von Patrick Gunti
Frau Hildesheimer, verrät der Name bereits alles – oder welche Ziele verfolgt die Schweizerische Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmensführung?
In der Tat ist die ÖBU Ende der Achzigerjahre des letzten Jahrhunderts mit dem Fokus auf die Betriebsökologie gestartet. In den vergangenen fast 20 Jahren wurde das Tätigkeitsfeld laufend weiter definiert: Als erstes wurde die Produkteökologie einbezogen, dann die soziale Nachhaltigkeit. Ein wichtiges Standbein ist auch die Mitgestaltung von Rahmenbedingungen, die das nachhaltige Wirtschaften fördern. Nachhaltigkeit ist ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor, gerade in Zeiten des Strukturwandels – das wollen wir allen UnternehmerInnen und der Öffentlichkeit zeigen.
Wie setzt sie diese Ziele in die Tat um?
Wir informieren, motivieren und befähigen die UnternehmerInnen, die Chancen zu erkennen, die in der Nachhaltigkeit liegen. Auf unseren Plattformen lernen und lehren die Leute aus der Praxis gegenseitig voneinander. Wir publizieren ihre Erfolgsgeschichten und machen mit dem ewig gleichen Leitmotiv Öffentlichkeitsarbeit: «Nachhaltigkeit rentiert».
Wer sind die Mitglieder-Firmen der ÖBU?
In der ÖBU sind 300 Schweizer Unternehmen aller Grössen und aus allen Branchen versammelt. Darunter finden sich Global Player wie ABB oder Sulzer, Banken und Versicherungen inklusive CS, UBS oder Sarasin, aber auch sehr engagierte Familienunternehmen, traditionelle wie Baer (Weichkäse) und ganz moderne wie Freitag (Taschen). Sie alle leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterschiedliche Beiträge an die Nachhaltigkeit.
Sind es auch die Mitgliedsfirmen, die die Vereinigung finanzieren?
Teilweise. Neben den Mitgliederbeiträgen verdienen wir etwas über die Hälfte unseres Budgets mit Projekten, Veranstaltungen, Publikationen. Das macht uns das Leben nicht immer leicht, bringt aber zwei grosse Vorteile mit sich: Unsere Produkte müssen so attraktiv sein, dass unsere KundInnen bereit sind, dafür zu bezahlen. Wenn wir mit einem Angebot am Markt vorbei geplant haben, schlägt sich das unmittelbar in unserer Kasse nieder. Das zwingt uns, die sich wandelnden Bedürfnisse der Unternehmen ständig im Auge zu haben oder gar Fragen, von denen sie noch gar nicht wissen, dass sie diese haben, zu thematisieren.
Der zweite Vorteil: Im Gegensatz zu traditionellen Verbänden wissen wir aus eigener Erfahrung sehr gut, was Unternehmertum eigentlich bedeutet! Das erleichtert das gegenseitige Verständnis zwischen unseren Mitgliedern und uns.
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Welche Unternehmen können Mitglied der ÖBU werden?
Alle! Neben den Pionierfirmen, den Ökobilanzierern der ersten Stunde, den Anbietern von Umwelttechnologien oder fair und umweltgerecht produzierter Baumwolle sind auch ganz normale Firmen dabei: Das Ingenieurbüro, das seine Abläufe in Sachen Ökologie optimiert hat und sich bemüht, seinen KundInnen auch langfristig bessere Lösungen anzubieten. Banken, ebenfalls mit «sauberem» Betrieb und – leider oft auf sehr tiefem Niveau – wachsendem Anteil an nachhaltigen Produkten.
Es braucht ein grundsätzliches Bekenntnis zum nachhaltigen Wirtschaften. Dann sind auch andere Firmen willkommen: Wer bisher noch wenig in ökologische und soziale Massnahmen investiert hat, hat ein um so grösseres Potenzial, seine Position zu verbessern. Solchen «Bengeln» helfen wir gerne dabei, «Engel» zu werden.
Welche Möglichkeiten bieten sich diesen Unternehmen?
Wir vermitteln ihnen Know how und Know why. Wir bieten ein aktives Netzwerk und Diskussionsplattformen. Wir geben Ihnen die Möglichkeit, sich als nachhaltiges Unternehmen zu zeigen. Zum Beispiel an unseren ParlamentarierInnen-Treffen in Bern ist es für die FirmenvertreterInnen sehr interessant aufzutreten. Unter dem Titel «ökologisches Wirtschaften» präsentieren sie immer andere Facetten der ganz unterschiedlichen Nutzen ihres Engagements. Sie machen sich so einen Namen als clevere und verantwortungsbewusste UnternehmerInnen.
«Wer bisher noch wenig in ökologische und soziale Massnahmen investiert hat, hat ein um so grösseres Potenzial, seine Position zu verbessern.» (Gabi Hildesheimer, Geschäftsleiterin ÖBU)
Sie versuchen, Unternehmer vom Grundsatz zu überzeugen, dass sich Nachhaltigkeit rentiert – und zwar für die Gesellschaft, die Umwelt und das Unternehmen. Wo liegen die hauptsächlichen Vorteile für die Unternehmen?
Das ist eigentlich ganz einfach: Risiko minimieren und Chancen optimieren. Es ist zum Beispiel ziemlich schlecht, wenn sie Isolationsmaterial herstellen und sich keine Gedanken machen zum Thema Klimaerwärmung. Wenn Sie sich dagegen den Herausforderungen stellen, merken sie, dass einem allfälligen Geschäftsrückgang in unseren Breitengraden ein neuer Boom entgegensteht: Kältedämmung in südlichen Ländern. Gut isolierte Häuser werden weniger heiss. Expandieren Sie also lieber nach Italien als nach Holland.
Wie gross ist der Wille von Schweizer Unternehmen, die Wirtschaft nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit zu entwickeln?
Unter dem Dach der ÖBU gab es immer eine ähnliche Zahl von Vordenkerinnen und Pionieren, die ihre selbst gesetzten Ziele ohne äusseren Anstoss verfolgten. Heute erkennen wir eine wachsende Akzeptanz des nachhaltigen Wirtschaftens, durch die nicht mehr zu übersehenden Veränderungen in der Umwelt. Damit steigt die Bereitschaft, die eine oder andere Massnahme umzusetzen. Und oft kommt mit dem Essen dann er Appetit auf mehr.
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Seit der Begriff Klimawandel die Wirtschaft und die Finanzmärkte erreicht hat, ist Nachhaltigkeit im Umweltbereich zum Zauberwort geworden. Für wie nachhaltig schätzen sie diesen Trend zur Nachhaltigkeit ein?
Die übliche Halbwertszeit solcher Trends wäre normalerweise sehr kurz, ein von den Medien ausgelöster Hype folgt auf den nächsten. Im Falle des Klimawandels handelt es sich aber nicht um einen Hype, sondern um einen langfristigen Strukturwandel unserer Gesellschaft. Die Signale aus der Umwelt zeigen deutlich, dass unser Lebensstil langfristig für den Globus nicht erträglich ist. Dies haben Wirtschafts- und Finanzmärkte erkannt: Sie setzen zunehmend auf hoch effiziente Verfahren und Dienstleistungen. Sie sehen Geschäftschancen darin, unseren Way of Life mit viel geringerem Einsatz der Resourcen zu erhalten. Nur ein langfristiges Engagement ermöglicht einen solch tiefgreifenden Wandel.
Ein Beispiel aus der Praxis: Für eine nachhaltige Entwicklung muss es gelingen, die Umweltbelastung im Zeitrahmen von ein bis zwei Generationen zu halbieren. Die Weichkäserei Baer verfolgt dieses anspruchsvolle Reduktionsziel seit Jahren, um nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung zu sein.
Wie nehmen Sie die verstärkte Fokussierung auf das Thema in ihrer täglichen Arbeit wahr?
Eigentlich hat sich unsere Arbeit nicht verändert. Unsere Mitgliedunternehmen verfolgen ihre Ziele genauso konsequent wie zuvor. Seit bald zwanzig Jahren beschäftigt uns dieses Thema gemeinsam. Was sich allerdings verändert hat, ist das Interesse der Medien. Damit gewinnen unsere Erfolge mehr Aufmerksamkeit und werden von der Öffentlichkeit vermehrt wahrgenommen.
«…Massnahmen wie der Klimarappen sind zwar wirksam, aber sie setzen auf der Symptomebene an und bekämpfen nicht die Ursachen.» (Gabi Hildesheimer, Geschäftsleiterin ÖBU)
Sind die politischen Rahmenbedingungen ausreichend, um eine nachhaltige Entwicklung im Klimabereich zu sichern?
Leider nein! Erste bescheidene Schritte wurden mit der CO2-Abgabe auf Brennstoffen gemacht. Andere Massnahmen wie der Klimarappen sind zwar wirksam, aber sie setzen auf der Symptomebene an und bekämpfen nicht die Ursachen. Letztlich wird es nicht zu verhindern sein, dass wir unsere Emissionen absolut senken müssen. Die Wissenschaft schlägt vor, dass die Schweiz innert der nächsten zwölf Jahre dreissig Prozent weniger CO2 emittieren. Und bis 2050 dann mindestens minus 65 Prozent. Das sind gewaltig hochgesteckte Ziele, die erreicht werden müssen, wollen wir unseren Nachkommen ähnliche Lebensqualität ermöglichen, wie wir sie heute geniessen. Hohe Ziele erfordern starke Massnahmen. Je früher wir diese einsetzen, desto wirtschaftsverträglicher sind sie. Die nötigen Anpassungen können im Rahmen der normalen Investitionszyklen durchgeführt werden. Je später wir anfangen, desto schmerzhafter, teurer und wirtschaftsschädlicher wird die Kur.
Kann ÖBU via die Unternehmen auch Einfluss über den geografischen Wirtschaftsraum Schweiz hinaus Einfluss nehmen?
Im Jahr 2005 widmeten wir uns schwerpunktmässig dieser Thematik. Zu unserer Freude stellten wir fest, dass es Schweizer Unternehmen gibt, die sich zum Ziel gesetzt haben, die zum Teil sehr tiefen Standards in Sachen Umwelt und Sozialem positiv zu beeinflussen. Die Firma Geberit beispielsweise war in China massgeblich daran beteiligt, dass der Wasserverbrauch bei den Wasserspülungen gesenkt werden konnte. Beim riesigen Bauboom in China werden so immens grosse Wassermengen gespart.
Die Schweizer Wirtschaft könnte noch beträchtlich profitieren, wenn ihre erfolgreichen Produkte in Sachen Nachhaltigkeit auf dem Weltmarkt besser positioniert wären.
Frau Hildesheimer, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person
Die Naturwissenschafterin Gabi Hildesheimer leitet die ÖBU-Geschäftsstelle. Als Mitglied des OcCC beschäftigt sie sich seit längerem intensiv mit dem «Global Change» und den Auswirkungen auf die Wirtschaft. Sie setzt sich ein für den intelligenten Strukturwandel hin zu einer nachhaltigen Schweizer Wirtschaft.
Zur ÖBU
Rund 300 Schweizer Unternehmen unterschiedlichster Grösse und Ausrichtung haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam eine Aufgabe anzupacken: die Weiterentwicklung der Schweizer Wirtschaft nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit. Die Schweizerische Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmensführung ÖBU ist Think-Tank für Umwelt- und Management-Themen und Initiantin konkreter Projekte. Sie stellt Verbindungen her zwischen Unternehmen und Verwaltung, Politik, Umweltorganisationen, Fachverbänden, Medien und Öffentlichkeit. Die ÖBU realisiert unternehmens- und wirtschaftspolitische Projekte und fördert den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern. ÖBU-Unternehmen betrachten Ökologie und Nachhaltigkeit als Chefsache und sind deshalb auch mit ihren Führungskräften vertreten.