Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Mit den neuen Kunden Coutts Bank von Ernst (Schweiz, Singapur, Hongkong und Isle of Man) und der LGT (Lichtenstein, Schweiz, Deutschland, Singapur) haben Sie erste Schritte der Internationalisierung gemacht. Wie sehen Ihre Erfahrungen aus, welche nächsten Schritte sind geplant, welche Auswirkungen hat das auf Ihre Implementationspartner und die Geschwindigkeit des Wachstums von Avaloq.
Francisco Fernandez: Vor einem Markteintritt prüfen wir die Standortbedingungen sehr genau. Das heisst, wir analysieren den Markt im Hinblick auf das jeweilige Anforderungsprofil und unsere eigenen Kapazitäten. Hierzu bedienen wir uns auch speziell auf diese Aufgaben ausgerichteten Instituten. Wir haben zum Beispiel durch die Gartner Group eine qualitative Marktanalyse erstellen lassen, welche uns bei den Internationalisierungsentscheidungen behilflich war.
Partner brauchen wir auf allen Ebenen der Implementierung weil bei unseren Projekten unterschiedliche Fähigkeiten gefragt sind. Das gilt umso mehr für die Internationalisierung. Hier kommt hinzu, dass wir auf Implementationspartner vor Ort bauen können, welche mit dem jeweiligem Umfeld, der Arbeitsweise und den Gegebenheiten vertraut sind. Ziel ist es also, internationale Implementationspartner vor Ort zu finden.
«Eine Vertriebspartnerschaft kommt für uns allein schon deshalb nicht in Frage, weil es ca. 3-4 Jahre dauern würde, bis diese Partner wegen der Komplexität des Systems das notwendige Know-how aufgebaut hätten.» Francisco Fernandez, CEO Avaloq
SAGE mit seiner Bankenlösung Prospero hat sich den indischen IT-Riesen HCL als Partner geholt. Nicht für die Entwicklung der Software, wie man erwarten könnte, sondern für den internationalen Vertrieb. Welche Auswirkungen wird Sie diese neue Konstellation für die Anbieter von Bankenlösungen in der Schweiz haben und wie beurteilen Sie diesen Weg der Internationalisierung für Ihr Unternehmen?
Eine Vertriebspartnerschaft kommt für uns allein schon deshalb nicht in Frage, weil es ca. 3-4 Jahre dauern würde, bis diese Partner wegen der Komplexität des Systems das notwendige Know-how aufgebaut hätten. Vertriebspartnerschaften machen Sinn bei einfachen, wenig erklärungsbedürftigen Produkten. Bei unserer Plattform handelt es sich zwar um ein System, welches Banken hilft, die Komplexität zu reduzieren. Das heisst aber nicht, dass es einfach zu erklären und zu verkaufen ist. Die Modularität und die Vielfalt unserer Plattform erfordert ein spezielles Know-how, welches nur im eigenen Unternehmen erreicht werden kann.
CSC, die letztes Jahr noch voreilig den Erfolg bei der Raiffeisenbank vermeldete, ist aus dem Projekt der «Swiss Banking Plattform» ausgestiegen. SAP setzt jetzt auf Netweaver. Stand eine Partnerschaft mit SAP bei Ihnen nie zur Diskussion?
Eine Partnerschaft aus einer Position der Stärke heraus einzugehen, stand und steht für Avaloq nicht zur Debatte. Zudem stehen beide Systeme eher «nebeneinander» denn komplementär zueinander. Sollte ein Kunde dies explizit wünschen, könnte man dies aber umsetzen. Beide Systeme würden dann aber in einer «Plattform-Konkurrenz» zueinander stehen.
In den letzten eineinhalb Jahren haben Sie die Geschäftsleitung mit Claudia Bohnet (seit September 2005, ex Novartis) und Peter Schöpfer (seit Januar 2006, ex T-Systems) und den VR mit Dominik Köchlin (Juni 2006) ergänzt, und auch die Management Ebene weist einige Neuzugänge auf (Jörg Lederle, Marketing & Communication seit Oktober 2006 ). Raymond Hofmann (Ex McKinsey und Accenture) und Peter Sany (ex Novartis) haben das Unternehmen nach kurzen Einsätzen wieder verlassen. Setzen Sie bewusst auf Führungsleute von ausserhalb, oder konnten Sie die Führungskräfte nicht mit internen Talenten besetzen?
Die Fluktuation bei der Avaloq liegt nach unserem Ermessen gänzlich im natürlichen Rahmen und unterscheidet sich nicht von der Situation bei anderen Unternehmen. Weshalb Führungskräfte zum Teil von ausserhalb des Unternehmens kommen, hängt vor allem mit den spezifischen Job-Profilen zusammen. Wir unterscheiden bei uns klar zwischen Fach- und Führungskarrieren. Da es für die Entwicklung unseres Banking-Systems top ausgebildete Programmierer braucht, welche zudem innerhalb der Avaloq eine gewisse Rüstzeit benötigen, sind wir sehr froh, dass wir unseren Mitarbeitenden eine attraktive Fachkarriere bieten können. Der Grund für den merklichen Anteil externer Führungskräfte hängt vielmehr mit unserem rasanten Wachstum zusammen: Wenn man durchschnittlich um mehr als 50 Prozent pro Jahr wächst, ist es nahezu unmöglich, sämtliche Führungskräfte in entsprechendem Tempo selbst aufzubauen. Wo dies jedoch geht, und zum Glück haben wir auch hierfür einige Beispiele, nehmen wir diese Chance wahr.
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Wie weit können Sei Ihre Internationalisierungsstrategie mit organischem Wachstum umsetzen, ab wann werden Sie Akquisitionen, einen Börsengang oder einen Verkauf an einen grösseren Partner ins Auge fassen?
Hinsichtlich unserer Internationalisierung ist die Finanzierung sichergestellt. Wir wachsen nur in dem Masse, in dem wir uns die notwendigen Schritte auch leisten können. Dies ist ein Grundprinzip unserer Geschäftsphilosophie und ermöglicht uns die Unabhängigkeit zu wahren, die letztlich auch für den Erfolg des Unternehmens ausschlaggebend ist.
«Kleinere, verdaubare Akquisitionen sind geplant.» Francisco Fernandez, CEO Avaloq
Für eine mögliche Akquisition, in welchem geschäftlichen und geografischen Bereich würden Sie eine Übernahme erwägen und welche Organisationsgrösse glauben Sie, könnte Avaloq ohne allzu grosse Probleme integrieren?
Kleinere, verdaubare Akquisitionen sind geplant. Die Frage ist, wie die Akquisition bewerkstelligt werden kann. Die Grösse spielt dabei eine kleinere Rolle als der kulturelle «fit». Akquisitionen und Integrationen scheitern immer wieder an der Unvereinbarkeit von Kulturen und Prozessen. Wenn wir uns auf dieser Ebene sicher sind, spricht nichts gegen eine selektive Akquisition.
Welches Wachstum erwarten Sie für das kommende Jahr?
Wir haben bereits im vergangenen Jahr 100 neue Mitarbeitende eingestellt und nächstes Jahr werden es noch einmal deutlich mehr. Dieser Schritt ist notwendig, um einerseits unser voraussichtliches Wachstum von mindestens 30 Prozent personell zu sichern und andererseits den veränderten Bedürfnissen der Finanzbranche im Allgemeinen und unseren bestehenden und potenziellen Kunden im speziellen Rechnung zu tragen.
Letztes Jahr haben Sie im Moneycab Interview einen Innovationsschub konstatiert. Ist dieser immer noch im Gang und wie lange glauben Sie, wird er anhalten?
Dieser Schub ist stärker denn je: Man vergegenwärtige sich die momentane Geschwindigkeit, mit welcher die Finanzbranche sich entwickelt. Dieser Schub ist in erster Linie von einer ungeahnten Wirtschaftskraft getrieben, welche quasi ihr Ventil in den Finanzmärkten findet. Dazu kommt die Geschwindigkeit, mit welcher sich der gesamte IT-Bereich weiterentwickelt. Für uns, die wir uns praktisch im «Auge dieses Entwicklungstornados» befinden, besteht die Herausforderung darin, mit diesen sich potenzierenden Geschwindigkeiten Schritt zu halten. Unser bisheriger Leistungsausweis lässt mich daran allerdings nicht zweifeln.
Auf der Organisationsseite streben Sie zusammen mit einigen Ihrer Kunden eine zügige Internationalisierung an, auf der Produkteseite haben Sie kleinere Schweizer Banken als Kunden. Ergibt sich hier eine Firma mit zwei Geschwindigkeiten und besteht das Risiko, dass die Produkte-Entwicklung mit der Organisationsentwicklung nicht mehr Schritt halten kann?
Das Gegenteil ist der Fall: Da unsere Kunden zunehmend international aufgestellt sind, ergeben sich für uns hierfür wesentliche Impulse für die Produktentwicklung. Dieses Prinzip kennzeichnet übrigens unseren «Community of Excellence» – Gedanken, bei dem unsere Kunden, Partner und natürlich wir selbst von der gegenseitigen Kooperation profitieren. Die Internationalisierung unserer Produkt-Features ist also das Resultat oder der Beweis für unsere Kundenorientierung.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
Für unser Unternehmen wünsche ich mir, dass die Internationalisierung ebenso erfolgreich verläuft wie unser Geschäft in der Schweiz. Für meine Mitarbeitenden, dass sie gesund bleiben und weiterhin Freude und Erfüllung in ihrer Arbeit finden. Ich werde von meiner Seite alles dafür tun.
Francisco Fernandez
Geboren 1962
dipl. Informatik Ing. ETH/BWI
Seit Juli 2000: CEO Avaloq Evolution AG
Seit 1991: Mitglied der Geschäftsleitung, Architekt des Avaloq Banking System, Projektleitung in zahlreichen Einführungsprojekten von Avaloq
Seit 1989: Software Engineer bei BZ Informatik
Hobbies (neben Geschäft und Familie): Piano-Spielen (Klassik und Jazz), Reiten.
«Ich möchte eine Unternehmenskultur pflegen, in der jeder einzelne Mitarbeiter Freude daran findet, für sich und für unseren Kunden den maximalen Mehrwert zu schaffen. Denn der Kunde kauft nur Mehrwert.»