Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Hess, die Hexagon AB hat am 27. Juni ein formelles Übernahmeangebot für Leica Geosystems gemacht. Der Verwaltungsrat lehnt das Angebot ab mit der Begründung, dass das Hexagon-Angebot nicht den tatsächlichen Wert des Unternehmens und sein hervorragendes Wachstumspotenzial widerspiegelt. Welche Werte werden von Hexagon zu wenig gewürdigt und in welchen Bereichen müsste ein Angebot liegen, das den Verwaltungsrat umstimmen könnte?
Hans Hess: Der von Hexagon gebotene Preis von CHF 440 widerspiegelt in keiner Art und Weise den fairen und vollen Wert von Leica Geosystems. Das Unternehmen kann kurz-, mittel- und langfristig mehr Wert für seine Aktionäre schaffen. Ebenso ist die von Hexagon dargestellte industrielle Logik einer Verbindung der beiden Unternehmen für uns nicht nachvollziehbar: Als fokussiertes Unternehmen hat die Leica Geosystems hervorragende Wachstumschancen; in fast allen unseren Märkten sind wir Nummer Eins oder Zwei und haben eine volle Produktpipeline.
Sie konnten am 9. Juni ein sehr gutes Ergebnis präsentieren. Den Gewinn fast verzehnfacht (von 5.6 auf 50.6 Millionen Franken), den Umsatz um 12.2 Prozent auf 773.2 Millionen Franken gesteigert und erstmals die Ausschüttung einer Dividende von 4 Franken pro Aktie vorgeschlagen. Was sind die Gründe für diese positive Entwicklung?
Das amerikanische Ministerium für Arbeit hat kürzlich die Geotechnologie als eine der drei grossen Wachstumsbranchen bezeichnet, neben der Biotechnologie und der Nanotechnologie. Leica Geosystems hat sich in dieser interessanten Branche mit ihrem breiten Angebot an Sensorik und Software zum Markt- und Technologieführer entwickelt. Wir haben die Branchenentwicklung in Richtung der margenträchtigen Sektoren Dienstleistungen und Software frühzeitig erkannt und die nötigen Schritte eingeleitet, um das Unternehmen optimal zu positionieren.
Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2007 eine EBITDA-Marge von 18 % und im Geschäftsjahr 2009 eine EBITDA-Marge von 20 % erreichen werden. Basierend auf dieser Annahme sind wir überzeugt, dass wir in den nächsten vier Jahren einen freien Cashflow von insgesamt CHF 300 Millionen erwirtschaften können. Deshalb hat der Verwaltungsrat beschlossen, in den nächsten zwölf Monaten CHF 100 Millionen den Aktionären in Form eines Aktienrückkaufes zurückzugeben. Hans Hess, CEO Leica Geosystems
Gleichzeitig mit dem Ergebnis gaben Sie nach zehn Jahren an der Spitze von Leica Geosystems den Rücktritt als CEO bekannt und wollen sich auf Ihr Verwaltungsratsmandat konzentrieren. Die Suche eines neuen CEO’s soll im Herbst bestimmt werden. Das sieht nicht gerade nach einer sorgfältig geplanten Übergabe aus. Wieso der überraschende Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt?
Das ist kein überraschender Rücktritt, ich fasste meinen Entschluss schon vor längerer Zeit und wollte ihn zu einem günstigen Zeitpunkt kommunizieren – bei der Vorstellung der ausgezeichneten Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2004/2005. Niemand rechnete damals mit dem Übernahmeangebot.
Nicht, dass es mir bei Leica Geosystems nicht mehr gefallen würde. Aber ich will auf keinen Fall zu den Sesselklebern gehören, nur weil es angenehm wäre. Es ist natürlich unmöglich, zurzeit die Suche nach einem Nachfolger fortzuführen, solange dieser nicht weiss, ob er CEO von Leica Geosystems würde oder allenfalls nur Divisionsleiter innerhalb der Hexagon. Ich werde deshalb so lange CEO bleiben, bis eine geordnete Stabsübergabe möglich sein wird. Wir werden intern und extern die möglichen Kandidaten anschauen und die beste Lösung für Leica Geosystems finden.
Mit fünfzig Jahren und Ihrer Erfahrung als Leiter eines erfolgreichen Technologieunternehmens, einem erfolgreich durchgeführten Börsenganges (Leica im Jahre 2000) stehen Ihnen für weitere Aufgaben sicher viele Türen offen. Welche Pläne haben Sie nach Ihrem Rücktritt als CEO, welche strategischen und operativen Aufgaben reizen Sie?
Ich stehe Leica Geosystems als Verwaltungsrat zur Verfügung, solange mich das Unternehmen braucht oder will. Über weitere Pläne will ich mich heute nicht äussern. Vorerst bleibe ich als CEO der Leica Geosystems noch für einige Monate stark gefordert. Sicher werde ich in Zukunft wieder etwas Spannendes machen, bei dem ich meine Erfahrungen in global tätigen Technologieunternehmen und in der Arbeit mit öffentlichen und privaten Investoren voll einbringen kann.
Mit «Stanley Works» wollen Sie ein Laser Distanzmessgerät für den US-Heimwerkermarkt entwickeln. Wird es dieses Gerät auch in Europa geben, oder ist der Markt hier zu klein?
Wir haben vor kurzem angekündigt, dass wir im Herbst die nächste Generation von Handlaser-Metern, so genannte Disto-Produkte, weltweit auf den Markt bringen werden. Dieses Geschäft ist mit einer EBITDA-Marge von 24 % unser profitabelster Bereich. In Europa verfügen wir bereits über eine gute Marktdurchdringung. Zusammen mit Stanley wollen wir nun in den USA nicht nur den professionellen Markt erobern, sondern gleich auch den Heimwerkermarkt.
Gibt es weitere konkrete Ideen für Anwendungen im Bereich des Heimwerkermarktes oder des breiten Massenmarktes?
Leica Geosystems hat viele neue Ideen. Wir sind ein Technologieführer und verfügen über mehr als 1000 Patente. Im Geschäftsjahr 2004/2005 wurden mehr als 50% des Umsatzes mit Produkten erzielt, die seit weniger als 12 Monaten auf dem Markt sind. Viele weitere Produkte werden folgen.
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Die finanziellen Aussichten für Leica sind auch für das kommende Jahr positiv, die Erwartungen der Analysten zuversichtlich. Welche Prognosen bezüglich Umsatz, Gewinn und Dividende können Sie unterstützen?
Wir haben soeben unsere mittelfristige Finanzplanung bis ins Jahr 2009 fortgeschrieben. Darin sagen wir, dass unser 10%iges Wachstum nicht nur – wie bisher bekannt – im Geschäftsjahr 2006 und 2007 andauern wird. Wir sind vielmehr überzeugt, dass wir darüber hinaus für mindestens zwei weitere Jahre mit durchschnittlich 10% pro Jahr weiter wachsen werden. Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2007 eine EBITDA-Marge von 18 % und im Geschäftsjahr 2009 eine EBITDA-Marge von 20 % erreichen werden. Basierend auf dieser Annahme sind wir überzeugt, dass wir in den nächsten vier Jahren einen freien Cashflow von insgesamt CHF 300 Millionen erwirtschaften können. Deshalb hat der Verwaltungsrat beschlossen, in den nächsten zwölf Monaten CHF 100 Millionen den Aktionären in Form eines Aktienrückkaufes zurückzugeben.
Im Bereich der Vermessungsgeräte haben Sie eine führende Stellung auf dem Weltmarkt erreicht. Bei der immer wichtiger werdenden Vermessungssoftware gibt es einen Nachholbedarf. Der Anteil am Umsatz aus dem Verkauf von Geräten Umsatzes soll in den nächsten Jahren von 80% auf 65% gesenkt werden zugunsten des Anteiles an Software und Dienstleistungen. Welche konkreten Massnahmen treffen Sie, um dieses Ziel zu erreichen?
Unser ganzes Unternehmen bewegt sich eindeutig in diese Richtung, einleitende Massnahmen haben wir schon vor Jahren getroffen. Wir stellen selbst Software her und werden dies in Zukunft noch verstärkt tun. Ausserdem gehen wir strategische Partnerschaften mit Softwareentwicklern ein – auch dies wird in den kommenden Jahren ein Hauptfokus unserer Strategen sein. Die Nominierung von Sergio Giacoletto von Oracle in den Verwaltungsrat von Leica Geosystems sehe ich als ein klares Bekenntnis zu dieser Entwicklung.&
Im Januar 2005 gaben Sie die Eröffnung der neuen Niederlassung der Division «Surveying & Engineering» in Singapur bekannt. Mit dem Hinweis auf die höchst qualifizierten Arbeitskräfte und die effiziente Handelsinfrastruktur wird Singapur die weltweite Zentrale für Nivelliergeräte sein und es wurde ein Ausbau der Arbeitsplätze von 70 auf 130 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt. Wie beurteilen Sie im Vergleich die Attraktivität zwischen dem Standort Heerbrugg und Singapur, wo werden in Zukunft welche Chancen wahrgenommen und welche Arbeitsplätze entstehen?
Beides sind äusserst wichtige Standorte für Leica Geosystems. Direkt vergleichen kann man sie aber nicht. In Heerbrugg werden weiterhin die High-End-Produkte entstehen. Für den asiatischen Markt sehen wir vor allem bei den Mid-Range-Produkten ein grosses Wachstumspotenzial. Die Produktionsstätte vor Ort – deren Arbeitsplätze auch eher in diesem Bereich anzusiedeln sind – wird uns helfen, dieses voll auszuschöpfen.
Welche Rahmenbedingungen müssen in der Schweiz verbessert werden, damit die Standortattraktivität für Technologieunternehmen wie die Leica Geosystems gesteigert oder zumindest erhalten werden kann?
Die Schweiz bietet im Grossen und Ganzen gute Rahmenbedingungen für Technologieunternehmen. Vor allem die Forschung und Entwicklung, aber auch das Assemblieren hochqualitativer Lösungen – der gesamte High-Tech-Sektor – ist in der Schweiz sehr gut aufgehoben. Solche Arbeitsplätze werden der Branche auch weiterhin erhalten bleiben, da bin ich sicher. Hingegen ist es wichtig, dass die Kosten im Binnenmarkt durch entsprechende Öffnung europaweit konkurrenzfähig werden. Und es ist unabdingbar, dass die Bilateralen Verträge mit der Europäischen Union am 25. September nicht nur bestätigt, sondern auch weiter ausgebaut werden.
Sie haben weiterhin ambitiöse Wachstumsziele und eine gesunde Finanzbasis. Wollen Sie in nächster Zeit rein organisch wachsen oder werden Sie sich das Wachstum teilweise auch erkaufen und gibt es hier Wunschkandidaten zur Übernahme?
Leica Geosystems wird hauptsächlich organisch wachsen. Daneben wollen wir aber auch gezielte Akquisitionen im Bereich Software und Solutions tätigen, die unsere Strategie beschleunigen und unsere Marktposition in attraktiven Segmenten weiter stärken.
Zum Schluss haben Sie noch einen Wunsch frei, wie sieht dieser aus?
Für Leica Geosystems wünsche ich mir, dass es als selbstständiges Unternehmen weiterhin deutliche Mehrwerte für unsere Kunden, unsere Aktionäre und unsere Mitarbeitenden erwirtschaften kann.
Hans Hess
Jahgang 1955
Delegierter des Verwaltungsrates der Leica Geosystems und Chief Executive Officer (CEO), trat 1989 in die Leica Gruppe als Leiter des Geschäftsbereiches Medizinal- und Stereo-Mikroskopie ein. Von 1993 bis 1996 war er Leiter der Optronics Group von Leica Geosystems.
1996 wurde Hans Hess zum CEO von Leica Geosystems ernannt, welche er 1997 rechtlich verselbständigte und nach einem Leverage Buyout mit Investcorp 1998 im Jahr 2000 an die Schweizer Börse SWX brachte. Seit 1999 ist er auch Delegierter des Verwaltungsrates von Leica Geosystems.
Vor seiner Berufslaufbahn innerhalb der Leica Gruppe war Hans Hess als Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei Gebr. Sulzer AG und später als Produktionsleiter und Geschäftsbereichsleiter bei Huber & Suhner AG tätig.
Hans Hess hält einen Abschluss als Dipl.-Werkstoffingenieur der ETH Zürich und einen Master Degree in Business Administration (MBA) der University of Southern California. Im Mai 2001 wurde Hans Hess von der Ferris State University in Michigan mit einem Ehrendoktortitel (Dr. h.c. Business & Industry) ausgezeichnet. Hans Hess ist Generalstabsoberst und ehemaliger Kommandant eines Infanterie-Regimentes in der Schweizer Armee.
Leica Geosystems
ist Pionier und Marktführer bei der Entwicklung von innovativen Lösungen zur Vermessung der Welt.
Das Unternehmen ist bei professionellen Anwendern weltweit bestens bekannt für seine grosse Auswahl an Produkten und Lösungen zur genauen Erfassung, einfachen Analyse, schnellen Modellierung und Präsentation räumlicher Daten ? auch in 3D.
Schon seit mehr als 200 Jahren schätzen Fachleute die Geräte von Leica Geosystems für ihre Zuverlässigkeit, Produktivität und hervorragende Kundenbetreuung.
Der Hauptsitz von Leica Geosystems befindet sich in der Schweiz. Weltweit werden mehr als 100?000 Kunden von über 2.400 Mitarbeitern in den 23 strategisch wichtigen Märkten und von Vertretungen in 120 weiteren Ländern betreut. Namensaktien von Leica Geosystems sind an der Schweizer Börse SWX in Zürich notiert.