Vorreiter ist die Post, dank der man nun per SMS einfach Geld von einem Postcheckkonto auf ein anderes überweisen kann. Zwar kann man in der Schweiz da und dort ein Getränk mittels Handyzahlung am Automaten beziehen oder ein digitales SBB-Billett auf dem Handy mit sich herumtragen. Als Portemonnaie oder gar Kreditkartenersatz lässt sich das Mobiltelefon in der Schweiz bisher aber kaum nutzen.
Japan ist Europa weit voraus
Beim Mobile Payment sind uns die Japaner weit voraus. Bereits vor fünf Jahren wurde dort Osaifu-Keitai – die mobile Brieftasche – eingeführt. Egal ob die Japaner Bus fahren, eine Zeitung kaufen oder das Fitnessstudio besuchen: Sie halten einfach das Handy auf ein Lesegerät, um zu bezahlen oder sich auszuweisen. Die Informationen werden berührungslos innert einer Sekunde über Funk ausgetauscht. Die Reichweite der Funktechnik Near Field Communication (NFC) beträgt nur wenige Zentimeter, was die Sicherheit erhöht. Bei Transaktionen mit grösseren Beträgen müssen die Handybesitzer zusätzlich einen nur ihnen bekannten Code eintippen.
Was in Japan Alltag ist, kommt gemächlich nach Europa. Vor allem Frankreich ist entschlossen, den Vorsprung der Asiaten aufzuholen. In Strassburg wurde ein Feldtest, bei dem 1’000 Kunden in 200 Läden mit dem Handy bezahlen konnten, erfolgreich abgeschlossen. Nun wird des Mobile Payment landesweit umgesetzt und NFC bald an den Kassen der grossen Warenhausketten unterstützt.
Zürich testet erfolgreich
Erste positive Erfahrungen mit NFC hat man auch schon in der Schweiz. Im Herbst letzten Jahres haben ein halbes Dutzend Unternehmen aus der Kreditkarten-, Bank- und Kommunikationsbranche in Zürich einen Testbetrieb durchgeführt. 150 Mitarbeiter wurden mit einem speziellen Handy ausgestattet und konnten in den Firmenkantinen bargeldlos bezahlen. Am Pilotprojekt war auch Swisscom beteiligt, deren Sprecher Olaf Schulze erste Resultate kennt: «Die Technik hat sich bewährt, und die Nutzer haben vor allem geschätzt, dass der Bezahlvorgang schnell und einfach vonstatten geht. Im Test hat sich vor allem auch die offene Lösung bewährt. Die bezahlten Beträge erscheinen letztlich einfach auf der Kreditkartenabrechnung der Handybesitzer.»
Bisher viele Insellösungen
Zwar können Handybesitzer in der Schweiz schon heute ihr Telefon zum Bezahlen von Dienstleistungen oder als elektronisches Ticket nutzen. So werden beispielsweise beim Kinofestival von Orange die Tickets als Bildmitteilung auf das Handy geschickt. Ein optischer Leser am Eingang identifiziert dann den Strichcode. Auch die SBB bietet seit längerem Handytickets an. Diese müssen via Internet gebucht und per Kreditkarte bezahlt werden. Auch hier wird eine codierte Grafik an das Handy geschickt und vom Kondukteur mit einem speziellen Lesegerät vom Telefonbildschirm abgelesen.
An rund 200 Verpflegungsautomaten in Bern und Zürich kann man ferner seit Jahren per Handy Snacks und Getränke bezahlen. Dazu wird am Handy die Automatennummer eingetippt und per SMS abgeschickt. Der Automat erhält dadurch eine Freischaltung für den Warenbezug. Die Kosten der Zwischenmahlzeit werden dann über die Handyrechnung einkassiert. Mit ähnlichen Lösungen lassen sich auch Parkplätze bezahlen oder bei Hofläden Blumen und Eier kaufen. Allerdings sind alle diese Lösungen individuell. Der Nutzer muss sich jedes Mal mit einer anderen Prozedur vertraut machen und teilweise steht der Dienst nur Kunden zur Verfügung, die ihr Handyabo bei einem bestimmten Anbieter haben.
Geldüberweisung per Handy
In Zukunft soll das Handy aber auch in der Schweiz einfacher als Portemonnaie nutzbar sein. Einen Vorgeschmack liefert ein direktes Zahlungssystem, das seit wenigen Tagen Besitzern eines Postcheckkontos zur Verfügung steht. Wer sein Handy mit seinem Konto verknüpft hat, kann beispielsweise einfach die Kurzmitteilung «Zahle Franken 20 an 24-9779-8» eintippen – und schon wird der Betrag auf das entsprechende Postscheckkonto überwiesen. Der Empfänger erhält sofort eine SMS mit der Bestätigung der Zahlung, sofern sein Konto ebenfalls mit einer Handynummer verknüpft ist.
100 Franken pro Tag und Empfänger
Wer also abends ausgebrannt und bargeldlos in einer Bar sitzt, kann so per Handy dem Barbesitzer 20 CHF überweisen. Auch unzählige andere Kleingeschäfte lassen sich so einfach und bargeldlos regeln. Um Missbrauch zu verhindern, können pro Tag und Empfänger maximal 100 CHF überwiesen werden. Die Zahlungen lassen sich ferner jederzeit nachverfolgen. Doch auch dieses Mobile Payment ist auf Postfinance-Kunden eingeschränkt.
Zusammenarbeit der Mobilfunk-Anbieter
Die Mobilfunkanbieter planen deshalb eine für alle offene und einfache Lösungen: «Will Mobile Payment erfolgreich sein, muss es allen Nutzern und Anbietern mit einfachen, standardisierten Verfahren zur Verfügung stehen», meint Uwe Raulf, der bei Orange neue Lösungen für das elektronische Portemonnaie plant.
Arbeitsgruppe gegründet
Dazu ist eine Zusammenarbeit von allen Partnern erforderlich. «Swisscom, Sunrise und Orange haben deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, die bis Ende 2010 erste Lösungen für mobiles Payment bringen will. Selbstverständlich werden dabei auch Finanzdienstleister und der Handel eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend ist ferner, dass für die Kunden günstige Handys verfügbar sind, welche NFC unterstützen», erklärt Raulf weiter. Near Field Communication – kurz NFC – wird Voraussetzung für das Schweizer Handy-Portemonnaie sein. Ein Chip im Telefon kommuniziert drahtlos und verschlüsselt mit der Zahlstelle. Statt eine Kreditkarte durch einen Leseschlitz zu ziehen, hält man einfach das Telefon auf das Lesegerät. Ob dadurch dann auch gleich der Kassenzettel auf dem Handy gespeichert wird, ist noch offen.
Kreditkarten-Firmen wollen auch
Die Handyindustrie muss sich allerdings sputen, will sie dem Handy als Portemonnaie noch zum Durchbruch verhelfen. Denn inzwischen haben auch die Kreditkartenfirmen die drahtlose Technik entdeckt. Sie wollen ihre Plastikkarten demnächst ebenfalls mit dem nötigen Funkchip ausstatten. Dabei wird wohl ebenfalls der NFC-Standard verwendet. Vermutlich werden sich also bald Kreditkarte und Handy den Job als Osaifu-Keitai teilen. (awp/mc/pg/25)