von Patrick Gunti
Herr Bigler, der sgv wehrt sich vehement gegen immer neue Belastungen für die KMU. So bekämpfen Sie z.B. seit Monaten die Doppelbelastung für gewerbliche Betriebe durch Billag-Gebühren. Welches Echo haben die Aktionen des sgv ausgelöst?
Unsere KMU werden durch die Billag doppelt zur Kasse gebeten: die Gewerbetreibenden und die Mitarbeitenden in den Betrieben zahlen alle ihre private Radio- und TV-Gebühr. Dass nun zusätzlich in den Betrieben ein zweites Mal bezahlt werden soll, ist für den sgv nicht nachvollziehbar, zumal ein KMU weder TV schauen noch Radio hören kann. An unserer KMU-Basis brodelt es in dieser Frage und wir werden täglich zahlreich dazu aufgefordert, dem Gebührenwahnsinn und dem arroganten Auftreten der Billag-Funktionäre ein Ende zu bereiten. Als Hilfestellung haben wir für unsere KMU verschiedene Musterbriefe, Anleitungen zu Billag-Hausverboten und Plakate auf unserer Homepage aufgeschaltet.
Welche Erfolge konnten Sie in dieser Angelegenheit bisher verbuchen?
Die Schweizerische Gewerbekammer ? das Parlament des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv ? hat bereits am 27. Januar 2010 eine Resolution mit dem Titel «Schluss mit dem Gebührenwahnsinn von Billag und SUISA» verabschiedet. Zusammenfassend fordert der sgv, dass sich der Bundesrat endlich zur administrativen Entlastung der KMU bekennt und ungerechtfertigte Gebühren abschafft. Die KMU müssen von dieser doppelten Gebührenbelastung befreit werden. Gebührenforderungen dürfen zudem nicht rückwirkend auf mehrere Jahre eingefordert werden, so dass unsere KMU von der vielseits gerühmten Rechtssicherheit auch effektiv profitieren können. Verwaltungskosten und Effizienz der Gebührenerhebungsstelle müssen gründlich überprüft werden.
«Vielfach sind die administrativen Belastungen nicht auf den ersten Blick in einem Gesetz ersichtlich.» Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweiz. Gewerbeverband
Waren Sie in Kontakt mit der Billag selber?
Der sgv konnte sich mit der Billag mündlich dahingehend einigen, dass die Billag keine Radio- und TV-Gebühren mehr in Rechnung stellt, die vor dem 1. Januar 2009 entstanden sind. Obschon versprochen, fehlt eine entsprechende schriftliche Bestätigung von Billag-VR-Präsident Werner Marti jedoch bis heute. Immerhin hat der Bundesrat in der Fragestunde der Frühlingssession eine Anfrage von NR Adrian Amstutz im gleichen Sinne beantwortet. Eine Änderung der entsprechenden Verordnung bleibt aber notwendig, will man nicht dem guten Willen der Gebührenbehörden auf Dauer ausgesetzt sein.
Welches sind die nächsten Schritte?
Um unsere Forderungen durchzusetzen, wurden in der Frühlingssession verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht, die allesamt auf die Umsetzung der vom sgv beschlossenen Resolution zielen.
Der sgv richtet sein Augenmerk auch vermehrt auf die Einhaltung des Legalitätsprinzips. Jedes staatliche Handeln bedarf demgemäss einer gültigen Rechtsgrundlage. Die Billag hat keine gesetzliche Kompetenz für ihre Inspektorentätigkeit. Von Inspektoren ist weder im Gesetz noch in der damaligen Botschaft des Bundesrats die Rede. Die Billag handelt somit ohne Rechtsgrundlage. Der sgv fordert deshalb, dass die Billag sämtliche Aussendienstarbeiten, die nota bene von den Gebührenzahlern finanziert werden, umgehend einstellt und das dadurch gewonnene Geld den Gebührenzahler vergütet.
Die Billag-Gebühren sind nur ein Bereich der vom sgv kritisierten als «Abzockerei des Staates» kritisierten, zunehmenden Belastungen für KMU. Welche Gesetze, Verfügungen und Massnahmen haben Sie ausserdem im Visier?
Vielfach sind die administrativen Belastungen nicht auf den ersten Blick in einem Gesetz ersichtlich. Beispielhaft sei die Limite im Rechnungslegungsrecht erwähnt, ab der für die KMU die Pflicht zur ordentlichen Revision entsteht. Der Ständerat hat kürzlich beschlossen, diese Limite markant nach oben zu erhöhen. Damit werden tausende von KMU massgeblich hinsichtlich administrativer Aufwendungen entlastet. An Hand dieses eindrücklichen Beispiels sei dokumentiert, dass wir grundsätzlich alle politischen Vorstösse aus dieser Optik «scannen».
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Der sgv macht die Rolle der KMU als Konjunkturpuffer geltend und fordert nicht nur weniger Belastungen, sondern auch mehr Respekt vor den von der gewerblichen Wirtschaft erbrachten Leistungen. Was sind für Sie die Gründe für diesen mangelnden Respekt?
Die KMU ? das Rückgrat der Schweizer Volkswirtschaft ? nehmen sowohl gesellschafts- als auch sozialpolitische Verantwortung wahr. Sie erfüllen ohne viel Aufhebens und mit Bodenhaftung ihren Auftrag. Die mittelständischen Patrons stellen Tag für Tag ihre Frau beziehungsweise ihren Mann und sichern damit Arbeitsplätze und bilden notabene 70 Prozent aller Lehrlinge in unserem Land aus. Ebensowenig finden sich in der KMU-Wirtschaft Abzocker. Trotzdem werden die KMU vom Staat immer wieder neu mit fiskalischen und administrativen Belastungen zur Kasse gebeten. Über die Gründe zu spekulieren, die zur Ausblendung dieser Fakten führen, ist müssig.
Wie aber gehen Sie dagegen an?
Wir reagieren darauf mit einer intensivierten Kommunikation und lancieren unsere Print-Produkte neu: ab Freitag erscheinen die «Schweizerische Gewerbezeitung sgz» und das «journal des arts et métiers jam» neu in einer Gesamtauflage von 150`000 Exemplaren. Unsere Zeitungen unterscheiden sich dabei bewusst und deutlich von den meisten anderen Publikationen im Schweizer Blätterwald. Sie tun dies, indem sie Woche für Woche pointiert bürgerlich zum politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen berichten. Die sgz und das jam nehmen Wirtschaft und Politik aus der Optik des liberalen Gedankengutes unter die Lupe ? in der heutigen Schweizer Medienlandschaft eine Seltenheit.
«Es kann nicht angehen, dass sämtliche 180’000 Aktiengesellschaften und somit zahlreiche KMU und Familienbetriebe durch Überregulierungen die Zeche für die Fehler und Auswüchse bezahlen müssen, die in Grossunternehmen gemacht worden sind.»
Sie haben vor einigen Wochen in einem Interview gesagt, in Sachen «Abzocker-Initiative» warte der sgv jetzt gelassen ab. Mittlerweile hat der Nationalrat der Initiative einen milderen Gegenvorschlag zur Seite gestellt und dem Stimmvolk beide Vorlagen zur Annahme empfohlen. Wie beurteilen Sie diesen Entscheid?
In der vorläufigen Lagebeurteilung des sgv zur Minder-Initiative ist vorerst in erster Linie entscheidend, dass sich die neuen Regeln auf die rund 270 börsenkotierten Unternehmen beschränken. Es kann nicht angehen, dass sämtliche 180’000 Aktiengesellschaften und somit zahlreiche KMU und Familienbetriebe durch Überregulierungen die Zeche für die Fehler und Auswüchse bezahlen müssen, die in Grossunternehmen gemacht worden sind.
Sachlich gesehen müsste eigentlich die Lösung auf gesetzlicher Ebene gefunden werden, was für einen indirekten Gegenvorschlag spricht. Es ist bedauerlich, dass in der vergangenen Session die Partei-taktischen Überlegungen hüben wie drüben eine sachgerechte Lösung verhindert haben. Unsere Hoffnung beruht nun auf dem Ständerat. Wir erwarten von ihm, dass er der Initiative einen guten indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellt. Der direkte Gegenvorschlag hat nämlich den Nachteil, dass relativ detaillierte Vorschriften auf Verfassungsstufe Eingang finden würden und bis zur Umsetzung wahrscheinlich Jahre vergingen.
Welche Position vertritt der sgv bei der Thematik des Bankkunden-Geheimnisses?
Wir machen uns nichts vor: Die internationale Gemeinschaft ist daran, einen Wandel zu erzwingen. Da wird sich auch die Schweiz bewegen müssen, ob es uns gefällt oder nicht. Der sgv wird sinnvolle Reformen mittragen, wobei er klare Grenzen setzt. Wir lehnen den automatischen Informationsaustausch kategorisch ab, der «gläserne Kunde» ist für uns inakzeptabel. Der OECD-Standard, der die Grundlage für die künftigen Doppelbesteuerungsabkommen bildet, ist eine Kröte, die wir wohl werden schlucken müssen. Das Bankkunden-Geheimnis unterstützen wir vor diesem Hintergrund nach wie vor.
Insgesamt wäre zudem zu wünschen, dass unsere Regierung etwas standhafter ist und nicht gleich bei jedem Druckversuch aus dem Ausland einbricht.
Herr Bigler, besten Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner
? Geb. 05.04.1958, von Worb BE
? Verheiratet, drei Kinder, wohnhaft in Affoltern a.A.
Ausbildung
? Studium: Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern, lic.rer.pol.
? Weiterbildung: Harvard Business School / Executive Education Program
Beruf
? Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv, Bern (seit 1.7.2008)
? Vor seinem Amtsantritt beim sgv war Hans-Ulrich Bigler während elf Jahren Direktor des Unternehmerverbandes der Schweizer Druckindustrie Viscom und anschliessend zwei Jahre des Unternehmerverbandes der Schweizer Maschinenindustrie Swissmem
Mandate
? Präsident Schweizerisches Institut für Unternehmerschulung SIU
? Präsident Stiftung KMU Schweiz
? Vizepräsident proparis, Vorsorge Gewerbe Schweiz
? Vizepräsident Energie-Agentur der Wirtschaft
? Vorstandsmitglied der Stiftung Klimarappen
? Vorstandsmitglied Hauseigentümerverband Kanton Zürich
? Mitglied der Bildungskommission FDP Kanton Zürich, Kantonaler und Eidgenössischer Delegierter
Militär
? Oberst i Gst; zuget Of Kdt Höhere Kaderausbildung / AAL Luzern
Der sgv
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv, die Nummer 1 der Schweizer KMU-Wirtschaft, vertritt 280 Verbände und gegen 300’000 Unternehmen. Im Interesse der Schweizer KMU setzt sich die Dachorganisation sgv für optimale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie für ein unternehmensfreundliches Umfeld ein.