Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Hanspeter Fässler, Sie leiten eine der Perlen im ABB Konzern, die ABB Schweiz. Gerade in den letzten schwierigen Jahren war die Leistung der ABB Schweiz innerhalb der Gruppe hervorragend. Da Sie jedoch keine gesonderten Zahlen für den Bereich Schweiz publizieren dürfen, weiss man nicht sehr viel über die gute Leistung. Wie gehen Sie mit diesem Schattendasein um?
Hanspeter Fässler: Es ist ja nicht so, dass wir nicht kommunizieren dürfen, wie gut wir gearbeitet haben. Bestellungseingang und Umsatz sind Zahlen, die wir nach wie vor nach aussen tragen. Nur die lokal konsolidierten Gewinnzahlen gibt ABB nicht mehr bekannt. Intern informieren wir in den einzelnen Geschäftseinheiten unsere Mitarbeitenden natürlich nach wie vor im Detail über unseren Geschäftsgang.
Im übrigen lässt sich ABB Schweiz nicht allein auf die Zahlen reduzieren. Wir sind nach wie vor ein wichtiger Arbeitgeber in der Region mit 5000 hochqualifizierten Mitarbeitenden, bei Zulieferern sind es nochmals rund 5000 Arbeitsstellen. Wir beherrschen unsere Prozesse in Engineering und Produktion, haben eine modellhafte Lehrlingsausbildung, eine sehr fortschrittliche Personalpolitik. Und wir leben eine moderne Sozialpartnerschaft.
Zudem trägt das Konzernforschungszentrum in Dättwil die Verantwortung für die weltweite ABB-Zusammenarbeit in der Energietechnik.
«Sicher war es für unsere Mitarbeitenden in den letzten Jahren nicht immer leicht. Aber ich denke, dass wir insgesamt gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen.» Hanspeter Fässler, Vorsitzender der Geschäftsleitung von ABB Schweiz
Den weiterhin positiven Geschäftsverlauf der ABB Schweiz vorausgesetzt, sollte es Ihnen im kommenden Jahr gelingen, wieder Arbeitsplätze zu schaffen. Wie viele neue Arbeitsplätze werden das sein, und welche Qualifikationen werden besonders gefragt sein.
Entwickelt sich der Bestellungseingang, der für das 1. Halbjahr 2004 17% über dem Vorjahr lag, positiv weiter, können wir für nächstes Jahr mit rund 10% mehr Umsatz rechnen. Bei einer jährlichen Steigerung der Produktivität von rund 6% hätte dies demnach einen Personalzuwachs von etwa 4% zur Folge, was rund 200 neuen Stellen entsprechen würde.
Bei der Rekrutierung der Mitarbeitenden ist es unser Ziel, die besten Arbeitskräfte zu ABB Schweiz zu holen. Dabei achten wir neben den fachlichen Fähigkeiten vor allem auf die Persönlichkeit, also Eigenverantwortung, Selbständigkeit sowie ein hohes Mass an sozialer Kompetenz.
In Dättwil betreiben Sie ein Konzern-Forschungszentrum mit rund 140 Mitarbeitenden aus 20 Nationen. Im Zuge der Pisa-Studie wird auch der qualitative Niedergang unseres Bildungssystems beklagt. Wie beurteilen Sie die Qualität des Ausbildungsplatzes Schweiz und wo können Verbesserungen vorgenommen werden?
Die Qualität der Ausbildung ist in der Schweiz nach wie vor sehr gut. Das zeigt sich insbesondere bei den Natur- und Ingenieurwissenschaften, wo die ETH zu den besten Hochschulen weltweit gehört.
Damit wir diese Position nicht verlieren, benötigt die Schweiz im Hochschulbereich weiterhin eine auf Höchstleistungen ausgerichtete Bildungspolitik. Dabei müssen auch diejenigen Disziplinen, auf denen heute wichtige Teile unserer Volkswirtschaft basieren, das nötige Gewicht erhalten. Im Fachhochschulbereich geht es darum, dass wir unser Ausbildungsniveau im Rahmen der Bologna-Reformen nicht nach unten nivellieren. Die Schweiz braucht nicht möglichst viele, sondern möglichst gute Studienabgänger. Dasselbe gilt für die Anzahl Hochschulen.
1998 zählte die ABB Schweiz noch 11’000 Mitarbeiter, heute sind es noch rund 5’000 Mitarbeiter. Reduktionen in so drastischen Ausmassen zerstören meist die Unternehmenskultur und Mitarbeitermotivation. Was ist von der «alten» ABB noch übrig geblieben und wie sieht die Zukunftsperspektive aus für die heutige ABB Schweiz aus?
Es stimmt, dass die Zahl der ABB-Mitarbeitenden in den letzten Jahren um gut die Hälfte zurückgegangen ist. Diese Aussage ist aber wenig relevant, da die weitaus meisten dieser Arbeitsplätze nach wie vor bestehen. Nur heisst der Arbeitgeber nicht mehr ABB, sondern Alstom, Bombardier oder Etavis. Sicher war es für unsere Mitarbeitenden in den letzten Jahren nicht immer leicht. Aber ich denke, dass wir insgesamt gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen. Im übrigen hat die aktuelle Mitarbeitenden-Umfrage, die wir bei ABB Schweiz alle zwei Jahre durchführen, gezeigt, dass die Zufriedenheit sehr hoch ist und unsere Mitarbeitenden hochmotiviert sind.
Die «alte» wie die «neue» ABB Schweiz ist nach wie vor in den beiden Kernbereichen Energietechnik und Automationstechnik tätig ? und das sehr erfolgreich. Ich blicke denn auch optimistisch in die Zukunft. ABB Schweiz hat eine hohe Produktivität, wir haben hervorragende Kader und Mitarbeitende. Basierend auf unseren vorhandenen Stärken sollten wir auch in der ABB Schweiz wieder wachsen können.
In der weltweit tätigen ABB Gruppe liegen die Aufmerksamkeit und ruhen die Wachstumshoffnungen auf China, Indien, den USA und Russland. Die Schweiz liegt hier von der Grösse her gesehen weit hinten. Wie viel Bedeutung wird dem Schweizer Geschäft innerhalb der Gruppe beigemessen?
ABB Schweiz gehört nach wie vor zu den grössten und erfolgreichsten Länderorganisationen im Konzern. Wir haben in vielen Bereichen die weltweite Verantwortung inne und nehmen im Weltmarkt eine führende Stellung ein. Ich möchte hier nur das Kompetenzzentrum für Leistungselektronik im geografischen Dreieck Dättwil ? Lenzburg ? Turgi nennen, das nicht nur innerhalb von ABB, sondern weltweit einzigartig ist. Damit hat sich ABB Schweiz exzellente Voraussetzungen geschaffen, um vom Wachstum auf dem weltweiten Markt für Leistungselektronik zu profitieren.
Unsere guten Ergebnisse geben uns sicher ein überdurchschnittlich hohes Gewicht im Gesamtkonzern. Dies illustriert auch folgendes Beispiel: Nach den schwierigen Jahren ohne Akquisitionen konnten wir konzernweit die erste Übernahme in der Schweiz tätigen. Es war keine riesige Akquisition, aber es war ein klares Zeichen, dass Investitionen weiterhin auch in der Schweiz möglich und sinnvoll sein werden.
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Entscheidende Strategien werden für die ABB Gruppe im Konzern definiert. Welche Freiräume und vor allem Mitgestaltungsmöglichkeiten haben Sie als Länderverantwortlicher?
Man muss hier klar trennen. Dort wo es nur um ABB Schweiz, und insbesondere um den Schweizer Markt geht, kann ich sehr viel Einfluss nehmen und habe genügend Freiraum. Dort wo es um weltweite Konzernstrategien geht, werden die betroffenen Länder in den Entscheidungsprozess einbezogen. Gesucht wird aber richtigerweise ein weltweites Konzernoptimum und nicht ein Länderoptimum. Meine Aufgabe ist es, in diesen Diskussionen die Sicht der ABB Schweiz zum Wohle des Konzerns zu vertreten.
Sie sind ein intimer Kenner der ABB Gruppe mit Auslanderfahrung in Schweden und Amerika. Wo sehen Sie die Stärken und die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der ABB Schweiz und der gesamten Gruppe?
Eine der Stärken von ABB Schweiz ist, dass wir über hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen, die aus einem internationalen und multikulturellen Umfeld stammen, und dass wir uns stets nach vorne orientieren. Wir haben innovative Produkte, verbessern unsere Prozesse laufend und überlegen uns Jahr für Jahr, in welchen Bereichen wir weiter zulegen können.
Ein grosses Anliegen ist uns auch die Forschung und Entwicklung, wofür wir in der Schweiz prozentual rund doppelt soviel ausgeben wie im Konzerndurchschnitt. Und Bernhard Eschermann trägt als Leiter des Forschungszentrums in Dättwil die Verantwortung für die weltweite ABB-Zusammenarbeit in der Energietechnik.
Sie sind Länderverantwortlicher der ABB Schweiz und gleichzeitig Leiter der beiden wichtigsten Divisionen Energietechnik und Automation. Wie gehen Sie mit der auch risikoreichen auf Ihre Person fixierten Aufgabenteilung um?
Von aussen mag das so aussehen, dass vieles in einer Person konzentriert ist. Wir haben aber ganz bewusst eine ganze Reihe von flankierenden Massnahmen getroffen, um dieses Risiko zu minimieren. Unter anderem habe ich die Leiter der einzelnen Geschäftseinheiten viel stärker in die Führungsaufgaben auf Stufe ABB Schweiz mit eingebunden. In diesem Kernteam, wie wir es nennen, werden die wichtigen operativen und strategischen Entscheide auf Stufe ABB Schweiz gemeinsam getroffen.
Gibt es für Sie auch ein Leben ausserhalb der ABB?
Selbstverständlich! Zum grössten Teil ist dies ausgefüllt durch meine Frau und meine beiden Kinder. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass ich immer unter Hochspannung stehe, ich kann durchaus auch einfach geniessen ? ab und zu ist das sogar innerhalb der ABB möglich!
Der Gesprächspartner
geb. 26.08.1956
seit 1.1.2004: Vorsitzender der Geschäftsleitung von ABB Schweiz;
Leiter der Divisionen Energietechnik und Automationstechnik
seit 1.3.2001: Leiter der Division Automationstechnik, Mitglied der Geschäftsleitung ABB Schweiz
seit 1999: Konzernweite Verantwortung für den Vertriebskanal Elektro-Grosshandel
1999 – 2000: E-Business-Verantwortung im Konzernsegment Building Technologies
1998 – 2003: Geschäftsführer Schweiz
ABB Business Area Low Voltage Products and Systems
1996 – 1998: Business Unit Manager ABB Building Automation
1994 – 2000: Regionalmanager Südamerika
Low Voltage Switchgear Systems
1994 – 2000: Geschäftsführer ABB Low Voltage Power Ltd, Lenzburg (vormals ABB CMC Systeme AG)
1991 – 1994: Entwicklungsleiter Kraftwerkleittechnik
ABB Kraftwerke AG, Baden
1989 – 1991: Entwicklungsingenieur
ABB Robotics, Schweden
1983 – 1989: Assistent / Dozent an der ETH Zürich
1981 – 1982: Entwicklungsingenieur
Escher Wyss AG, Zürich
Ausbildung
1989: Dr. sc. techn., ETH Zürich
1983: Engineer?s Degree, Stanford University, USA
1981: Maschineningenieur ETH, Zürich