Dies sagte ein Sprecher der Deutschen Bank, deren Vorstandschef Josef Ackermann zugleich Vorsitzender des Institute of International Finance (IIF) ist, am Mittwoch auf Anfrage. Goldman Sachs war bereits am 2. Juni aus dem Bankenverband ausgetreten, bestätigte ein Sprecher der US-Bank am Dienstag auf Anfrage. Gründe nannte er nicht. Nach einem Bericht der «Welt» (Mittwoch) soll aber ein massiver Streit über die richtigen Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise zu diesem Entschluss geführt haben. Ein IIF-Sprecher sagte der Zeitung lediglich, es habe «grosse Fortschritte» beim Gesamtkonzept gegeben.
Kodex dennoch nächste Woche
Auch wenn der Austritt von Goldman Sachs keine direkten Folgen auf die geplante Vorlage des Banken-Kodex hat, bedeutet die Entscheidung der weltweit führenden Investmentbank nach Ansicht eines Branchenexperten doch einen Rückschritt für die Branche. «Die Banken wollten geschlossen antreten und den Regulierern wie auch der Öffentlichkeit eine Industrielösung präsentieren. Da ist es kein gutes Signal, wenn ein einzelner – und dazu noch ein so namhaftes Institut – aussteigt», sagte er.
Eigene Lehren aus der Krise ziehen
Der IIF und seine Mitglieder hatten sich zum Ziel gesetzt, eigene Lehren aus der verheerenden Finanzkrise zu ziehen und sie bis zum Sommer in einen Verhaltenskodex für die Branche zu giessen. Mitte April stellte der IIF erste Handlungsempfehlungen vor, die unter anderem ein besseres Risikomanagement, mehr Transparenz bei komplizierten strukturierten Produkten und ein übergeordnetes Überwachungsgremium vorsehen. Mit diesen Massnahmen wollen die Banken selbst der Finanzkrise Herr werden, künftige Turbulenzen verhindern und durch die Selbstregulierung vor allem auch schärferen Gesetzen und einer stärkeren Regulierung von aussen vorgreifen.
Streitpunkt Bilanzierung
Auch dem seit Ausbruch der Krise umstrittenen Thema Bilanzierung hat sich der Verband angenommen – und nach dem Bericht der «Welt» eskalierte genau an diesem Punkt der Streit. Die vorgeschriebene Bilanzierung sieht die Bewertung von Wertpapieren zu aktuellen Marktkursen (Mark-to-Market) vor. Damit soll die Transparenz gewahrt und drohende Verluste vorhersehbar werden. Allerdings bereitet genau diese Art der Bewertung vielen Institute derzeit Probleme: Da der Markt für faule US-Immobilienkredite (subprime) zusammen gebrochen ist und diese Papiere praktisch unverkäuflich sind, müssen die Banken oft hohe Abschreibungen verbuchen, selbst wenn sie die Vermögenswerte zu dem aktuellen Marktpreis gar nicht verkaufen wollen. Die Ausweitung der Krise auf andere Anlageklassen führt dazu, dass deren Wertschwankungen selbst Instituten zu schaffen machen, die mit den eigentlichen Krisenpapieren wenig zu tun haben.
Goldmann lehnt «Alice-im-Wunderland-Bilanzierung» ab
In den Augen von Kritikern führt damit die Bilanzierungsform zu einer Abwärtsspirale. Seit Monaten schon werden Stimmen laut, die Regeln zu ändern oder zumindest zeitweise auszusetzen, bis die Märkte wieder in Schwung sind. So plädierte etwa der Bundesverband deutscher Banken (BdB) dafür, «auf internationaler Ebene eine Aussetzung der täglichen Marktbewertung rückwirkend zum Beispiel zum 1. Januar 2008 in Krisenzeiten zu erlauben». Laut «Welt» spricht sich auch der IIF dafür aus, die «vermeintlichen Schwächen in der Bilanzierung zu korrigieren». Goldman Sachs habe diesen Vorstoss abgelehnt und vor einer «Alice-im-Wunderland-Bilanzierung» gewarnt, sollten die Standards aufgeweicht werden. Man fürchte dabei um die Transparenz. Dem Bericht zufolge hat auch Morgan Stanley deutliche Skepsis geäussert, ist aber bislang nicht aus dem Verband ausgetreten.
Beschwichtigungsversuche erfolglos
Goldman Sachs habe seinen Austritt Anfang Juni in einem Einzeiler erklärt, schreibt die Zeitung. Das Institut habe sich auch nicht dadurch umstimmen lassen, dass IIF-Manager Charles Dallara am 28. Mai zu beschwichtigen versuchte. Der Bilanzierungsstreit sei nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. «Die hatten sich schon in den Monaten zuvor zusehends vom IIF abgesetzt», zitiert die «Welt» einen Insider. Die Institute, die Korrekturen bei der Bewertung ablehnen, hätten andere Lösungen vorgeschlagen. «Man sollte vorübergehend niedrigere Eigenkapitalquoten akzeptieren oder Banken die Refinanzierung erleichtern», zitiert die Welt einen IIF-Kritiker. (awp/mc/ps/25)