Gas strömt nicht in den Westen

Dagegen hiess es in Kiew, die von Russland vorgeschriebene Transitrichtung Rumänien sei technisch so nicht machbar. Hunderttausende Menschen in Südosteuropa, die durch den Gas-Notstand in kalten Wohnungen frieren, warteten weiter vergeblich auf ein Ende der seit Mittwoch der Vorwoche andauernden Liefersperre.


Barroso enttäuscht
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich in einem Telefonat mit Russlands Regierungschef Wladimir Putin enttäuscht darüber, dass weniger Gas als erwartet nach Europa gepumpt worden sei. Zudem sei den EU-Beobachtern der Zugang zu den Leitstellen verweigert worden. Die Ukraine bestritt, Verpflichtungen nicht einzuhalten. «Von Seiten der EU-Kommission arbeiten die Experten alle auf Kontrollstationen, die für die Mission vorgesehen sind», sagte Präsident Viktor Juschtschenko nach Angaben der Agentur Interfax in Kiew. Auch die russischen Experten seien wie abgesprochen im Einsatz. Gazprom beklagte dagegen, die Ukraine habe russischen Kontrolleuren den Zugang zu den Messstationen verweigert.


Gazprom-Führung kritisiert Ukraine
Die Gazprom-Führung machte die Ukraine allein für die erneute Eskalation verantwortlich. Kiew und Moskau hatten sich am Montag nach zähen Verhandlungen auf ein Kontroll-Abkommen und den Einsatz von internationalen Gas-Kontrolleuren geeinigt. Der Konflikt um höhere Gaspreise und Transitgebühren ist weiterhin ungelöst.


EU-Kommission: Lage ist ernst
Die EU-Kommission forderte Russland und die Ukraine auf sicherzustellen, «dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen». «Derzeit strömt wenig oder überhaupt kein Gas», bestätigte eine Sprecherin der Kommission in Brüssel die neuen Probleme. Über die Gründe wolle man zunächst nicht spekulieren. «Aber diese Lage ist eindeutig sehr ernst.» In einem sehr begrenzten Umfang sei am Morgen Gas geströmt, sagte die Sprecherin. Die von Moskau und Kiew akzeptierten EU-Beobachter hätten keinen freien Zugang zu den Leitstellen in Kiew und Moskau. Das sei jedoch nötig, um den Gasfluss kontrollieren zu können. Die Zugangsverweigerung sei ein «eindeutiger Verstoss gegen die bestehenden Vereinbarungen», sagte die Sprecherin.


Ukraine richtet Untersuchungskommission ein
Das ukrainische Parlament richtete am Dienstag eine Untersuchungskommission zum jüngsten Gasstreit ein. Die Opposition wiederholte ihre Forderung nach einem Verfahren zur Amtsenthebung von Präsident Juschtschenko.


Am Morgen hat es zunächst noch nach einem Ende des tagelangen Hin und Her ausgesehen: Gazprom nahm wie angekündigt seine Lieferungen wieder auf. In der russischen Gas-Messstation Sudscha an der Grenze zur Ukraine beobachteten internationale Gaskontrolleure, unter ihnen auch ein Vertreter vom Konzern E.ON Ruhrgas, die Wiederaufnahme der Lieferungen. Moskau wollte zunächst eine Tagesmenge von 76 Millionen Kubikmeter Gas einspeisen. Vor dem Gasstreit hatte der tägliche Transit mehr als 300 Millionen Kubikmeter betragen. Die Ukraine bemängelte aber, dass Russland die Liefermenge für den Transit nicht rechtzeitig beantragt habe. Ein neues Hindernis könnte sein, dass es aus ukrainischer Sicht derzeit keinen gültigen Transitvertrag gibt, weil Kiew das alte Abkommen zum Jahreswechsel aufgekündigt hat.


Streitpunkt technisches Gas
Ein weiterer Streitpunkt ist das sogenannte technische Gas. Der Kiewer Energieversorger Naftogas hat angekündigt, 21 Millionen Kubikmeter Gas täglich für technische Zwecke abzapfen zu wollen. Dieses Gas wird für den Betrieb der Verdichterstationen entlang der über 1.000 Kilometer langen Pipelinestrecke quer durch die Ukraine benötigt. Russland warnte davor, das Gas zu «stehlen». Bei den Kunden könnte nach Schätzung der EU-Kommission das erste Gas – wenn es denn strömt – 24 bis 30 Stunden nach Wiederaufnahme der russischen Lieferungen ankommen.


Slowakei: Wiederaufschaltung von Reaktorblock weiter ein Thema
Angesichts der unsicheren Versorgungslage überlegt die Slowakei weiterhin intensiv, gegen den Widerstand der EU den erst zu Silvester abgeschalteten Reaktorblock im Atomkraftwerk Jaslovske Bohunice wieder anzufahren. Seit Tagen herrscht in dem Land der Energie- Notstand. 1.000 grössere Unternehmen werden nicht mehr mit Gas beliefert. Zwei Autowerke und ein grosses Stahlwerk mussten den Betrieb einstellen. Da Gas seit der Abschaltung des zweiten Atomreaktors in Jaslovske Bohunice auch zur Unterstützung der Stromversorgung eingesetzt wird, droht laut Regierung der völlige Zusammenbruch des Stromnetzes wegen zu geringer Spannung.


Seit Jahren streiten Russland und die Ukraine über Gaspreise und Transitkosten. Die finanziell angeschlagene Ukraine weigert sich, die von Russland zum Jahreswechsel geforderten Weltmarktpreise zu zahlen, und verweist auf anderslautende Abmachungen. Moskau verlangt einen neuen Preis von mehr als 400 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas. Bisher zahlte Kiew 179,50 US-Dollar. (awp/mc/pg/17)

Schreibe einen Kommentar