Gewerkschaften wollen bis zu 5% mehr Lohn – Arbeitgeber lehnen ab

Wer das Recht auf den vollen Teuerungsausgleich in Frage stelle, vertrete nichts anderes als eine Politik der Lohnsenkung, sagte der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Paul Rechtsteiner, am Dienstag vor den Medien in Bern. «Der volle Ausgleich der Teuerung entspricht dem Gebot minimaler Gerechtigkeit wie auch jedem der volkswirtschaftlichen Vernunft».


Schlüsselrolle für Binnenkonsum
Die Stärkung der Kaufkraft sei entscheidend für die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft im kommenden Jahr. Angesichts der schlechteren Konjunkturprognosen aus dem Ausland komme dem Binnenkonsum eine Schlüsselrolle als Stütze der Wirtschaft zu.


Arbeitnehmer von Früchten des Aufschwungs ausgeschlossen
Die Unternehmen hätten in den letzten fünf Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet und ihre Margen ausweiten können – gleichzeitig seien die Löhne trotz höherer Leistung der Arbeitnehmenden nahezu stagniert, ergänzte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. «Die Früchte des Aufschwungs pflückten sich bisher vor allem die Aktionäre und das Kader», sagte er. Die stark gestiegenen Gewinne der Unternehmen seien in die Portfolios der Aktionäre und auf die Konti der Top-Manager geflossen. Tiefe und mittlere Einkommen hätten dagegen kaum etwas vom Aufschwung gespürt. Die Nominallohnerhöhung von 0,9%, die von den Arbeitgebern 2007 gewährt worden war, sei im laufenden Jahr von der Teuerung weggefressen worden.


Teuerungsausgleich, Lohnerhöhung und fixer Beitrag gefordert
Um den Rückstand der tieferen und mittleren Einkommen auf die Spitzenlöhne auszugleichen, fordert der SGB für einige Branchen deshalb neben dem vollen Teuerungsausgleich statt einer prozentualen Lohnerhöhung einen fixen Beitrag von monatlich 100 bis 150 CHF.


Arbeitgeber weisen Forderungen zurück
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) und der Arbeitgeberverband wiesen die Forderungen postwendend zurück. Sie seien einseitig und undifferenziert, schreibt der SGV in einer Stellungnahme. Der Anspruch verkenne vollständig die wirtschaftlichen Realitäten und das Machbare in den kleinen und mittleren Unternehmen. Diese seien angesichts steigender Kosten für Energie und Rohnstoffe einem harten internationalen Konkurrenzkampf ausgesetzt. Produktivitätsfortschritte würden deshalb weitgehend den Kunden weitergegeben, die Margen blieben entsprechend klein, argumentiert der SGV.


Unterschiedliche wirtschaftliche Situation
Zudem sei die wirtschaftliche Situation in den verschiedenen Branchen und Betrieben zu unterschiedlich, um allen Beschäftigten die gleiche generelle Lohnerhöhung gewähren zu können, argumentieren die Wirtschaftsverbände. Zwar sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter am Erfolg teilhaben lassen, ein automatischer Teuerungsausgleich und starke Reallohnerhöhungen würden jedoch die gute Arbeitsmarkt-Performance der Schweiz gefährden, hiess es.


Gewerkschaften: «Unbegründete Ängste»
Diese Einschätzung wird von den Gewerkschaften vehement bestritten. Die Ängste vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit seien völlig unbegründet, die höheren Löhne problemlos zu verkraften, sagte Lampart: «Es ist viel Luft vorhanden bei den Unternehmen». Die Lohnerhöhung werde einzig die Profite etwas minimieren.  (awp/mc/pg/17)

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