von Patrick Gunti
Herr Brentel, hotelleriesuisse hat hinsichtlich der Weiterentwicklung der Schweizer Hotelklassifikation eine Gästebefragung über die Gästebedürfnisse der Zukunft durchführen lassen. Lässt sich über die verschiedenen Herkunftsmärkte und Gästekategorien hinweg ein gemeinsamer Nenner finden, wie die Gästebedürfnisse der Zukunft aussehen?
Wer heute in einem Schweizer Hotel übernachtet, hat zu Recht hohe Erwartungen – das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Auch der Gast von morgen hat das Bedürfnis nach einer umfassenden Gastfreundschaft, die auf seine persönlichen Vorlieben und seine spezifische Situation eingeht. Aufgestelltes, motiviertes und kompetentes Personal trägt massgeblich dazu bei, dass sich ein Gast wohl fühlt. Eine wichtige Rolle wird auch in Zukunft die Ausstattung eines Hotels oder eines Zimmers spielen. Allgemein messen die Befragten einer ruhigen Lage oder einem hochwertigen Betten grosse Bedeutung zu. Die Gäste schätzen auch scheinbare Details: Beleuchtung, Anzahl und Position der Steckdosen, genügend Ablageflächen etc. Für mich liegt der Wert der Studie gerade auch darin, dass sie die Wichtigkeit von solchen «Kleinigkeiten» vor Augen führt.
Befragt wurden potenzielle Gäste aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, den USA und der Schweiz. Welche Unterschiede wurden im Ländervergleich deutlich?
Ein solcher Unterschied wird bei der Rolle deutlich, welche die befragten Gäste einem Hotel beimessen. Die Mehrheit sieht das ideale Hotel der Zukunft als Ruhepool, das heisst als einen Ort, an dem man sich erholen und ausruhen kann. Gäste aus Grossbritannien und den USA haben andere Erwartungen: Sie wollen im Hotel ausgelassen feiern und unterhalten werden.
Ein Schwerpunkt der Befragung waren die Hotelthemen. Worauf achtet demnach der Gast von Morgen bei der Buchung?
Geschäftsleute legen verständlicherweise grossen Wert auf Themen wie «Business», «City» oder «High-Tech» – Feriengäste auf «Wellness» und «Familie». Durchs Band stehen «Ausgezeichnete Küche» und «Typically Swiss» bei den Befragten hoch im Kurs. Die «Typically Swiss»-Kampagne, die wir zusammen mit Schweiz Tourismus konzipiert haben, liegt also voll im Trend. Einen hohen Stellenwert nehmen im Weiteren auch Umwelt- und Naturthemen ein.
«Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass unsere Gäste uns als sehr freundlich erleben. Wir sind offenbar zuvorkommender, als wir selbst meinen.» (Guglielmo L. Brentel, Präsident hotellerieuisse)
Worauf achtet der Geschäftsreisende bei der Hotelwahl und worin unterscheidet er sich dabei vom Ferienreisenden?
Geschäftsreisende achten bei der Hotelwahl in erster Linie auf die Infrastruktur. Erst an zweiter Stelle nennen sie Preis und Freundlichkeit des Personals. Für Feriengäste spielt der Preis eine grössere Rolle. Das hängt damit zusammen, dass Geschäftsleute die Hotelkosten in der Regel nicht selbst berappen. Freundlichkeit und Ambiente sind selbstredend für alle Gäste enorm wichtig – über alle untersuchten Länder und alle Sternekategorien hinweg.
Welchen Stellenwert hat bei der Hotelwahl die «Swissness» des Angebots?
Einen sehr grossen. Swissness bedeutet Qualität, aber auch Nähe zur Natur und Nachhaltigkeit. Werte wie Sicherheit, Pünktlichkeit, Authentizität, Tradition und Offenheit gehören ebenfalls zur Swissness. Zu diesen Werten müssen wir Sorge tragen – und sie auch gegenüber dem Gast kommunizieren.
Sie haben es erwähnt, Umwelt- und Naturthemen nehmen bei den Gästen einen immer bedeutenderen Stellenwert ein. Wie können die Schweizer Hotels am besten darauf reagieren?
Nicht nur bei den Gästen, auch bei den Hotels findet ein Umdenken statt. Hier sind etwa die regionalen Benchmark- und Energiespargruppen zu erwähnen, welche unter der Moderation der Energieagentur der Wirtschaft ihre Energieffizienz steigern und den CO2-Ausstoss reduzieren. Aber auch wir von hotelleriesuisse engagieren uns seit Jahren auf verschiedene Weise in diesem Bereich. Wir wollen unsere Mitglieder für das Thema sensibilisieren und informieren. Dazu gehört zum Beispiel auch der Tourismuspreis Milestone, der dieses Jahr zum ersten Mal ein Projekt im Bereich Nachhaltigkeit auszeichnete.
Kurz: Ich sehe unser Problem weniger auf der Ebene der Massnahmen, als vielmehr auf der kommunikativen Ebene. Gerne gebe ich Ihnen ein Beispiel: Toiletten mit einer zweiten – Wasser sparenden – Spülfunktion gibt es bei uns schon seit Langem. In Vail, Colorado, kennt man solche WCs erst seit Kurzem – nichtsdestotrotz transportierten die Medien diese «Neuerung» rund um den Globus. Wir machen hierzulande zwar mehr, sprechen aber nicht darüber. In Zukunft müssen wir unseren Gästen noch viel deutlicher zeigen, welche Massnahmen wir zum Schutz der Natur ergreifen und vor allem bereits ergriffen haben.
Immer wichtiger werden der Befragung zufolge die weichen Faktoren wie Atmosphäre oder Freundlichkeit des Personals. Wie gut ist die Schweizer Hotellerie in dieser Hinsicht für die Zukunft gerüstet?
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass unsere Gäste uns als sehr freundlich erleben. Wir sind offenbar zuvorkommender, als wir selbst meinen. Im Vorfeld der Euro 08 haben wir bei der Gastgeber-Kampagne erlebt, wie schwer sich die Schweiz mit diesem Thema tut. Freundlichkeit ist halt sehr schwer fassbar, lässt sich nicht objektiv beurteilen und erst recht nicht verordnen. In ihr liegt das Geheimnis echter Gastfreundschaft.
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Wie präsentiert sich anhand der Resultate der Befragung das ideale Hotel der Zukunft?
Das ideale Hotel der Zukunft versucht nicht krampfhaft, es allen recht zu machen. Frei nach Antoine de Saint-Exupéry gilt auch hier: Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, sämtliche Gästebedürfnisse befriedigen zu wollen. Ruhebedürftige haben nun einmal andere Vorstellungen als Zwanzigjährige in Festlaune. Hotels in Städten haben andere Vorzüge als Hotels in den Bergen. Und historisch wertvolle Hotelzimmer entsprechen nicht jedem Geschmack. Das A und O sind eine klare Positionierung des Angebots und eine gute Vermarktung. Jeder Hotelier muss sich die Frage stellen: Welche Gäste möchte ich von meinem Angebot begeistern? Dazu gehört dann auch, dass ich auf die oben erwähnten «Kleinigkeiten» Wert lege – weil die für meine Gäste wichtig sind.
Haben die Resultate der Gästebefragung für Sie ein Überraschungspotenzial oder sind sie nur eine Bestätigung von bisherigen Erkenntnissen?
Die Studie überzeugt durch ihren hohen Detaillierungsgrad und gibt zahlreiche Anhaltspunkte für Verbesserungen. Aus der Studie können sowohl die Hoteliers als auch wir als Verband wichtige Schlüsse ziehen. Lehrreich für mich war die präzise Analyse nach Ländern, wo auch kulturelle Unterschiede deutlich werden. Interessant fand ich auch, dass sich die Bedürfnisse von Geschäftsreisenden und Feriengästen so wenig unterscheiden. Viele Aussagen der Gäste bestätigen auch Trends, die bekannt sind und auf die wir – zum Beispiel mit der «Typically Swiss»-Kampagne – bereits eine Antwort parat haben.
Die Resultate dieser Marktforschung fliessen in die Überarbeitung der Schweizer Hotelklassifikation ein, die vom Verband im Frühling beschlossen wurde. Welches sind nun die nächsten Schritte?
Damit die Schweizer Hotelklassifikation fit für die Zukunft ist, werden ihre Normen im 5-Jahres-Rhythmus überarbeitet. Die genannten Marktforschungsresultate bilden eine wichtige Basis für die bevorstehende Revisionsrunde. In einem nächsten Schritt werden nun die Empfehlungen der Marktforschung gewichtet und – wo sinnvoll und machbar – in den Kriterienkatalog aufgenommen.
«Auch ein Top-Hotel mit einer Top-Kundenbindung und einem Top-Marketing ist auf günstige Wechselkurse, eine gute Wirtschaftslage und schönes Wetter angewiesen.»
Was wird sich mit der Neustrukturierung der Hotelklassifikation verändern?
Die Aufgaben, die mit der Hotelklassifikation zusammen hängen, sind extrem umfangreich und komplex. Aus diesem Grund wurde die Aufgabenteilung neu definiert – die Hotelklassifikation funktioniert per 1. Januar nach dem Prinzip der Gewaltentrennung. Die «Unabhängige Rekursinstanz» beurteilt eingegangene Rekurse, der «Nationale Auditorenpool NAP» prüft die Normenumsetzung bei den klassierten Hotels und die «Expertengruppe Normenrevision» ist zuständig für die Revisionen der Klassifikationsnormen.
Mit dieser Neuorganisation will hotelleriesuisse die Unabhängigkeit der Hotelklassifikation vom Verband stärken, das Milizsystem weiter professionalisieren, den administrativen Aufwand verringern und damit die Abläufe beschleunigen.
Wie viele Mitglieder-Betriebe von hotelleriesuisse sind derzeit klassiert?
Wir haben 3’200 Mitglieder, davon sind rund 2’300 Hotels. Die von hotelleriesuisse klassierten Betriebe generieren rund 80 Prozent der Logiernächte in der Schweiz. Diese Zahl zeigt deutlich, wie wichtig die Klassifikation und die Hotelsterne sind. Auch Nicht-Mitglieder können sich übrigens klassieren lassen. Die Schweizer Hotelklassifikation von hotelleriesuisse ist ein offenes System. Und was vielfach vergessen geht: Mit 1’000 Betrieben bilden die 3-Sterne-Häuser das starke Rückgrat der Schweizer Hotellerie.
Letzte Frage: Die weltweite Finanzkrise und der Konjunkturabschwung werden an der Schweizer Hotellerie nicht spurlos vorübergehen. Schweiz Tourismus erwartet bereits für die kommende Wintersaison einen Rückgang der Anzahl Hotelübernachtungen um 2,4 %. Wie ist die Schweizer Hotellerie nach einem Rekordjahr darauf vorbereitet?
Es ist uns sehr bewusst, dass wir in hohem Mass von äusseren Rahmenbedingungen abhängig sind. Auch ein Top-Hotel mit einer Top-Kundenbindung und einem Top-Marketing ist auf günstige Wechselkurse, eine gute Wirtschaftslage und schönes Wetter angewiesen. Auf die Schweizer Hotellerie wirkt sich insbesondere die überhöhten Kosten negativ aus. Auf der politischen Agenda von hotelleriesuisse steht deshalb der Kampf gegen die Hochkosten- und Hochpreisinsel Schweiz ganz oben. Auch wenn sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren stark verbessert hat, bleibt noch viel zu tun. Der einzelne Hotelier kann hier aber wenig bewirken. Er muss sich auf seine Gäste, auf seine Mitarbeitenden und auf ein optimales Preis-Leistungsverhältnis konzentrieren. Die Hotellerie in der Schweiz hat in den letzten Jahren viel investiert und ist somit auf härtere Zeiten vorbereitet. Wir müssen konsequent auf Qualität setzen. Als Hochkostenland wäre es für die Schweiz ganz falsch, sich am internationalen Preiskampf zu beteiligen. Unsere Aufgabe liegt vielmehr darin, das beste Preis-Leistungsverhältnis zu bieten. Ich bin sicher, dass es der Schweizer Hotellerie gelingt, die Gäste vom Motto «Schweiz statt Geiz» zu überzeugen.
Herr Brentel, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Name: Guglielmo L. Brentel
Nationalität: Schweizer
Alter: 53
Zivilstand: verheiratet, zwei Kinder
Funktion: Hotelunternehmer, Präsident hotelleriesuisse
Ausbildung: Nach der kaufmännischen Berufslehre Besuch der Ecole Hôtelière de Lausanne (1974-1978) und der Cornell University, Ithaka N.Y., School of Hoteladministration (1979).
Berufliche Stationen:
-Inhaber der H&G Hotel Gast AG (seit 1989), vorher Stationen bei der
-CEM Management AG, Zürich (1986-1989), bei Swissôtel, Swissair-Nestlé Hotels AG (1981-1986) und im Hotel Crillon in Lima, Peru (1978-1981)sowie diverse Pratikas im Hotel Metropole in Interlaken und im Hotel Dellavalle in Brione s/Minusio (1974 -1978).