von Patrick Gunti
Herr Karrer, das Unternehmensergebnis der Axpo ist im Geschäftsjahr 2008/2009 um 43 % auf 568 Mio. Franken gesunken, der EBIT ging um 28 % auf 848 Mio. Franken zurück. Was sind die Ursachen?
Zu diesem unbefriedigenden Resultat trugen die regulatorischen Belastungen im Zusammenhang mit der Strommarktöffnung, die geringeren Erlöse aus dem Stromexport aufgrund der tieferen Grosshandelspreise sowie die Krise im internationalen Finanzmarkt und damit verbundene Buchverluste bei den Wertschriften bei.
Inwiefern war die Axpo von der Wirtschaftskrise besonders betroffen?
Durch den tieferen Ergebnisbeitrag im Inland, die geringeren Erlöse aus dem Stromexport aufgrund der tieferen europäischen Grosshandelspreise sowie den Buchverlusten bei den Wertschriften.
Sie beklagen regulatorische Belastungen im Zusammenhang mit der Strommarktöffnung. Wie haben sich diese ausgewirkt?
Die Entscheide des Bundesrates sowie der Elcom bei der Netzbewertung und den Systemdienstleistungen haben unser Ergebnis mit einem dreistelligen Millionenbetrag belastet.
«Strategisch wichtige Projekte werden wie geplant weitergeführt.»
Hat das Resultat Auswirkungen auf die Investitionen in die Produktionskapazitäten der Axpo?
Nein. Strategisch wichtige Projekte werden wie geplant weitergeführt. Wir haben zudem sehr erfolgreich langfristige Anleihen mit attraktiven Zinssätzen aufgelegt. Allerdings müssen zukünftig verschiedene Projekte auf den Prüfstand gestellt werden.
Im September wurde der Realisierungsentscheid für das Projekt Linthal 2015 gefällt. Was bedeutet das Projekt einerseits für die Axpo, andererseits für die Versorgungssicherheit?
Linthal 2015 ist mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 2,1 Mrd. Franken die grösste Investition in der Geschichte der Axpo und das grösste Schweizer Wasserkraftprojekt überhaupt. Linthal 2015 ist damit ein wesentlicher Pfeiler einer auch in Zukunft zuverlässigen und sicheren Stromversorgung in der Schweiz. Es wird für die Deckung des steigenden Bedarfs in Spitzenzeiten eine wesentliche Rolle spielen. Zudem verlangen die zunehmenden Mengen an Wind- und Solarenergie, die aus dem Ausland unregelmässig anfallen, nach einem flexiblen Speicher. Auch das kann Linthal 2015 leisten.
Wie weit ist das Projekt der Axpo-Tochtergesellschaft EGL betreffend der Gas-Pipeline aus Iran fortgeschritten? Wie kommen die Verhandlungen mit den türkischen Behörden voran?
Die beiden Joint-Venture-Partner EGL und Statoil diskutieren derzeit das genaue Timing für die nächsten Schritte. Im Vordergrund steht eine breitere in der EU abgestützte Trägerschaft. Die Schweiz und die Türkei haben im November 2009 ein zwischenstaatliches Abkommen bezüglich der Zusammenarbeit in Energiefragen unterzeichnet. Dieses war die Voraussetzung, dass die Verhandlungen für den Transit mit dem Türkischen Pipelinebetreiber Botas gestartet werden konnten.
Nach Aussagen von Axpo-VR Pankraz Freitag möchte die Axpo auf den Bau von Gaskraftwerken zur Überbrückung bis zu einer möglichen Fertigstellung neuer AKW, resp. solcher, die bestehende Kernkraftwerke ersetzen, verzichten. Teilen Sie diese Ansicht? Was hat sich hinsichtlich einer möglichen Stromversorgungslücke verändert?
Die Stromlücke kommt auf uns zu, daran hat sich nichts geändert. Wirtschaftliche Krisenzeiten wie jetzt führen kurzfristig eher zu einer Entspannung, der mittelfristig erwartete Aufschwung wird zu einer Verschärfung führen.
Schon ab 2016 werden die Importverträge mit Frankreich schrittweise wegfallen. Aus energiewirtschaftlicher Sicht wäre es deshalb sinnvoll, Gaskombikraftwerke als Übergangslösung zu realisieren. Dazu müssten allerdings die politischen Rahmenbedingungen geändert werden. Aus Umweltsicht ist Axpo selbstverständlich bewusst, dass die Gaskombikraftwerke wegen des zusätzlichen CO2-Ausstosses Nachteile haben und die sehr gute Umweltbilanz des Axpo Strommix verschlechtern würden. Deshalb wäre die aus allen Gesichtspunkten beste Lösung eine verzögerungsfreie Realisierung der geplanten Ersatzkernkraftwerke in Beznau und Mühleberg. Gaskombikraftwerke stünden bei einem Nein zur Kernenergie wieder auf der Agenda, weshalb wir unsere Projekte nur sistiert haben.
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Axpo setzt auf einen Energiemix. Wie wird sich dieser nach Ihren Plänen in 20 Jahren präsentieren und welche Rolle werden neue Energien spielen?
Axpo setzt auf die erneuerbaren Energien. Wir sind bereits heute in der Schweiz Marktführer bei den neuen erneuerbaren Energien. Der Fokus in der Schweiz liegt auf der Produktion von Bandenergie, vor allem aus Kleinwasserkraft und Biomasse, längerfristig auch auf Geothermie. Im Ausland planen wir insbesondere Investitionen in die Windkraft und die Solarthermie.
Allein in den vergangenen drei Jahren hat Axpo gegen 500 Mio. CHF in den Bereich neue Energien investiert und wird bis 2030 insgesamt 3 Mrd. CHF in neue Energien investieren. Damit hält Axpo weiterhin an ihrem ambitionierten Ziel von 40 Prozent Marktanteil an der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Quellen im Jahre 2030 fest. Das alleine reicht aber nicht aus. Es braucht die Wasserkraft, deren Potenzial aber in 20 Jahren ausgeschöpft sein wird. Und es wird immer noch die Kernenergie brauchen. Axpo setzt deshalb auf einen umweltgerechten und wirtschaftlichen Strommix aus Wasserkraft, Kernenergie und neuen erneuerbaren Energien.
Axpo, Alpiq und BKW planen den Bau neuer Kernkraftwerke, obwohl es höchstens deren zwei braucht. Eine Einigung, wer sein Gesuch zurückzieht, steht weiter aus. Rechnen Sie noch mit einer Einigung oder wird dereinst das Parlament entscheiden müssen?
Zwei Drittel der Branche haben sich bereits geeinigt: Axpo und BKW streben eine gemeinsame Lösung der Branche an und haben das stets auch so kommuniziert. Wir hoffen weiter auf eine Brancheneinigung, denn eine solche wäre wichtig und sinnvoll. Für uns geht es um eine sichere und wettbewerbsfähige Stromversorgung der Schweiz.
«…Axpo setzt deshalb auf einen umweltgerechten und wirtschaftlichen Strommix aus Wasserkraft, Kernenergie und neuen erneuerbaren Energien.»
Wo sehen Sie bei diesem Projekt die Vorteile der Axpo gegenüber den Mitbewerbern?
Es geht nicht um Vorteile, sondern um den notwendigen Ersatz der Kernkraftwerke aufgrund ihres Alters, demzufolge in der Reihenfolge Beznau, Mühleberg, Gösgen. Auch hat die Alpiq keinen Ersatzbedarf nach Strom, weil ihr vorerst keine inländische Stromproduktion wegfällt. Das passiert erst 2040.
Auch bei einer Einigung stehen noch weitere hohe Hürden im Weg. Die Präferenzen der Bevölkerung gehen Richtung erneuerbare Energiequellen, eine ähnliche Tendenz ist bei Städten und Kantonen festzustellen. Gerade bei einer Marktöffnung, die den Verbrauchern die Wahlfreiheit lässt, ist das doch ein grosses Problem für die Axpo und ihre Mitbewerber?
Auch wir setzen auf die erneuerbaren Energien. So sind wir in der Schweiz der grösste Produzent von erneuerbarer Wasserkraft und auch bereits der grösste Produzent sogenannter neuer erneuerbarer Energien. Insgesamt sind 57% der Schweizer Produktion erneuerbar. Nur: Eine Steigerung ist nur langsam und aufgrund einer Vielzahl von Restriktionen in einer überblickbaren Grössenordnung möglich. Deshalb brauchen wir mittelfristig zusätzlich Grosskraftwerke. Dabei ist der Ersatz der KKW Beznau und Mühleberg für uns die sicherste, wirtschaftlichste und auch ökologischste Lösung.
Welche Prognose hinsichtlich der Geschäftsentwicklung wagen Sie für das Geschäftsjahr 2009/2010?
Mit Blick auf die unsichere Wirtschaftslage, instabile regulatorische Rahmenbedingungen und stagnierende Preise im Inland sowie auf den internationalen Energiemärkten geht Axpo nicht davon aus, im laufenden Geschäftsjahr das Ergebnis des Geschäftsjahres 2008/09 erreichen zu können.
Herr Karrer, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Heinz Karrer (Jahrgang 1959) ist seit 2002 CEO der Axpo Holding. Zwischen 1998 und 2002 war der studierte Nationalökonom Leiter der Division Marketing & Sales und Mitglied der Konzernleitung der Swisscom und zuvor Vorsitzender der Unternehmensleitung Ringier Schweiz und Mitglied Konzernleitung Ringier AG (1995-1997) sowie Vorsitzender der Geschäftsleitung und Delegierter des Verwaltungsrats der INTERSPORT Holding AG (1992-1995). Karrer ist Mitglied verschiedener Verwaltungsräte im Energiebereich sowie bei der Kuoni Reisen Holding AG. Karrer blickt ausserdem auf eine erfolgreiche Karriere als Handballer zurück: Er bestritt 53 A-Länderspiele, nahm 1984 an den Olympischen Spielen teil und feierte mit St. Otmar St. Gallen in den 80er Jahren zwei Meistertitel.
Zum Unternehmen:
Der Axpo Konzern mit der Axpo AG (ehemals Nordostschweizerische Kraftwerke AG, NOK) Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) sowie der Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG (EGL) ist ein führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung. Der Konzern beschäftigt über 4000 Mitarbeitende und versorgt zusammen mit Partnern rund 3 Mio. Menschen in der Schweiz mit Strom. Die Axpo Holding AG mit Sitz in Baden ist zu 100% im Eigentum der Nordostschweizer Kantone.