Beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der als Krisenfeuerwehr stark an Bedeutung gewonnen hat, braut sich unterdessen ein neuer Streit zwischen reichen und aufstrebenden Staaten über die künftigen Machtverhältnisse zusammen. Nach den Worten von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn könnte die Krise allerdings in spätestens einem Jahr überwunden sein. Wenn die Arbeitslosigkeit zurückgehe, könne es sein, dass die Misere «in zehn bis zwölf Monaten hinter uns liegt», sagte der IWF-Direktor am Sonntag vor der gemeinsamen Jahrestagung von Weltwährungsfonds und Weltbank am Bosporus. Derzeit gehe es allerdings vor allem darum, dass die begonnene Erholung auch von Dauer ist.
Anzeichen für globale Erholung
Die Wachstumsaussichten seien zunächst noch schwach, die Lage auf dem Arbeitsmarkt zeige vorerst keine Besserung, hiess es am Samstag im Kommuniqué der G7, der Deutschland, die USA, Grossbritannien, Japan, Frankreich, Kanada und Italien angehören. Allerdings gebe es seit einigen Monaten Anzeichen für eine globale Gesundung der Wirtschaft. «Die Arbeitslosigkeit ist inakzeptabel hoch, der Finanzsektor ist noch beschädigt», sagte US-Finanzminister Timothy Geithner. Noch seien die Länder nicht an dem Punkt, an dem es ratsam sei, die staatlichen Hilfsmassnahmen zurückzufahren.
Europa droht Mini-Wachstum
Europa droht über Jahre Miniwachstum und eine Konjunkturerholung im Schneckentempo. Nach einem Einbruch von minus vier Prozent in diesem Jahr in den europäischen Industriestaaten ist laut IWF für 2010 lediglich mit einem Wachstum von 0,5 Prozent zu rechnen. Auch jenseits des kurzfristigen Horizonts werde die Krise das Wachstum in Europa negativ beeinflussen, hiess es. Die europäischen Schwellenländer könnten 2010 ein Plus von 1,7 Prozent erwarten. Der Fonds schätzt, dass in der Eurozone die Arbeitslosenquote bis 2011 auf beinahe zwölf Prozent klettern werde. Für Deutschland werden nächstes Jahr knapp elf Prozent erwartet.
Gesunkene Nachfrage der US-Verbraucher
Die deutsche Wirtschaft komme inzwischen zwar zunehmend in Fahrt, sagte Bundesbank-Präsident Axel Weber. Deutschland werde sich aber auf niedrigere Zuwachsraten einstellen müssen. Das Wachstumspotenzial werde mittel- und langfristig eher bei jährlich 1,0 Prozent liegen statt wie bisher bei 1,5 Prozent. Dies habe erhebliche Auswirkungen für Reformen. Ohne drastische Kürzungen der Ausgaben gebe es nur wenig Spielraum für Steuersenkungen. Als Grund für die nur schleppende Erholung in Europa sieht der IWF die deutlich gesunkene Nachfrage amerikanischer Verbraucher, die Asien trotz gestiegener Importe nicht wettmachen könne. «Europa kann sich nicht alleine auf Exporte verlassen, um die Gesundung der Wirtschaft voranzutreiben», heisst es in dem IWF-Bericht.
G7 bleibt mächtigerr als G20
Die einst mächtige Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G7) wird nicht verschwinden. Die G7-Treffen werden nach Aussage von Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen nicht abgeschafft. Die G7-Minister hätten sich verständigt, künftig wieder informeller zusammenarbeiten zu wollen. Auf dem Weltfinanzgipfel in Pittsburgh hatten die 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte beschlossen, dass die G20 die G7/G8 als bedeutendstes Forum für globale Wirtschaftspolitik ablösen soll.
Deutschland: Einige IWF-Pläne gehen zu weit
Deutschland pocht darauf, dass sich auch der IWF auf einen Rückzug aus seinen gigantischen Finanz-Rettungspaketen und Kreditprogrammen vorbereitet. Auch der IWF müsse Teil einer Ausstiegsstrategie sein. Bei der Reform der mächtigen Finanzinstitution tritt Berlin teils auf die Bremse und warnte vor einer zu starken Ausweitung der IWF- Aufgaben. Mit Blick auf die angepeilte Neuordnung der Stimmengewichte beim IWF zugunsten aufstrebender Schwellenländer mahnten Asmussen und Weber, es müssten weiter streng ökonomische Kriterien gelten. «Das relative weltwirtschaftliche Gewicht eines Landes ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt für die Quote», sagte Asmussen.
Ärmere Länder mit Stimmverteilung unzufrieden
Die 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte hatten bei ihrem Gipfel in Pittsburgh vorigen Monat eine Anhebung der Stimmrechte von Schwellen- und Entwicklungsländern um mindestens fünf Prozentpunkte beim IWF und mindestens drei Punkte bei der Weltbank vereinbart. Dadurch würde sich das Gewicht von reichen und ärmeren Staaten bei beiden Organisationen in etwa ausgleichen. Allerdings müssten vor allem europäische Länder auf Einfluss verzichten. Die Schwellen- und Entwicklungsländer (G24) sind mit der geplanten Ausweitung ihres Mitspracherechts unzufrieden. Sie verlangen beim IWF eine Anhebung um sieben Prozentpunkte, bei der Weltbank um sechs. (awp/mc/ps/03)