Guglielmo Brentel, Präsident hotelleriesuisse: «Für hotelleriesuisse ist die Diskussion um die Hotel-Klassifizierung beendet»

von Patrick Gunti


Herr Brentel, hotelleriesuisse hat Klage gegen die neue Hotel-Klassifikation des Wirteverbandes Gastrosuisse eingereicht und jetzt vom Zürcher Handelsgericht Recht bekommen. Gehen Sie davon aus, dass die Diskussion um die Hotel-Klassifizierung damit ein Ende hat?


Ja, für hotelleriesuisse ist die Diskussion rund um die Hotel-Klassifizierung somit beendet. GastroSuisse hat jedoch an ihrer Generalversammlung von Ende Mai beschlossen, an ihrem eigenen Klassifikationssystem festzuhalten und dieses noch in diesem Jahr einzuführen. Wir bedauern diesen Entscheid sehr und sind enttäuscht, dass es nun kein einheitliches Klassifizierungssystem in der Schweiz gibt. Wir hoffen aber, dass GastroSuisse das Urteil akzeptiert und bei ihrer Klassifikation auf das Sterne-Label in Zukunft verzichten wird. hotelleriesuisse ist aber nach wie vor gesprächsbereit. Solche Gespräche können aber nur geführt werden, wenn GastroSuisse ihre Hausaufgaben gemacht hat und die Verbandsspitze mit einem klaren Verhandlungsauftrag an hotelleriesuisse gelangt. Wo es jetzt aber noch Raum für Kompromisslösungen geben soll, nachdem GastroSuisse den in vier zähen Verhandlungsrunden und mit Unterstützung von Schweiz Tourismus erzielten Vorschlag abgelehnt hat, wissen wir allerdings nicht.


hotelleriesuisse ihrerseits, wird nun die Revision der Schweizer Hotelklassifikation ohne Verzögerungen oder Abstriche konsequent vorantreiben. Generell handelt es sich dabei um eine Anpassung der Klassifikationsnormen an die gestiegenen Ansprüche der Gäste bezüglich Grösse und Ausstattung eines Hotelzimmers sowie des Dienstleistungsangebots eines Hotels insgesamt. Die Einhaltung der Klassifikationsnormen durch die Hotels wird regelmässig kontrolliert, darüber hinaus werden unangemeldete Inspektionen – so genannte «Mystery Checks» – durchgeführt.


Der Verband ist überzeugt, dass die Schweizer Hotellerie nur durch eine konsequente Ausrichtung auf die Gästewünsche, höchste Qualitätsstandards und eine entsprechend kontinuierliche Investitionsbereitschaft – wie sie durch das heutige Hotelklassifikationssystem nachweislich gefördert werden – international wettbewerbsfähig bleibt.


Sie haben Gastrosuisse die Einsitznahme im Klassifikations-Gremium angeboten. Wie ist die Reaktion auf dieses Angebot ausgefallen?


hotelleriesuisse hat dem Wirteverband GastroSuisse mehrere Vorschläge für eine konstruktive, kundengerechte Zusammenarbeit im Bereich der Hotelklassifikation vorgelegt. Nach vier Verhandlungsrunden, und nach einem Schlichtungsversuch durch die Vermarktungs-Organisation Schweiz Tourismus, hat GastroSuisse mit grossem Medien-Getöse die Einführung einer eigenen Klassifikation angekündigt und somit eine Zusammenarbeit mit hotelleriesuisse abgelehnt. hotelleriesuisse sieht keinen rationalen Grund, weshalb die Zusammenarbeit nicht geklappt hat. Wir vermuten, dass vor allem Verbands- und nicht Brancheninteressen zum Entscheid von GastroSuisse, die Verhandlungen abzubrechen, geführt haben.



«Der Entscheid ist nicht nur für hotelleriesuisse, sondern auch für die gesamte Schweizer Hotellerie sehr wichtig.»  Guglielmo Brentel, Präsident hotelleriesuisse


Die schriftliche Begründung des Urteils steht noch aus. Haben Sie Anhaltspunkte, auf welchen Erwägungen der Einzelrichter sein Urteil gefällt hat?


Die Ausführungen des Einzelrichters vom Zürcher Handelsgericht basieren auf marken- sowie wettbewerbsrechtlichen Erwägungen.


Wie wichtig ist der Entscheid für Ihre Organisation?


Der Entscheid ist nicht nur für hotelleriesuisse, sondern auch für die gesamte Schweizer Hotellerie sehr wichtig. Denn damit erfährt die von hotelleriesuisse seit 27 Jahren mit grossem Aufwand durchgeführte und regelmässig weiter entwickelte Schweizer Hotelklassifikation mit dem international bekannten Sternesymbol nun auch die berechtigte juristische Rückendeckung.


Für die Tausenden von Beherbergungsbetrieben, die nicht nach Ihrem Sterne-System klassifiziert sind, ist das Problem aber nicht gelöst. Wie können die Forderungen dieser Betriebe erfüllt werden?


Damit die Forderungen dieser Betriebe erfüllt werden können, hat die Verbandsleitung von hotelleriesuisse im Februar 2004 beschlossen, die offizielle Hotelklassifikation für alle Betriebe in der Schweiz, unabhängig davon, ob sie GastroSuisse, hotelleriesuisse oder keinem Verband angehören, zu öffnen. Im Zuge dieses Entscheides wurde festgestellt, dass vor allem sehr kleine Betriebe mit weniger als 15 Zimmer bis anhin nicht klassifiziert worden sind. Aus diesem Grund wurde beschlossen, eine neue Klassifikation zu schaffen, welche auf die Bedürfnisse von Kleinstbetrieben zugeschnitten ist. Geschaffen wurde die neue Kategorie «Restotel» mit drei verschiedenen Komfortstufen.


Es handelt sich um eine Ergänzung des bestehenden Klassifikationssystems, zugeschnitten auf kleinere Hotels mit starker Restauration (Restaurants mit kleinem Zimmerangebot). Angesprochen werden insbesondere die in der Schweiz zahlreichen Familienbetriebe mit bis zu 15 Zimmern. Diesen Betrieben soll Gelegenheit geboten werden, ihre Qualitäten darzustellen, ohne allzu viel administrativen Aufwand betreiben zu müssen. Die Einstufung «Kleinbetrieb» stellt einen einfachen Einstieg in die Hotelklassifikation dar. Es stimmt also nicht, dass es marktwillige und marktfähige Beherbergungsbetriebe in der Schweiz gibt, die nicht von unserem vollständigen Klassifikationssystem klassifiziert werden können. Und dies, nota bene, unabhängig von einer Verbandszugehörigkeit!


Im Rahmen der politischen Schwerpunkte dieses Jahres fordert hotelleriesuisse eine verstärkte Koordination der Landeswerbung. Entsprechende Bestrebungen sind auch vom Bundesrat und vom Parlament in Angriff genommen worden. Wie schätzen Sie die entsprechenden Vorstösse ein?


hotelleriesuisse begrüsst die auf Bundesebene gemachten Vorstösse zur Bündelung der Kräfte von staatlichen und halbstaatlichen Institutionen, welche im Bereich der Landeswerbung tätig sind. Eine solche Bündelung ist notwendig, um der Schweiz zu einem wirkungsvollen und schlagkräftigen Auftritt im Ausland zu verhelfen. Zur Diskussion steht nun der vom Nationalrat verabschiedete Vorschlag, bei dem in einem ersten Schritt sowohl im Bereich Aussenhandelsförderung als auch im Bereich Landeswerbung eine Koordination der verschiedenen Organisationen angestrebt wird. In einem zweiten Schritt sollen Abklärungen zur Zusammenführung weiterer Aktivitäten unter einer einheitlichen Marke vorgekehrt werden.


Diese Vorgehensweise ist in unserem Sinn. hotelleriesuisse hat im Bericht «Koordination Landeswerbung» die Variante «Integration Kernbereich» als optimalen und innert realistischer Frist umsetzbaren Weg favorisiert. Dabei würden die Institutionen Präsenz Schweiz, Schweiz Tourismus, Standort:Schweiz und Swissinfo in einer neuen Gesellschaft zusammengeführt. Swissinfo ist nun wegen möglichen rechtlichen Hindernissen ausgeklammert worden. Dies kann akzeptiert werden. Unser Verband hat aber auch gefordert, dass die Kooperationsbestrebungen zwischen ausserhalb des Kernbereichs agierenden Institutionen im Aussenhandel, in der Landwirtschaft und der Kultur konsequent weiterverfolgt werden. Für uns ist wichtig, dass aus dem Projekt «Effizienzsteigerung» nicht ein Projekt «Sparübung» wird ? denn eine effiziente Landeswerbung ist eine Investitionen in den Standort Schweiz.


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hotelleriesuisse hält die heutige Situation im Bereich des Managements und der Finanzierung touristischer Destinationen in der Schweiz für unbefriedigend. Worauf basiert diese Kritik und wo orten Sie den grössten Handlungsbedarf?


Bei der Destinationsbildung muss der Kundenfokus mehr Gewicht erhalten. Einerseits sollen Kooperationen und Fusionen entlang der Dienstleistungskette angestrebt werden. Andererseits soll vermehrt die Nachfrage, eben der Markt bestimmen, wie eine Destination aussehen soll und nicht die politische Grenze. Für einen Gast ist die Gemeinde- oder Kantonsgrenze von zweitrangiger Bedeutung. Vielmehr sucht er sich eine Destination nach den angebotenen Dienstleistungen aus. Auch bei der Finanzierung ist der Hebel anzusetzen. Das Geld soll gebündelt werden und in den Markt anstatt in Strukturen investiert werden. Langfristig soll nach unserer Meinung die Schweiz über maximal 20 ? 25 Destinationen verfügen.



«Im Schweizer Tourismus haben wir aber kein Preis-, sondern ein Kostenproblem.»  Guglielmo Brentel


Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie ist Ihrer Meinung nach nur mit erheblichen Liberalisierungs-Anstrengungen möglich. Welche Anliegen stehen im aussenwirtschaftlichen Bereich im Vordergrund?


Die Hotellerie als einzige standortgebundene Exportindustrie ist von der Diskrepanz zwischen tiefen internationalen Preisen und hohen inländischen Produktionskosten besonders stark betroffen. Das Tourismusland Schweiz befindet sich heute im Wettbewerb mit mehr als 190 anderen Ländern. Dieser globale Konkurrenzkampf zwischen Tourismusdestinationen wirkt sich negativ auf die Preise aus, die für touristische Dienstleistungen verlangt werden können. Demgegenüber ist die Produktion von touristischen Angeboten standortgebunden und kann nicht an einen günstigeren Ort verlagert werden.


Im Schweizer Tourismus haben wir aber kein Preis-, sondern ein Kostenproblem. Es ist für uns eine ausgezeichnete Ausgangslage, dass die Preise in der Schweiz höher sind. Das bedeutet, dass das touristische Produkt Schweiz mit allen harten und weichen Faktoren in den Augen der Kunden einen höheren Wert hat! Es ist die Hochkosteninsel welche dem Ferienland Schweiz schadet! Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Tatsache ist, dass im Alpintourismus die Hotelpreise rund 30% höher sind als im benachbarten Ausland. Wie gesagt, das Problem sind nicht die höheren Preise. Das Problem ist, dass dieser gute Preis uns nicht eine gute Wertschöpfung beschert, sondern dass die  hohen Betriebskosten den ganzen Preis einfach «wegfressen».



«Tatsache ist, dass im Alpintourismus die Hotelpreise rund 30% höher sind als im benachbarten Ausland.» 


Aus diesem Grund leiden der Tourismus im Allgemeinen und die Hotellerie im Speziellen unter der Hochpreis- bzw. Hochkosteninsel Schweiz. Es kann nicht sein, dass ein durchschnittliches Schweizer Hotel für Nahrungsmittel zwischen 30 und 60 Prozent mehr ausgeben muss als ein vergleichbarer Betrieb in Österreich. Berechnungen von Avenir Suisse sowie Brugger Hanser und Partner haben ergeben, dass im Restaurationsbereich der Hotellerie bei den Warenkosten rund 500 Millionen Franken eingespart werden könnten, wenn die Schweiz das Preisniveau der EU hätte. Die Restauration macht in der Hotellerie rund 60 Prozent des Umsatzes aus. Auch im Bereich der Löhne und der Baukosten ist die Schweizer Hotellerie im Vergleich zu unserem Nachbarland benachteiligt.


Deshalb gilt es Massnahmen zu ergreifen, die den hohen Kosten und den Preisen den Kampf ansagen. Dazu gehören die Öffnung der Grenzen und der Abbau von Zollschranken. Ein Freihandelsabkommen Schweiz-EU im Agrar- und Lebensmittelsektor, welches alle vor- und nachgelagerten Branchen umfasst, ist eine mögliche Option. Neben dem Abbau von Zöllen müssen allerdings auch die nicht-tarifären Handelshemmnisse abgebaut werden. Dazu zählen das «Cassis-de-Dijon» Prinzip und die Zulassung von Parallelimporten für Güter bei denen der Marktmechanismus spielt.


hotelleriesuisse hat mit Schweiz Tourismus eine neue strategische Zusammenarbeit vereinbart. Was beinhaltet diese Zusammenarbeit?


hotelleriesuisse hat die Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus auf eine neue Basis gestellt. Zu diesem Zweck soll das Hotelmarketing in den kommenden Jahren konsequent gemeinsam ausgebaut werden. Bis ins Jahr 2012 sollen beispielsweise zehn Hotel-Marketinggruppierungen mit total 800 bis 1000 Hotelpartnern ins Leben gerufen werden. hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus werden die Spezialisierungskriterien dabei gemeinsam definieren. Auch die Marketing- und Klassifikations-Spezialisierungen werden neu aufeinander abgestimmt. Die Themenführerschaft punkto Marketing-Spezialisierungen liegt dabei bei ST, bezüglich der Klassifikations-Spezialisierungen liegt sie bei hotelleriesuisse. Unsere neue Verbandsstrategie «hotelleriesuisse 2012» misst dem Thema Kooperationen grosse Bedeutung zu und wir sind jetzt daran, die Massnahmen umzusetzen, damit die Ziele auch erreicht werden. Wir stehen mit diesem Projekt erst am Anfang. Bis Mitte Jahr werden nun die konkreten strategischen und operativen Massnahmen an einem Workshop erarbeitet.





Zur Person:
Guglielmo Brentel wurde am 22. Juli 1955 geboren, ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt in Altendorf. Brentel verfügt über umfangreiche Erfahrung im Hotel- und Tourismus Bereich. Neben selbständiger Tätigkeit (H&G Hotel Gast AG seit 1989) hat er in zahlreichen Gremien Einsitz genommen:


seit 1994  : Vorstand Welcome Swiss Hotels, 1997 Präsident Welcome Swiss Hotels, 1998 Fusion mit Top International Hotels und Co-Präsident, seit Herbst 1999 Vorstandsmitglied von Swiss Quality Hotels International
seit 1995 : Vorstand Zürcher Hotelier-Verein, seit 1998 Präsident
seit 1995 : Vorstand Zürich Tourismus, seit 2001 Vizepräsident, seit 2004 Präsident a.i.
seit 2004 : Vorstand Schweizer Tourismus-Verband


Zu hotelleriesuisse:
hotelleriesuisse ist die nationale Dachorganisation von 21 regionalen Hoteliervereinigungen und ihrer über 100 Sektionen. hotelleriesuisse zählt 3350 Mitglieder; darunter 2300 Hotels, die insgesamt über 80% der Hotelübernachtungen in der Schweiz generieren. Die Kernaufgaben sind: Hotelklassifikation und Schweizer Hotelführer, politische Interessenvertretung, Gesamtarbeitsvertrag, Beruf und Bildung, Beratung und Herausgabe der hotel+tourismus revue.

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