Von Peter Stoeferle
Moneycab: Herr Nedwed, die Migrosbank hat 2004 ein Rekordjahr verzeichnet. Der Reingewinn konnte um 11,6 % auf 83,2 Mio. Franken gesteigert werden. Sind Sie zufrieden mit dem Resultat und lag dieses im Rahmen Ihrer Erwartungen?
Harald Nedwed: Das Ergebnis liegt im Rahmen unserer Erwartungen und wir sind damit zufrieden. In einem anforderungsreichen Umfeld konnten wir weiter wachsen, das heisst zusätzliche Kunden gewinnen und das Geschäftsvolumen ausdehnen. Zudem haben wir unser striktes Kostenmanagement erfolgreich weitergeführt und die Geschäftskosten dadurch auf Vorjahresniveau halten können. Schliesslich haben wir die Risiken sehr gut im Griff gehabt und nur wenige Wertberichtigungen und Rückstellungen vornehmen müssen.
Der Bruttogewinn ging um 14,8 % auf 273,8 Mio. Franken zurück. Auf der Ertragsseite musste ein Minus von 8,6 % auf 503,1 Mio. Franken hingenommen werden. Auf welche Faktoren sind diese rückläufigen Zahlen zurückzuführen?
Nachdem wir in den Jahren 2001 und 2002 durch eigene Wertschriften- und Devisenpositionen erhebliche Verluste erlitten hatten, führten im Jahr 2003 die Erholung der Aktienmärkte und die Aufwertung des Euro zu einmaligen Gewinnen im Handel. Seither haben wir unser Risk Exposure in diesem nicht zu unserem Kerngeschäft gehörenden Bereich deutlich reduziert, und entsprechend hat sich das Ergebnis aus dem Handelsgeschäft 2004 normalisiert. Den damit verbundenen Ertragsrückgang im Vergleich zum ausserordentlich günstigen Vorjahr haben wir bewusst in Kauf genommen.
95 % ihrer Kundschaft stammt aus dem traditionellen Kleinkunden- geschäft, allerdings stammen nur 59 % der Erträge aus dem Retailbereich. Wo sehen Sie Wachstumsmöglichkeiten in diesem Verdrängungswettbewerb?
Die erwähnten 59%, die der Retail-Bereich an das Total der Kundenerträge beisteuert, werden durch 19% aus dem Firmenkundengeschäft und 22% aus dem Private Banking ergänzt. Wir wollen in allen drei Segmenten weiter wachsen. Als sechstgrösste Schweizer Bank (gemessen an der Bilanzsumme) haben wir dazu sowohl die kritische Grösse als auch die erforderlich Marktpräsenz und Kundennähe. Hinzu kommt unser hoher Bekanntheitsgrad und unser Brand, der für qualitativ gute Produkte zu günstigen Konditionen, bei hoher Sicherheit und Vertrauen bürgt. Auf der Kostenseite spricht die schlanke Organisationsstruktur und das konsequente Prozessmanagement für uns. Standardisierung, Zentralisierung und Outsourcing sind wichtige Komponenten zur Optimierung der Wertschöpfungskette.
Mit neuen Filialen will die Migrosbank nun weiter in die Regionen vorstossen. Bisher hat die Migrosbank 39 Geschäftsstellen und 30 Finanzshops, nun sollen bis zu 25 neue Filialen dazukommen. Wo liegen die Gründe für den geplanten Ausbau?
Die Migrosbank verfügt heute über ein gesamtschweizerisches Filialnetz in den Städten und Agglomerationen. Wenn wir uns aber in jedem einzelnen Kanton resp. in jeder einzelnen Region mit unseren direkten Konkurrenten vergleichen, dann ist unser Filialnetz mancherorts doch noch recht weitmaschig. Dieses Netz wollen wir nun mit Kleinfilialen enger knüpfen. Wir haben insofern eine günstige Ausgangslage, als dass wir die extreme Filialexpansion der sechziger und siebziger Jahre nicht mitgemacht haben. Während andere Institute heute Filialen schliessen müssen, können wir neue eröffnen.
Die Migrosbank will einen neuen Filialtypus schaffen. Wie kann man sich eine neue Migrosbank-Filiale vorstellen?
Es handelt sich um kleine beratungsorientierte Vertriebsstellen, die keine administrativen Arbeiten abzuwickeln haben und sich so zu 100% auf die Kunden konzentrieren können. Das Konzept sieht einen einheitlichen Auftritt auf rund 100m2 mit zwei bis drei Mitarbeitenden vor. Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, standardisierte Prozesse und ein benutzergerechtes Automatenangebot sollen hohen Kundennutzen mit betrieblicher Effizienz verbinden.
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Die Pilotphase startet im Herbst mit drei Filialen. Nach welchen Kriterien werden Sie entscheiden, ob das Pilotprojekt erfolgreich war und in welchem Zeitraum würden die neuen Filialen anschliessend entstehen?
Wir haben für alle drei Standorte genaue Planbilanzen und -erfolgsrechnungen für die ersten fünf Jahre. Wir werden zwölf Monate nach Eröffnung eine Beurteilung vornehmen, ob wir auf Kurs sind. Wenn diese Beurteilung positiv ausfällt, dann werden wir weiter ausbreiten. Das Konzept ist von der Kostenseite her so ausgerichtet, dass eine Filiale ab 50 Mio. Franken kostendeckend arbeiten kann.
Ist schon geklärt, wo die neuen Filialen eröffnet würden?
Die Pilotfilialen werden in Bülach, Frick und Sursee eröffnet. Über weitere Standorte werden wir nach der erwähnten zwölfmonatigen Testphase entscheiden.
Neu werden Firmenkunden in zwei verschiedene Segmente aufgeteilt, einerseits in Geschäftskunden (unter 10 Angestellte), andererseits in Firmenkunden (über 10 Angestellte). Was versprechen Sie sich von dieser Aufteilung?
Im Geschäft mit den Firmenkunden, also den grösseren Unternehmen, geht es vor allem um die Fokussierung auf den Zielkunden und die Bündelung von Kompetenz. Dazu werden diese Unternehmen seit dem 1. Januar dieses Jahres aus fünf Regionen heraus betreut. Die Geschäftskunden hingegen werden weiterhin lokal betreut. In diesem Segment geht es in erster Linie um eine bedürfnisgerechte und kostengünstige Bedienung der Kunden, was durch Vereinfachung der Kreditsprechung und -überwachung sowie mittels Standardisierung der Betreuungsprozesse verwirklicht werden soll. Insgesamt betrachtet schaffen wir damit auch Potenzial für gezielte Akquisitionen, d.h. künftiges Wachstum, ohne unsere bewährten Grundsätze des Risikomanagements zu vernachlässigen.
Nach dem Rekordjahr 2004: Was für Ziele und Erwartungen hat die Migrosbank für das laufende Geschäftsjahr?
Die Konkurrenz unter den Banken ist gross, und daraus ergibt sich ein erheblicher Druck auf die Margen. Unser Bestreben ist es auch im laufenden Jahr, die Kundenbasis zu vergrössern und Marktanteile zu gewinnen. Allerdings streben wir nicht kurzfristiges «Wachstum um jeden Preis» an, sondern wir verfolgen eine Strategie des qualitativen Wachstums, das langfristige Wertschöpfung garantiert -dies sowohl zum Vorteil der Kunden als auch der Bank.
Präsident der Geschäftsleitung Migrosbank
Geboren:
23.12.1959 in Graz (Österreich)
Nationalität:
Schweizer
Zivilstand:
Verheiratet, drei Kinder
Freizeit:
Tennis, Ski, Fussball, Kultur und Gesellschaft, Technik und Handwerk
Beruflicher Werdegang Migrosbank:
Ab September 2003
Präsident der Geschäftsleitung Migrosbank
Nov. 1998 ? Aug. 2003
CFO Gesamtbank und gleichzeitig Sitzleiter Basel
Beruflicher Werdegang vor der Migrosbank:
Assistenzprofessor für Forschung und Lehre am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Uni Basel ? Schwerpunkte: Geld- und Kapitalmärkte, Finanzmarkt- und Risikotheorie, Bankenwesen, Industrieökonomik, Politische
Ökonomie
Verschiedene Tätigkeiten bei Grossbanken, zuletzt als Director im internationalen Investment Banking.
Tätigkeitsbereiche: Gesamtbanksteuerung, Kredit-/ Firmenkundengeschäft, Risiko Management, Asset & Libility Management, Treasury, Rechnungswesen & Controlling, Regulatory Management