiterhin am Markt agieren können, denn Anzeichen einer Insolvenz hat es (vor der Fusion) nicht gegeben. Statt dessen heißt es in den meisten Auguren, dass es zur Rettung der Dresdner keine Alternative gegeben habe und dass Deutschland neben der Deutschen Bank eine zweite Großbank benötige. Des Weiteren haben Bankvorstände wie Josef Ackermann den Politikern Untergangsszenarien vorgegaukelt, um den Staat stärker in Haftung zu nehmen. Zu guter letzt hat die Mär von der Kreditklemme Berlin dazu verleitet, einen Rettungsschirm aufzuspannen, um das angeschlagene deutsche Bankensystem am Leben zu erhalten. Denn mit großzügiger Unterstützung des Staates werden nunmehr zwei Banken zu einem wohlmöglich unbeweglichen Konzern zusammengeschnürt, wo keiner weiß, ob aus diesen «Fußkranken» ein profitables Bankhaus für den deutschen Finanzstandort entstehen kann. Statt dessen wird mit der Eliminierung der Dresdner der Wettbewerb verzerrt, mit unangenehmen Folgen für die Kundschaft und den Steuerzahler.


Eine «Bad Bank» oder viele «Bad Banks»?
Da sich die Lage der Banken und am Geldmarkt trotz der staatlichen Interventionen bislang nicht grundlegend gebessert hat, spricht vieles dafür, dass es den Banken erlaubt wird, toxische Wertpapiere in «Bad Banks» auszulagern. Statt einer übergeordneten «Bad Bank» plädieren Experten (und offensichtlich auch die Akteure in Berlin) für individuelle Lösungen bzw. «Bad Banks». Hierbei bliebe die Verantwortung (und die Verluste aus Auslagerung) bei den einzelnen Instituten. Unklar ist jedoch, welchen Teil des Risikos die Banken tragen werden, wie viel Eigenkapital für die Papiere hinterlegt werden muss und welche Assets zu welchem Preis ausgelagert werden dürfen.


Die neue Rolle des Staates
Derweil werden Investoren mit Spannung verfolgen, wie der Bund mit seiner neuen Macht umgeht, wie sich der Staatsinterventionismus auf den gesamten deutschen Bankensektor auswirken und wie die künftige Regulierung, wenn sie dann überhaupt kommt, vonstatten gehen wird. Abzuwarten bleibt ferner, ob der Bund aus der Krise die notwendigen Konsequenzen zieht und Entscheidungen vorbereitet, wie der Finanzsektor verkleinert und effizienter reguliert werden kann, damit Pleitebanken wie HRE frühzeitig vom Markt verschwinden und nicht endlos auf dem Rücken der Steuerzahler gestützt werden. Auch mit Blick auf die Nachbarländer drängt sich der Eindruck auf, dass seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers weltweit keine Bank mehr in die Insolvenz fallen darf, weil dies die Finanzmärkte weiter erschüttern würde. Wenn das jedoch der Fall ist, dann können Bankmanager auch künftig weiterhin ein großes Rad drehen, in der Gewissheit, dass der Staat schon für das Missmanagement der Banker gerade stehen wird. Höhere Eigenkapitalquoten, eine stärkere Haftung und eine Aufsicht, die den gestiegenen Anforderungen komplexer werdender Finanzmärkte gewachsen ist, sind somit unabdingbar, um weitere Krisen im Finanzsektor zu vermeiden.





Der Autor:
Karl-Heinz Goedeckemeyer, Unabhängiger Finanzanalyst & Wirtschaftspublizist in Frankfurt

Seit 01/08: Independent Analyst & Wirtschaftspublizist
– Analyse internationaler Finanz- und Immobilienmärkte
– Fachbeiträge für Banken- und Immobilienmagazine



07/04 ? 12/07 SRC Research, Sell-Side Analyst Banken & Immobilien
– Unternehmensanalyse Banken, Private Equity-Gesellschaften und Immobilienunternehmen im deutschsprachigem Raum
– Analysen über Trends im Investment- und Retailbanking 
– Teilnahme an Seminaren/Informationsveranstaltungen zu Themen wie Rating/Basel II, Rechnungslegung nach IFRS & Private Equity,


Publizist & Rating Advisor
– Konzeption und Koordination eines Herausgeberbandes zum Themenkomplex Banken-Rating, Mitherausgeber Dr. Oliver Everling, Everling Advisory Services, Gabler Verlag 2004
– Projekt-Mitarbeit Everling Advisory Services



Sell-Side Analyst Finanzwerte
Hornblower Fischer, Wertpapierhandelsbank, Frankfurt

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