Seit 1990 sind diese internationalen Kapitalflüsse doppelt so schnell gewachsen wie der Welthandel und viermal so schnell wie das globale Bruttoinlandprodukt (BIP). Ende 2002 belief sich der weltweite Gesamtbestand an Portfolioanlagen im Ausland auf 13716 Milliarden Dollar. Der Direktinvestitionsbestand betrug im Vergleich dazu rund die Hälfte. Auch die Schweiz ist an den internationalen Kapitalströmen stark beteiligt. Sowohl als Portfolioinvestor wie als Direktinvestor gehört sie weltweit zu den grössten Kapitalexporteuren. Wie ist der Export von Kapital aus Schweizer Sicht zu beurteilen? Ist er als Zeichen der Stärke des schweizerischen Wirtschaftsstandorts zu werten? Wenn ja, welchen Nutzen wirft er für die hiesigen wirtschaftlichen Akteure ab? Oder handelt es sich im Gegenteil aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive um einen unvorteilhaften Abfluss von finanziellen Mitteln, die inländischen Kapitalsuchenden nicht mehr zur Verfügung stehen?
Portfolioinvestitionen steigen
2003 entfiel mit 813 Milliarden Franken etwa ein Drittel des gesamten Schweizer Auslandvermögens auf die Wertpapieranlagen im Ausland. Gegenüber 1985 ? als erstmals der grenzüberschreitende Kapitalverkehr der Schweiz mit dem Ausland vollständig erfasst wurde ? vervierfachte sich das schweizerische Portfoliovermögen im Ausland. Der grösste Teil davon stammt von den laufend gestiegenen, in der 2. und 3. Säule der Altersvorsorge ersparten Vermögen, die von Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften und Pensionskassen diversifiziert und rentabel angelegt werden wollen. Die Vorteile von Auslandanlagen liegen in der Risikodiversifikation und Renditeoptimierung. Die Streuung von Anlagerisiken über verschiedene Länder und Währungen reduziert das Portfoliorisiko, indem Anlagen kombiniert werden, deren Risiken möglichst wenig untereinander korrelieren. Aus Renditesicht lohnt es sich, in ausländische Wertschriften zu investieren, die höhere Erträge als heimische Titel erwarten lassen. Gerade für kleine Länder wie die Schweiz, wo die Möglichkeiten der Streuung von Anlagen und die Auswahl an Wertpapieren aufgrund der Grösse des inländischen Kapitalmarktes begrenzt sind, ist die Wertschriftenanlage im Ausland von grosser Bedeutung. In den USA und in Japan beispielsweise sind die Auslandinvestitionen wegen des grossen Heimkapitalmarktes weit weniger wichtig.
Globalisierung fördert Investitionen
Die Globalisierung bringt es mit sich, dass sich nicht nur Anleger nach den weltweit besten Investitionsmöglichkeiten umsehen, sondern dass sich auch Unternehmen zunehmend international verflechten. Weltweit stieg der Bestand an Direktinvestitionen von 1758 Milliarden Dollar im Jahr 1990 auf 7210 Milliarden Dollar im Jahr 2002. Einst noch im nationalen Rahmen zusammengefasste Wertschöpfungsketten werden aufgegliedert und global ausgerichtet. Für die einzelnen Produktionsschritte wird weltweit nach den geeignetsten Standorten gesucht. Im internationalen Konkurrenzkampf ist dies für viele Unternehmen von vitaler Bedeutung. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft tätigt kein Land höhere Direktinvestitionen als die Schweiz. Belief sich der Bestand an direkten Engagements im Jahr 1990 auf lediglich 29 Prozent des BIP, waren es 2002 immerhin schon 110 Prozent. Diese Spitzenposition ist Ausdruck der Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der hiesigen Unternehmen. Durch das geschickte Festlegen ihrer Internationalisierungsstrategien verbessern sie ihre Erfolgsaussichten in der Zukunft. Entgegen häufig geäusserter Befürchtungen müssen Direktinvestitionen nicht per se mit Produktionsverlagerungen ins Ausland und Arbeitsplatzverlusten gleichgesetzt werden. Diese finden zwar statt, doch muss man sich die Frage stellen, inwiefern es sich dabei nicht um Produktionsbereiche handelt, deren Fortbestand im Zuge des Strukturwandels ohnehin gefährdet ist. Auch ist die Auslagerung einzelner Unternehmensteile ins Ausland unter Umständen unumgänglich, sollen Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten werden.
Direktinvestitionen erschliessen Märkte
Direktinvestitionen sind häufig absatzorientiert, sie werden also getätigt, um den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen vor Ort zu erleichtern, bestehende Märkte zu sichern oder auf Kundenbedürfnisse besser einzugehen. In vielen Fällen werden mit Hilfe von Auslandsniederlassungen auch neue Märkte erschlossen. Die Geschäftstätigkeit im Inland wird jedoch durch solche Auslandsaktivitäten nicht konkurrenziert. Im Gegenteil, Direktinvestitionen können sich sogar positiv auf die wirtschaftliche Aktivität im Inland niederschlagen. Dies manifestiert sich nicht nur in einer Zunahme der Exporte, der Veredelungsarbeiten und Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, sondern auch in einem Anstieg von Führungs- und Koordinationsaufgaben an den Firmenhauptsitzen.
Kapitalexport kein Zeichen der Schwäche
Wie ist nun aber der Kapitalexport aus Sicht des Schweizer Standorts zu beurteilen? Ist er ein Zeichen von Schwäche? Dagegen spricht erstens, dass nicht nur in grossem Ausmass Portfolio- und Direktinvestitionen ins Ausland fliessen, sondern auch bedeutende Kapitalvolumina vom Ausland in die Schweiz transferiert werden. Sowohl für Direkt- als auch für Portfolioinvestoren ist die Schweiz eines der weltweit attraktivsten Ziele. Im Fall der Portfolioinvestitionen ist es keinesfalls so, dass der Hauptteil der inländischen Mittel ins Ausland fliesst. Gemessen an der Grösse des Schweizer Wertpapiermarktes im Vergleich zum internationalen Kapitalmarktvolumen investieren schweizerische Anleger überproportional in inländische Titel. Dies zeigt, dass die Schweiz über zahlreiche attraktive Anlagemöglichkeiten verfügt. Der grosse Nachteil dieser Präferenz des Heimmarktes ist, dass die Investoren die Chancen der internationalen Diversifikation zu wenig nutzen. Ihr Portfolio enthält dadurch mehr Risiken, als aus Sicht der Risikostreuung optimal wäre.
Starker Standort ist Voraussetzung
Bei den Direktinvestitionen schliesslich spricht einiges dafür, dass ein hohes Auslandsengagement Ausdruck eines starken Standorts ist. Denn je mehr firmenspezifische Konkurrenzvorteile durch standortspezifische Vorzüge wie ein vorteilhaftes Steuersystem, gut ausgebildete Arbeitskräfte oder hochentwickelte Forschungsanstalten ergänzt werden, desto besser sind die ansässigen Unternehmen für die Expansion ins Ausland gerüstet. Diese These scheint sich für die Schweiz zu bestätigen. Über die Hälfte der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland stammen von Banken und Versicherungen sowie aus dem Chemie- und Pharmasektor. Aus Branchen also, in denen der Standort Schweiz zu den weltweit besten gehört.