George Oommen, CEO Insurances and Reinsurances, Dubai International Financial Centre (DIFC)

von Gérard Al-Fil


Herr Oommen, die Aktien arabischer Versicherer gehörten im ersten Quartal zu den klaren Gewinnern. Woran liegt das?


Die chronische Unterversicherung in der Region Mittlerer Osten wurde durch die Wirtschaftskrise so deutlich wie nie zuvor. Plötzlich sehen sowohl die Unternehmen als auch die Privathaushalte ein, wie riskant es war, ihre Gebäude und Lagerhallen bzw. Autos und sogar ihre Gesundheit nicht gegen mögliche Schäden abzusichern. Ausserdem führen die Gesetzgeber in den Golfstaaten erst jetzt die Versicherungspflicht für Dinge ein, die in westlichen Ländern schon lange besteht, wie beispielsweise Bahrain für Kraftfahrzeuge. Allein in Saudiarabien wurden 2008 rund 30 neue Versicherungsunternehmen neu zugelassen, zehn weitere befinden sich noch im Lizenzierungsprozess.


Stichwort Unterversicherung: warum geben die Menschen in den Golfstaaten eigentlich im Schnitt nur 14 Dollar pro Jahr für Versicherungs-Policen aus?


Dies hat primär religiöse Gründe, weil gläubige Muslime Eingriffe in den von Gott bestimmten Lebensweg ablehnen. Eine Lösung dafür lautet Takaful, die islamische Versicherung. Das weltweite Volumen mit 4 Milliarden Dollar ist noch überschaubar. Aber dieses Segment wächst weiterhin mit einer Rate 20 von Prozent pro Jahr. Auch westliche Unternehmen entwickeln Takaful. Bis 2012 dürfte der Markt auf 8 Milliarden Dollar anschwellen. Die Zahl der Takaful-Anbieter stieg 2008 um 19 Prozent auf nunmehr 165 weltweit.


Ganz kurz für Laien: wie funktioniert Takaful?


Das Prinzip des Takaful ähnelt der von Gemeinschafts-Fonds wie Pensionskassen oder Betriebsrenten. Bei Takaful werden die eingezahlten Beiträge nur in Scharia-konforme Anlageklassen investiert. Aktien von Firmen, die etwa Alkohol oder Waffen herstellen, oder von konventionellen Banken scheiden aus. Die Letzteren, weil sie von den im Islam verbotenen Zinsen leben. Ausserdem werden die Beiträge ?gepoolt› und von einer Management-Gesellschaft namens Wakala verwaltet. Alle Versicherten zahlen zudem eine Sonderabgabe Ta?abaru, auf die im Schadensfall jeder solidarisch Anspruch hat. Dieses Konzept reicht 1400 Jahre zurück, als seefahrende arabische Kaufleute nach Indien und China reisten und in einen gemeinsamen Fonds einzahlten, von dem jeder Kaufmann im Schadensfall (Warenzerstörung beim Transport, Überfälle, Schiffverlust auf hoher See,..) profitierte.


Wieviele Versicherer konnten Sie schon nach Dubai ins DIFC locken?


Wir haben bislang 34 Versicherungsfirmen lizenziert, davon sind neun Rückversicherer.


Provokativ gefragt: gibt es überhaupt noch einen Grund sich im DIFC niederzulassen, wo der Immobilienmarkt in Dubai erstmals seit acht Jahren kriselt und in einigen Branchen Stellen abgebaut werden?


Ja, durchaus.  Das DIFC wurde als Katalyst für die Region entworfen. Um die Ansprüche der Kunden zu verstehen, müssen Sie in der Region vor Ort sein. Wealth creation ist auch ein wichtiger Faktor, und zwar nicht nur in den Golfstaaten, sondern auch in Südostasien, Indien und Nordafrika. Dies ist nicht die Zeit für risikoscheue Unternehmen, sondern für jene, die bereit sind, den Aufstieg der besagten Region zu begleiten. Krisen gehören zum Wirtschaftszyklus dazu. Das DIFC wurde 2004 eröffnet und plant für die nächsten zwei Jahrzehnte, nicht nur für die kommenden zwei Jahre.


Vielen Dank für das Gespräch.





Goerge Oommen stiess im April 2007 zum Leitungsgremium des Dubai International Financial Centre (DIFC) hinzu, dem Onshore-Finanzentrum in der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Dort obliegt ihm das Management für das Segment Versicherer und Rückversicherer. Unter den namhaften Firmen, die sich im DIFC in diesem Segment angesiedelt haben sind u. a.  Allianz Re, AIG MEMSA oder die Zurich Financial Group. Der aus Malaysia stammende Oommen war lange Jahre Managing Director der Tata AIG Life Insurance Company in Indien und der AIG Lippo Life Insurance in Malaysia. Er ist Mitglied des Malaysian Institute of Chartered Accountants.

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