Gregor Stücheli, CEO T-Systems Schweiz: Die Schweizer Niederlassung kann weiter ausbauen

Von André Schäppi


 


Moneycab: Herr Stücheli, T-Systems Schweiz hat bei der eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen in Lausanne eine Einsprache gegen den Ende September erfolgten Entscheid der SBB über die Neuvergabe der Informatik-Dienstleistungen eingelegt. Es ging um einen Auftrag von 133 Mio. CHF für Betrieb und Support der Client-Umgebung (PCs, Drucker, Citrix), den man an Swisscom IT Services verloren hat. Da drängt sich die Frage auf: Ist T-Systems ein schlechter Verlierer?


 


Gregor Stücheli: Solche Grossprojekte sind äusserst komplex. Für uns blieben nach dem Debriefing etliche Fragen offen, die aus unserer Sicht nicht oder nur unzureichend geklärt waren. Mit der Einsprache haben wir signalisiert, dass uns die für den Entscheid massgeblichen Begründungen noch nicht zufrieden gestellt haben. Und da wir ein aus unserer Sicht sehr kompetitives Angebot eingereicht hatten, waren wir es uns auch in unserer Verantwortung gegenüber unserem Projektteam und unseren in den SBB-Projekten engagierten Mitarbeitern schuldig, zusätzliche Informationen zum Entscheidungsprozess einzuholen.


 


Dann kurz darauf die Kehrtwendung: Der Rekurs wird zurückgezogen. Die Erklärung, man habe intensive Gespräche mit der SBB geführt und verstehe nun den Vergabeprozess besser, tönt nicht gerade überzeugend. Hat die SBB, die die grössere Tranche des Auftrags mit einem Volumen von 140 Mio. für den Betreib und Support der zentralen Dienste an T-Systems vergeben hat, Druck gemacht? Immerhin hat der T-Systems-Einspruch ja die Vorarbeiten für die Übergabe verzögert.


 


Die Einsprache hat mit den operativen Tätigkeiten nichts zu tun. Auch während des laufenden Verfahrens hat unser Projektteam alle anstehenden Arbeiten planmässig in Angriff genommen und die Umsetzung der Transition vorbereitet.


 


Also kein Druck seitens der SBB?


 


Nein.


 


«Die Schweiz ist für T-Systems eine der wichtigsten Auslandsgesellschaften»  Gregor Stücheli, CEO T-Systems Schweiz


 


Nochmals zum Auftrag: Die SBB liess verlauten, man habe mit den neuen Verträgen neben wesentliche besseren IT-Leistungen auch einen besseren Preise als bisher aushandeln können. Sind die Preise der T-Systems zu hoch und die Leistungen mittelmässig?


 


Die Verträge von 1998 und 2006 lassen sich nicht miteinander vergleichen ? weder vom Umfang der enthaltenen Leistungen her noch von deren Preisen. Sie müssen bedenken, dass seither die Technologie einen immensen Sprung gemacht hat. Als der erste Vertrag abgeschlossen wurde, arbeitete man z.B. noch mit Disketten und einer Vielzahl von Plattformen. Gemeinsam mit den SBB haben wir in den vergangenen Jahren die Anzahl Plattformen drastisch reduziert, europaweit eines der grössten und komplexesten Projekte im Bereich Server Based Computing umgesetzt und dabei die Performance und Zuverlässigkeit der SBB-Infrastruktur enorm gesteigert. Und dass die SBB mit unseren Leistungen insgesamt zufrieden waren, zeigt die Vergabe des grössten Loses wiederum an T-Systems.
Unsere Preispolitik beruht auf unseren Markterfahrungen. Wir bewähren uns mit unserem Preis-Leistungsverhältnis laufend am Markt, sei es in der Schweiz oder international.


 


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Das führt zu einem weiteren Punkt: In der IT-Outsourcing-Branche scheint es zu gären. Es soll grosse Mitbewerber geben, die Preisdumping betreiben und die Outsouring-Deals über nicht kostendeckende Preise «kaufen».


 


Die SBB-Ausschreibung war öffentlich und lief nach klar vorgegebenen Kriterien ab. Unsere Preisstruktur war klar und kompetitiv. Darüber hinaus ist T-Systems nicht an Projekten zu schlechten Konditionen interessiert. Dies würde gegen unsere unternehmenspolitischen Grundsätze verstossen.


 


Also nehmen Mitbewerber Projekte auch rein, wenn sie nicht kostendeckend sind?


 


Es ist nicht unsere Aufgabe, Mitbewerber und deren unternehmenspolitische Grundsätze zu kommentieren.


 


Der Markt Schweiz im Bereich Outsourcing soll gemäss Schätzungen bis 2007 auf etwa 5 Milliarden Franken wachsen. Welchen Anteil am Kuchen will T-Systems und mit welchem Wachstum rechnen Sie jährlich für T-Systems Schweiz?


 


Wir sehen uns Ende 2007 unter den drei bedeutendsten Firmen in diesem Bereich. Wir sind stark in der Schweiz verwurzelt; unsere ersten Rechencenter haben wir für Schweizer Unternehmen bereits in den 60er-Jahren aufgebaut und betrieben. Daneben können wir aber auch von den Ressourcen und Erfahrungen aus unserer internationalen Vernetzung profitieren. Diese Kompetenz, die vor allem für international tätige Unternehmen interessant ist, hebt uns wiederum von rein lokal agierenden Anbietern ab. Seit Jahren wachsen wir über dem Marktdurchschnitt, und dies soll auch so bleiben.


 


Wie viel bedeutet über dem Marktdurchschnitt? Können Sie dazu eine Zahl nennen?


 


Verschiedene Analysten bezeichnen 5-8 % als Marktdurchschnitt für 2005. T-Systems Schweiz wird in diesem Jahr voraussichtlich das beste operative Ergebnis in ihrer Geschichte erzielen. Unser überdurchschnittliches Wachstum konnten wir dank vieler neuer Projekte, die T-Systems in diesem Jahr gewonnen hat (Graubündner Kantonalbank, Kuoni, Roche, Phonak etc.), sowie dank Vertragsverlängerungen oder zusätzlicher Projekte bei bestehenden Kunden erzielen.


 


Die Deutsche Telekom will ihr Grosskundengeschäft im Ausland in den kommenden Jahren stärken. «T-Systems soll profitabel wachsen – das ist unser erklärtes Ziel», schrieb der neue Vorstandschef der Telekom-Tochter T-Systems, Lothar Pauly, im Oktober in einem Brief an die Mitarbeiter. «Unser internationales Geschäft soll hierzu künftig einen wesentlichen Beitrag leisten.» Man werde gezielt investieren hiess es weiter. Was heisst das konkret für die Schweiz?


 


Wir sind in 24 Ländern weltweit tätig. Länder, die ein grosses Wachstumspotenzial versprechen, wurden mit der neuen internationalen Strategie als Schlüsselländer definiert. Dazu gehört auch die Schweiz. Schon heute nimmt die Schweiz wichtige Kompetenzcenter-Funktionen wahr. Diese starke Position können wir künftig innerhalb unserer internationalen Organisation weiter ausbauen. Diese Erwartungen an uns hat uns Herr Pauly anlässlich seines ersten Besuches in der Schweiz – persönlich mitgeteilt und klar gestellt, dass er die Schweiz als eine der wichtigsten Auslandsgesellschaften betrachtet.


 


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Auf der anderen Seite hat die Deutsche Telekom anfangs November den Abbau von 32000 Stellen bekannt gegeben, wovon rund 5500 Arbeitsplätze auf T-Systems entfallen. In welchem Umfang ist die Schweiz davon betroffen?


 


Vom Abbau überhaupt nicht. Die Telekom und T-Systems International haben klar informiert, dass dieser ausschliesslich den deutschen Markt betrifft. Im Gegenteil; es ist ? wie oben bereits erläutert ? davon auszugehen, dass die Schweizer Niederlassung mit dem vorhandenen Qualifizierungsniveau ihrer Mitarbeitenden ihre Kompetenzcenter-Funktionen im Rahmen unserer internationalen Organisation weiter ausbauen kann.


 


Das heisst konkret, dass Sie mehr Mitarbeiter einstellen können?


 


Für Aussagen über die Auswirkungen der neu definierten internationalen Strategie auf unseren Stellenplan ist es noch verfrüht.


 


Welchen Trends folgt der Outsourcing-Markt Schweiz und welche Besonderheiten weist er auf im Vergleich zu anderen europäischen und aussereuropäischen Märkten?


 


Der Schweizer Markt stellt sich als heterogen und facettenreich dar. Viele Firmen haben internationale Kontakte und Verbindungen in eine Vielzahl von Ländern. Wir können hier den Vorteil unserer internationalen Verflechtung einbringen, da wir an den meisten der Ländern mit einem eigenen Standort vertreten sind. Dies vereinfacht die Zusammenarbeit enorm; für uns wie für den Kunden.
Die Flexibilität ist ein weiteres wichtiges Thema. Unser Ziel ist es, IT als Commodity anzubieten ? die der Kunde bezieht wie den Strom aus der Steckdose – je nach Bedarf. Dahinter steckt der Gedanke, dass unser Kunde nur für die Leistung bezahlt, die er verbraucht hat. Bei T-Systems heisst dieses Konzept «Dynamic Computing».
Daneben können wir national ausgerichtete Firmen mit flexiblen Lösungen bedienen, die sie von lokalen Anbietern vielleicht nicht in dieser Qualität erhalten können; beispielsweise im Bereich Hardware. Unsere Kunden profitieren hier klar vom Einkaufsvolumen der Deutschen Telekom als Gruppe. Diese Preisvorteile können wir ihnen weitergeben.


 


Welche Branchen sind die Zugpferde und wo orten Sie noch Potential für die kommenden Jahre?


 


Eine Vielzahl von Lösungen, wie zum Beispiel die Managed Desktop Services, sind branchenübergreifend. Wir können sie allen Industrien anbieten und alle Industrien profitieren davon. Daneben haben wir klar zwei Bereiche, die in unserem strategischen Fokus stehen. Hier hat T-Systems auch besondere Lösungen erarbeitet, in denen viel Branchen-Knowhow und Wissen um die spezifischen Bedürfnisse und Abläufe stecken. In den beiden Fokusbranchen Finanzdienstleistungsbereich und Healthcare rechnen wir uns auch aufgrund unserer beachtlichen Referenzen grosse Wachstumschancen aus.


 


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Wie wirkt sich die Globalisierung auf den Outsourcingmarkt Schweiz aus?


 


Globalisierung bedeutet: one Click away. Alles ist ontime, auch bei uns. Trends werden nicht mehr auf einer Messe zum ersten Mal gezeigt, sondern sofort am Markt positioniert. T-Systems ist als globale Firma mit allen Headquarters aller bedeutenden Anbieter im direkten Kontakt und wir wissen umgehend, was läuft. Firmen wie T-Systems können die Anforderungen schneller bewältigen und sie den nationalen Märkten zur Verfügung stellen. Regional oder national ausgerichtete Anbieter haben hier sicher einen grösseren Aufwand zu leisten, um up-to-date zu bleiben.
Hinzu kommt, dass die Globalisierung viele Schweizer Unternehmen zwingt, sich auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen und sich dementsprechend fokussiert am Markt zu positionieren. Dies kommt dem Trend zum Outsourcing sicher gelegen, denn Prozesse, die von Dritten besser und günstiger abgewickelt werden können, werden nun schneller ausgelagert.


 


Stichwort Offshoring: Während sich die ganze Welt mit ihren IT-Projekten auf die Socken in Billiglohnländer wie etwa Asien macht, betreut T-Systems am Telefon Kunden in Malaysia, Grossbritannien und China. Wie machen Sie das Herr Stücheli?


 


Ich bin absolut stolz auf unser Service Desk. Aktuell betreuen wir aus Zollikofen und Genf nationale und internationale Kunden in 10 Sprachen. Diese generieren aktuell etwa 500 000 Anrufe pro Jahr. Ich kenne keinen anderen Anbieter, der eine solche Sprachenvielfalt, gepaart mit der IT-Kompetenz, erbringt. Ein solcher Dienst ist auch typisch für die Schweiz. Wir können hier stolz sein auf die Vielzahl an Sprachen, die wir sprechen. Bei uns kann nur arbeiten, wer mindestens 3 Sprachen spricht. Viele unserer Mitarbeitenden sprechen aber noch zusätzliche Sprachen, manchmal bis zu sechs verschiedene. Aus diesem Grund benötigen wir auch weniger Mitarbeitende. Dies führt dazu, dass wir im Markt kompetitiv sind, denn wir müssen uns laufend gegen externe Konkurrenten behaupten.


 


Wie beurteilen Sie die Chancen für T-Systems, in diesem Segment zu wachsen?


 


Die Chancen sind da. Wir arbeiten im Sales-Prozess national und international. Einige unserer internationalen Kunden werden von ausländischen T-Systems Niederlassungen betreut, die diesen Service bei uns beziehen.



 







Zur Person
Der 42-jährige Gregor Stücheli durchlief mit einem betriebswirtschaftlichen Grundstudium der Hochschule St. Gallen und einem General-Management-Programm der Harvard Business School eine klassische Ausbildung. Das praktische berufliche Rüstzeug holte er sich bei IBM, wo er 1989 als Marketing-Assistent einstieg. 1993 trat er in Zürich als Marketing-Manager in die IBM-Industriesparte über, der er ab 1995 vorstand. 2000 wurde er Leiter Outsourcing bei IBM Schweiz. Seit 2002 ist Stücheli bei T-Systems. Zuerst als Leiter Sales & Marketing und seit Juli 2004 als CEO der Schweizer Ländereinheit, einer Tochter der deutschen Telecom.



Das Unternehmen
T-Systems Schweiz gehört mit einem Umsatz von 500 Mio. Fr. (2004) zu den führenden Informatikdienstleistern im Land. Zwei Drittel der Einnahmen stammen aus dem Outsourcing-Geschäft, je knapp 20% aus reinen Informatik- und Telecomprojekten. Als grösste Ländergruppe (rund 1000 Beschäftigte) nach Deutschland geniesst der Schweizer Ableger innerhalb T-Systems eine besondere Stellung.

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