Zeitlich etwas verzögert schlägt die Krise auch in der Schweiz durch mit einer Zunahme der Firmeninsolvenzen von 16% in 2009 und einem nochmaligen Anstieg um 4% in 2010. Weiterhin düstere Aussichten gelten insbesondere auch für alle wichtigen Handelspartner der Schweiz. Diese Prognosen veröffentlichte der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes aus seinen neusten Insolvenzanalysen.
Krise mit Verzögerung in der Schweiz angekommen
Die Zahl der Konkurse verlief in der Schweiz bis Herbst 2008 rückläufig. Dieser erfreuliche Trend wurde im November gebrochen: Seither wird ein andauernder Anstieg der Firmeninsolvenzen beobachtet, der 2009 plus 16% (= 4’900 Betriebe) betragen dürfte. Im Q1 2009 verzeichnete der Dienstleistungssektor im Vorjahresvergleich den stärksten Zuwachs an Konkursen – konkret wird die Statistik von den Branchen Treuhand, Werbung und Reinigungsgewerbe angeführt. Euler Hermes geht davon aus, dass die Krise für die Schweiz während der kommenden 12 Monate noch wesentlich heftiger als bisher spürbar wird und 2010 voraussichtlich über 5’000 Betriebe Insolvenz anmelden werden. Insbesondere gefährdet sind substanzschwache Betriebe mit krisenanfälliger Marktpositionierung.
Alle wichtigen Handelspartner der Schweiz getroffen
Für die Schweiz als Exportland stehen die Entwicklungen der wichtigsten Handelspartner Deutschland, USA, Italien, Frankreich, Grossbritannien und Spanien im Fokus. 2007 lieferten die Schweizer Firmen mehr als die Hälfte aller Exporte in diese Länder. «Alle unsere wichtigsten Handelspartner befinden sich derzeit in Schieflage, entsprechend leidet der Export. Ein Ausweichen auf andere Märkte, z.B. die BRIC-Staaten, ist kurz- und mittelfristig nicht möglich. Einerseits weil auch diese vier Staaten wirtschaftliche Abstriche hinnehmen mussten. Vor allem die Volkswirtschaften Russland und Brasilien litten stark unter den Verwerfungen an den Rohstoff- und Finanzmärkten. Andererseits lassen sich Geschäftsbeziehungen kurzfristig nicht einfach umpolen», kommentiert Christian Pletscher, Risk Director Euler Hermes Schweiz die aktuellen Einschätzungen und ergänzt: «Aufgrund unserer Prognosen zu den Firmeninsolvenzen gehen wir davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft dieses Jahr die Talsohle erreicht. Dieses Tal wird jedoch erst nach einem weiteren mageren Jahr durchschritten sein. Eine weltweite Abnahme der Firmeninsolvenzen sehen wir erst wieder in 2011. Bis dahin werden wir wohl noch einige Überraschungen erleben.»
Für die wichtigsten Handelspartner der Schweiz liefert Euler Hermes vertiefte Analysen:
Deutscher Detailhandel am Abgrund
Für Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner der Schweiz, prognostiziert Euler Hermes infolge des massiven wirtschaftlichen Abschwungs auch 2009 einen deutlichen Anstieg der Firmeninsolvenzen um mindestens 20% auf 35’000 Unternehmen. 2010 wird sogar nochmals ein zusätzlicher Anstieg von 11% erwartet, was knapp 39’000 Betrieben entspricht. Sofern die staatlichen Massnahmen nicht im erwünschten Masse greifen, dürfte die Insolvenzentwicklung noch stärker durchschlagen. Am härtesten trifft es den Detail- und Versandhandel, Finanz- und Dienstleistungsbetriebe sowie Post- und Zustellbetriebe. Nur eine kurze Verschnaufpause ist Produktionsbetrieben, Baugewerbe und Immobiliengesellschaften gegönnt.
Rund 63’000 Firmenkonkurse in den USA
Die USA befinden sich seit Q4 2008 (trotz BIP-Wachstum von 1.1% in der ganzjährigen Betrachtung) in einer massiven Rezession – für 2009 wird eine Kontraktion des BIP um 3% erwartet – die sich frühestens Ende 2009 abschwächen dürfte. Entsprechend steigen die Firmeninsolvenzen massiv an (2007: +44%, 2008: +54%) und dürften 2009 mit einem erneuten Anstieg um 45% zu ca. 63’000 Konkursen führen. Mit den Banken (25 Pleiten in 2008, bereits 30 in 2009) leiden insbesondere auch die Immobilien- und Baufirmen. Der Einbruch des Privatkonsums (2007 gingen über eine Million Privatpersonen Konkurs) wirkt sich insbesondere auf die Grossverteiler aus.
Italien zum vierten Mal innert 10 Jahren in der Rezession
Italien kämpft an den verschiedensten Fronten: Schwindende Exporte, Einbruch der Nachfrage auf den einheimischen Märkten (insbesondere Privatkonsum) und ein Rückgang der Investitionen schwächen die Wirtschaft. Die Folgen davon sind u.a. Zahlungsverzögerungen, welche insbesondere Bau und Industrie betreffen. Die Insolvenzen stiegen 2008 (+45%) rapide an und eine weitere heftige Zunahme um 31% wird für 2009 erwartet. Besonders betroffen sind Retailer, Industrie und Bau. Mit einer leichten Entspannung rechnen die Experten von Euler Hermes frühestens 2010.
In Frankreich leiden Bau, Handel, Dienstleistung und Gastronomie
Frankreich befindet sich seit dem 4. Quartal 2008 in einer technischen Rezession. Die Firmeninsolvenzen verzeichneten 2008 mit +15% die grösste Zunahme seit 1991. Betroffen sind alle Branchen und Regionen, vor allem die Sektoren Bau, Handel, Dienstleistung und Gastronomie/Hotellerie. Die für Frankreich bedeutende Automobilindustrie leidet ebenfalls stark. Als Folge davon spüren deren Zulieferer, die Metall- und Kunststoffproduzenten, besonders heftige Auswirkungen. 2009 steigt die Zahl der Firmeninsolvenzen, bedingt durch das Schrumpfen der Wirtschaft (BIP -2% p.a.), nochmals markant an um geschätzte 25%.
Bedenkliche Lage in Grossbritannien
Die Finanz- und Immobilienmärkte sind für Grossbritanniens Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Infolge Kollabierung dieser beiden wichtigen Märkte in 2008 leiden auch die branchennahen Unternehmen nach wie vor heftig. Im zweiten Halbjahr 2008 erreichten die Insolvenzen den höchsten Stand seit über 10 Jahren. Der Anstieg betrug rekordverdächtige 54%. Der Dienstleistungs- und der Bausektor machten zusammen rund 40% aller Insolvenzen in 2008 aus. Ebenfalls stark betroffen waren Grosshändler und Retailer sowie die Logistiker. Grossbritanniens wirtschaftliche Aussichten sind bedenklich: Für 2009 und 2010 erwarten die Euler Hermes-Experten jährlich über 45’000 Insolvenzen, was für 2009 einen weiteren Anstieg um 56% bedeutet.
Spanien mit explodierenden Insolvenzzahlen seit 2008
Eine Sonderstellung punkto Firmeninsolvenzen nimmt seit 2008 Spanien ein: Dessen Baubranche kam durch das Platzen der Immobilienblase fast völlig zum Erliegen. Seither herrscht Rezession – zu Beginn mit moderatem Ausmass (BIP in 2008 -1.2%) und gemäss den jüngsten Daten mit heftiger Abwärtstendenz (-7.1% im Q1 2009). Nebst den Immobilien- und Finanzmärkten kollabierte bereits 2008 die Nachfrage im Binnenmarkt. Alle Branchen wurden von der Abwärtsbewegung erfasst mit schier unglaublichen Auswirkungen punkto Firmeninsolvenzen: Bereits 2008 resultierte eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr von 187%, für 2009 beträgt die Prognose gar weitere 58%. Erst 2010 rechnet Euler Hermes mit einer leicht rückläufigen Entwicklung.
Nachfrageboom bei Kreditversicherungen
Die weltweite Pleitewelle führt bei den Unternehmen in der Schweiz zu einem stark erhöhten Sicherheitsbedürfnis. Immer mehr Firmen wollen sich gegen drohende Debitorenverluste, als Folge der Firmeninsolvenzen, absichern. «Für Kreditversicherungen hat sich die Nachfrage in den letzten Monaten mehr als verdoppelt», berichtet Euler Hermes-Experte Christian Pletscher. (euler hermes/mc/ps)