Fokus Öl: Veraltete Preiskontrollen lösen Benzinkrise in China aus

Die Rekordpreise für Rohöl auf dem Weltmarkt lassen in China das Benzin knapp werden. Lange Schlangen bildeten sich vor Tankstellen im südchinesischen Perflussdelta, dem Motor des Wirtschaftswunderlandes. Stundenlang mussten Auto- und Motorradfahrer warten, um jeweils nur für 100 Yuan, umgerechnet 10 Euro, tanken zu dürfen. Die Benzinkrise breitet sich von der Provinz Guangdong weiter im Land aus. Die Regierung musste am Montag das Volk beruhigen. Die Möglichkeit einer Ölkrise im Land sei auszuschliessen und die Benzinversorgung bleibe gesichert. Doch Engpässe wurden auch aus der Provinz Yunnan und weiter nördlich in Schanghai und den grossen Provinzen Shandong und Heilongjiang unweit von Russland gemeldet.


Das Problem ist hausgemacht
Das starke Wirtschaftswachstum von neun Prozent steigert den Energiedurst des weltweit zweitgrössten Ölverbrauchers, der sich Ressourcen weltweit sichern muss, wie am Montag die Übernahme des Ölunternehmens PetroKazakhstan für mehr als vier Milliarden US-Dollar zeigte. Die starke Nachfrage Chinas treibt weltweit die Ölpreise an. Doch daheim erlauben staatlich festgelegte Benzinpreise nicht, die höheren Kosten an den Zapfsäulen an die Kunden weiterzugeben. Wenn Tanks tellen nicht zu Marktpreisen kaufen und verkaufen, muss Chinas Ölindustrie den Verlust auffangen. So produzieren Raffinerien lieber nicht mehr, füllen die Lager oder suchen sich Abnehmer im Ausland, wo das Preisniveau höher ist.


Inflation unter Kontrolle?
Als dann noch zwei Taifune die Transportwege in Südchina für einige Tage lahmlegten, blieben die Tanks plötzlich leer. Nach Krisengesprächen mit den zwei grössten staatlichen Ölkonzernen Sinopec und CNPC wurden zusätzliche Lieferungen vereinbart, was die Lage im Süden entschärfte, aber das Problem nicht beseitigt. «Solange der zugrunde liegende Preismechanismus verzerrt bleibt, werden ähnliche Probleme in anderen Regionen auftauchen», schrieb die Zeitung «China Daily». «Es ist Zeit für eine Benzinpreisreform.» Denn bisher legt die mächtige Reform- und Entwicklungskommission einmal im Monat den Benzinpreis fest. Das soll die Inflation unter Kontrolle halten, die Verbraucher schützen und soziale Stabilität wahren.


Benzin für 43 Cents
Überhaupt war Treibstoff in China immer billig. Trotz drei Preissteigerungen dieses Jahr kostet Normalbenzin heute pro Liter immer noch nur 4,26 Yuan, umgerechnet 43 Cent. Die drei staatlichen Ölkonzerne wollen aber die Preispolitik der Behörden nicht mehr subventionieren, auch wenn sie mit ihrem Monopol bislang satte Gewinne eingefahren haben – 2004 immerhin 150 Milliarden Yuan (15 Mrd Euro). Im Vergleich dazu sind die jetzigen Verluste geri ng, doch wächst der Druck, Preise flexibler bestimmen zu können.


Verbrauch wird reflektiert
Eine gute Seite haben die Engpässe: Der Verbrauch eines Autos, der bisher keine wesentliche Rolle spielte, rückt stärker ins Bewusstsein potenzieller Käufer. So verbrauchen Kraftwagen in China 25 Prozent mehr als in Europa und noch zehn Prozent mehr als in den USA. Längst gab es Forderungen, nicht nur Benzin sondern auch Autos mit hohem Verbrauch stärker zu besteuern. So oder so werden jetzt auch die Chinesen für Benzin tiefer in die Tasche greifen müssen. Wie die «China Business Post» erfahren haben will, wird die Regierung dem Wunsch der Ölkonzerne folgen und sich künftig stärker am Markt orientieren: In «Echtzeit» könnten die Preise statt einmal im Monat «alle zwei Wochen oder in kürzer Zeit» festgelegt werden. (awp/mc/th)

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