Goldman Sachs kassiert Schelte

«Die Kunden haben verloren, Goldman hat gewonnen», polterte der Ausschussvorsitzende Carl Levin. «Vieles, was sie ihren Kunden verkauft haben, nannten sie selbst Mist.» Er bezog sich dabei auf interne E-Mails von Goldman-Bankern. Die US-Börsenaufsicht SEC wirft dem Institut sogar vor, Anleger betrogen und um mehr als eine Milliarde Dollar gebracht zu haben.


Blankfein bestreitet Vorwürfe
Bankchef Blankfein widersprach vehement und betonte: «Das Vertrauen unserer Kunden ist nicht nur wichtig für uns, es ist essenziell für uns.» Er wies den Vorwurf zurück, Goldman Sachs habe sich auf Kosten von Anlegern bereichert. «Wir haben sicherlich nicht gegen unsere Kunden gewettet.» Die Bank habe genauso Geld am zusammengebrochenen Immobilienmarkt verloren wie alle anderen. Das Aufeinanderprallen von Levin und Blankfein zeigte die Kluft, die zwischen der sogenannten Main Street – den Menschen auf der Strasse – und der Wall Street besteht. Der Goldman-Sachs-Chef setzte mehrfach an, das Handeln der Banken und die Mechanismen des Marktes zu erläutern. Er stiess damit bei den Senatoren aber auf wenig Verständnis. Levin brandmarkte die komplizierten Geschäfte als sittenwidrig. Seine Kollegen verglichen das Treiben den Finanzmärkten mehrfach mit einem Glücksspiel.


«Goldman Sachs hat unmoralisch gehandelt»
Der Ausschussvorsitzende Levin sieht es als erwiesen an, dass Goldman Sachs 2007 auf fallende Häusermärkte setzte, während die Bank ihren Kunden weiterhin Hypothekenpapiere verkaufte. Senator John McCain aus Arizona schlug in die gleiche Kerbe: «Es ist keine Frage, Goldman Sachs hat unmoralisch gehandelt.» Beim Platzen der Immobilienblase wurden die Geldanlagen über Nacht praktisch wertlos. Einer der Geschädigten soll die deutsche Mittelstandsbank IKB gewesen sein, die ein grosses Rad am US-Häusermarkt drehte und vom Steuerzahler mit fast zehn Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch gerettet werden musste. Goldman Sachs hatte ihr ein Sammelsurium von Hypothekenkrediten verkauft – und ihr nach Ansicht der Börsenaufsicht verschwiegen, dass ein Hedgefonds die Auswahl der enthaltenen Papiere getroffen und anschliessend auf ein Scheitern gewettet hatte.


SEC verklagt Fabrice Tourre persönlich  
«Die Transaktion war nicht derart gestaltet, dass sie scheitern musste», widersprach Fabrice Tourre. Er hatte das komplexe Geschäft eingefädelt und sich in internen E-Mails seiner eigenen Genialität gerühmt. Die IKB sei einer der weltweit erfahrensten Spieler auf dem Hypothekenmarkt gewesen, konterte er. Die SEC hat Tourre als einzigen Goldman-Banker persönlich verklagt. «Ich verstehe, wie eine solche komplizierte Transaktion für manche Menschen aussehen muss. Sie fühlen sich bestätigt in ihrer Annahme, dass die Wall Street ausser Kontrolle geraten ist», räumte Blankfein ein. Die Branche müsse ihr Handeln mehr erklären.


Betrugsvorwurf lastet auf gesamter Bankenlandschaft
Die Krise hatte die Investmentbanken in Verruf gebracht. Es bildete sich der Stereotyp des gierigen Bankers heraus, der um seiner eigenen fetten Boni willen mit windigen Geschäften die gesamte Wirtschaft in den Abgrund reisst. «Es gibt viele Feindseligkeiten da draussen», stellte Senator McCain fest. Goldman gehe es gut, während die Wirtschaft am Boden liege und Regionalbanken reihenweise umkippten. Der Betrugsvorwurf der SEC belastet die gesamte Bankenlandschaft. Die Börsianer befürchten teure Schadenersatzklagen und eine härtere Regulierung für alle Institut. Goldman Sachs ist eines der renommiertesten Häuser der Wall Street. Selbst in der Krise schrieb die Bank nach einem kurzen Einbruch schnell wieder Milliardengewinne. Das machte sie zum bevorzugten Ziel von Branchenkritikern. Viele Banker sprechen von einem politisch motivierten Verfahren.


Rückschlag für Obama
US-Präsident Barack Obama versucht derzeit, seine Finanzmarktreform voranzutreiben, mit der er die Banken zügeln und die Verbraucher schützen will. Die Branche und die oppositionellen Republikaner stehen dem Vorhaben aber kritisch gegenüber, weil sie zu starke staatliche Eingriffe befürchten. Am Dienstag musste Obama einen erneuten Rückschlag im Senat hinnehmen. (awp/mc/ps/23)

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