Frauen, zwei Lebens- und Schicksalsgeschichten im Museum im Lagerhaus

Adelheid Duvanel (1936-1996), Ohne Titel, 1987, Filzstift auf Papier, 21x29,5 cm (© Museum im Lagerhaus)

St. Gallen – In Zeiten, wo Frauenstreik und Gender-Gap täglich in den Medien auftauchen, möchte auch das Museum im Lagerhaus einen Beitrag dazu leisten und aufzeigen, wie geschlechterstereotype gesellschaftliche und persönliche Erwartungs­haltun­gen Künstlerinnen nicht nur in ihrem Leben bedrängen, sondern auch in ihrem künstlerischen Schaffen beschneiden.

Vor nicht einmal einem Jahr, nämlich im Juni 2019 wurde durch SWI swissinfo.ch folgende Information kommuniziert: «In den meistbesuchten Kunstmuseen der Schweiz stam­men nur gerade 13,6 % der Exponate von Künstlerinnen […].» Weiter würde deutlich « […] dass in Sachen Gleichstellung Handlungsbedarf in der schweizerischen Ausstellungsszene herrscht.» Das Museum im Lagerhaus möchte anregen, Linda Naeff und Maria Rolly als Wegweiserinnen zu erleben, die den Weg der Selbstbestimmung und Selbstbehauptung gegangen sind: als Frauen allgemein und als Künstlerinnen im Besonderen.

Zwei Frauen, zwei Lebens- und Schicksalsgeschichten
Linda Naeff (1926-2014) und Maria Rolly (*1925) trennt nur ein Alters­jahr. Beide wurden in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geboren. Beide erlebten traumatische Ereignisse von Kindheit an, gefolgt von quasi «weiblichen» Schicksalsschlägen, wie dem Durchleiden von Vergewaltigung oder Fehlgeburten. Beide Künstlerinnen wurden auch durch ihre Familien-Bindungen geprägt: Maria Rolly als «Mutterlose», Linda Naeff als die «Zweitgeborene». So wurde letztere als Kind meist genannt. Später signierte Linda Naeff ihre Werke auch dementsprechend mit „LM II“ (Linda, Matricule II.). Beide erkämpften sich dennoch ihren Platz in der Welt. Und beide begannen im fortgeschrittenen Lebensalter und als Autodidaktinnen die Schläge, die ihnen das Leben bereitet hatte, künstlerisch zu formulieren, sichtbar zu machen und aufzuarbeiten.

Im Frühjahr 2019 gelangte eine beachtliche Anzahl an Werken beider Künstlerinnen als Schenkung in die Sammlung des Museum im Lagerhaus. Dieser Umstand gab den Impuls, beide Schöpferinnen und ihre Werke in einer Doppel-Ausstellung «Linda Naeff, Matricule II.» und «ÜberMütter» zu würdigen.

Wertschätzung des Alters
Die Künstlerinnen dieser Doppelausstellung wurden erst im fortge­schrittenen Alter künstlerisch tätig: Maria Rolly mit 40 Jahren, Linda Naeff sogar erst mit 61 Jahren. Maria Rolly befindet sich heute mit 94 Jahren in einem Alter, in dem die meisten Menschen in der Regel «unsichtbar» sind oder – im schlimmsten Fall – als Problem der Versorgung und Pflege wahr­genom­men werden. Explizit Kreativität wird im Alter nicht erwartet. Daraus resultiert, dass diese über­sehen und selten ernst genommen wird als aussagekräftige aktuelle künstler­ische Äusserung. «Alte» Künstlerinnen gelten nicht mehr als «zeitgenössisch».

Sind sie nicht schon in jüngeren Jahren berühmt geworden, haben alte Künstlerinnen wenige Chancen in einer Welt, in der Jugend an sich schon als Gütesiegel gilt. Gerade im Kunstbetrieb des 21. Jahrhunderts ist die «Unsichtbarkeit des Alters» allgegenwärtig. Das Museum im Lagerhaus steuert mit dieser Doppel-Ausstellung entschieden dagegen und zeigt mit den Werken dieser Künstlerinnen, welche Kraft und Inspiration Kunst im späten Lebensabschnitt aufweisen kann. (Museum im Lagerhaus/mc/kbo)

DOPPELAUSSTELLUNG: Über Mütter und Linda Naeff, Matricule II.
24. März 2020 – 5. Juli 2020
Vernissage: Montag, 23. März 2020, 18.30 Uhr

Museum im Lagerhaus

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