Heinz Stadler, CEO Privatbank IHAG: «Hat man das Unglück, in einem Bereich investiert zu sein, von dem man zuwenig versteht, soll man aussteigen!»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Stadler, am 23. Mai haben die Gründerfamilien Anda und Bührle den Grossteil ihrer Unaxis-Anteile an Victory, die Beteiligungsgesellschaft der umstrittenen Industriellen Mirko Kovats und Ronny Pecik, veräussert und damit eine lange Geschichte Schweizer Unternehmertums beendet. Ihnen als Leiter der Hausbank der Familien hat das einen unerhofften Geldsegen beschert. Was überwiegt, die Freude am Geld oder der Verlust des industriellen Unternehmertums?

Heinz Stadler: Geldeingänge welcher Art auch immer erhalten alleine durch den Verwendungszweck positive oder negative Bedeutung. Wenn die Medien postulieren, das industrielle Unternehmertum insbesondere das Schweizerische, befinde sich im Niedergang, so sehe ich das anderes: Wir Schweizer scheinen lediglich vergessen zu haben, dass sogenannte Ausländer (Uhren-, Pharma-, Werkzeugmaschinenindustrie) unsere industrielle Entwicklung massgeblich vorangetrieben haben. In diesem Zusammenhang sehe ich auch den Ausstieg unserer Eigentümer aus Unaxis. Ein Ausstieg überdies, der grundsätzlich bereits vor längerer Zeit beschlossen wurde.

«Ich habe mehrere Jahre in Asien gelebt und ich muss konstatieren, dass die Asien-Euphorie insbesondere von Managern geschürt wird, die absolut keine Erfahrungen in dieser Region gesammelt haben. Ein Chinesischer Private Banker wird auf Anhieb wenig Gemeinsamkeiten mit einem Kunden aus Oberbayern finden.» Heint Stadler, CEO Privatbank IHAG

Auch die Übernahme und Börsen-Dekotierung  der Esec im Jahre 2000 wird aus heutiger Sicht als Fehler bezeichnet. Esec-Gründer Karl Nicklaus bedauert heute den damaligen Verkauf. Wie beurteilen Sie den finanziellen Aspekt der Übernahme und was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Wie man heute hinlänglich weiss, haben sich die Zeiten seit dem Jahr 2000 geändert. Die wunderschönen Namen wie «Miracle», «Phantastic» oder «Think Tools» sind nur noch Schall und Rauch. Esec kann zwar mit den obgenannten Gesellschaften kaum verglichen werden, jedoch ist sie auch teilweise Resultat eines unglaublichen IT-Hypes. Ich persönlich verstehe jedoch zu wenig von dieser Materie, als dass ich eine fundierte Meinung über diese Akquisition abgeben könnte. Vielleicht einzig diese: Wenn man etwas nicht versteht, soll man die Finger davon lassen. Hat man das Unglück, in einem Bereich investiert zu sein, von dem man zuwenig versteht, soll man aussteigen!

Der Druck aus dem Ausland auf den Schweizer Bankenplatz wird spürbar grösser, seine Funktion als «sicherer Hafen für Steuergelder» wird zunehmend kritisiert. Welches sind für Sie die grössten Chancen und Risiken des Private Bankings in der Schweiz?

Der Druck aus dem Ausland ist zweifellos stärker geworden und wird auch weiterhin wachsen. Uns nützt kein Jammern und kein «Kopf in den Sand stecken». Schengen ist dabei ? unter den gegebenen Umständen ? ein kleiner Lichtblick. Wir werden den Weg in eine weiterhin prosperierende Zukunft finden, erkämpfen und leider auch teilweise erleiden.

Das grösste Risiko im PB besteht in der Austauschbarkeit unserer Dienstleistungen. Viele insbesondere grosse Bankinstitute haben den Kundenansatz hinter sich gelassen. Sie frönen einer Produkte-Strategie. Dies ist meines Erachtens sehr gefährlich. Resultat mag zwar eine kurzfristige Ertragsoptimierung sein, sie zerstört aber auf längere Sicht die Kundenloyalität. Der Brand «Swiss Private Banking» könnte seine Magie verlieren. 

Die grösste Chance besteht jedoch darin, dass wir aus einer Position der Stärke und in einem Umfeld von exzellenten Strukturen und Rahmenbedingungen weiterhin die Gangart in der Branche bestimmen. Die Unabhängigkeit der Beratung und die kritische Sichtung von Investitionsmöglichkeiten heben Schweizer Banken immer noch von der ausländischen Konkurrenz ab.

Eine der Auswirkungen des internationalen Druckes auf die Schweizer Bankenszene ist die Verschärfung der Compliance-Richtlinien der letzten Jahre. Inzwischen wächst der Widerstand der Banken gegen neue Bestimmungen, die Bankiersvereinigung kritisiert das Verhalten der Schweiz als «musterknabenhaft». Wie beurteilen Sie den Nutzen und die Kosten für kleinere und mittlere Finanzinstitute?

Der Nutzen von Compliance-Richtlinien ist nicht viel grösser, als der von Checklisten bei Linienflugzeugen. Je länger die Checkliste, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass die Maschine abgestürzt ist bevor man «durch» ist. Richtlinen können zwar mit der Zeit eine Änderung der Kultur bewirken. Ich gehe jedoch eher davon aus, dass es sich dabei verhält wie bei Grammatik und Sprache. Die Grammatik wird unwichtig, wenn man die Sprache bereits spricht. Beim Erlernen der Sprache ist sie jedoch entscheidend. Ich glaube es wäre unzutreffend zu sagen, die Schweizer Banken hätten sich vor Einführung von Compliance Richtlinien nicht korrekt verhalten und sozusagen «alles» gemacht.

Für kleine und mittlere Institute sind die Kosten relativ hoch. Das Risikoprofil kleinerer Banken ist aber auch viel geringer als dasjenige von Grossbanken. Die Grossbanken fahren wie Kutter mit Schleppnetzen durch die Weltmeere und ziehen grundsätzlich alles an die Wasseroberfläche. Eine sorgfältige Trennung des Netzinhaltes ist unerlässlich. Kleine Banken steuern mit Ruderbooten eine Stelle im See an, von der sie wissen, dass sich dort seit Jahren ein grosser Hecht befindet. Mit einer Angel versucht man diesen Fisch zu fangen. Man kennt bereits was man fangen will.

Die Grossbanken machen sehr unverhohlen klar, dass bei ungünstigen Bedingungen in der Schweiz das Kapital leicht auch von anderen Finanzplätzen aus verwaltet werden könne (zum Beispiel Shanghai, Hongkong, Singapur), wo mit niedrigeren Personalkosten gleich gute Leistungen erbracht werden könnten. Wie sieht das aus Sicht einer Privatbank aus, wie einfach lassen sich Kundengelder und Kundenbeziehungen irgendwohin ins Ausland transferieren?

Diese Vorstellung ist für mich absolut abwegig! Die reinen Personalkosten alleine sind nicht Grund genug Dienstleistungszentren in andere Kontinente zu verschieben. Zur Dienstleistung gehört auch ein kulturelles Umfeld, ein Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden. Ich habe mehrere Jahre in Asien gelebt und ich muss konstatieren, dass die Asien-Euphorie insbesondere von Managern geschürt wird, die absolut keine Erfahrungen in dieser Region gesammelt haben. Ein Chinesischer Private Banker wird auf Anhieb wenig Gemeinsamkeiten mit einem Kunden aus Oberbayern finden.
Natürlich ist Geld leicht zu verschieben. Aber wie schon zu Beginn dieses Interviews gesagt, wo sich das Geld befindet, ist in «normalen» Zeiten ? Ausnahme Kriegswirren und Katastrophen – unwesentlich, nicht hingegen wo die Dienstleistung erbracht wird.

Im Jahresbericht 2004 fällt auf der Ertragsseite auf, dass mit 14.4 Millionen Franken der grösste Anteil aus dem Zinsgeschäft generiert wird. Wie kommt dieser hohe Anteil zustande?

Die PB IHAG hat seit bald 10 Jahren ein starkes Kreditgeschäft. Dieses resultiert daraus, dass wir  einen konsequenten Kundenansatz verfolgen. Kreditdienstleistungen sind ein grosses Bedürfnis unserer Kunden.

Die Privatbank IHAG tritt ihren Kunden gegenüber als Universalbank auf (Private Banking, Kreditgeschäft, Handel). Kann das bei der Grösse der Bank (73 Mitarbeiter, circa 1’400 Kunden) und der zunehmenden Komplexität des Geschäftes glaubhaft vermittelt werden?

Unseren zufriedenen Kunden müssen wir dies nicht vermitteln. Sie wissen, welche Dienstleistungen wir in der Lage sind zu erbringen. Know-How ist keine Frage der Anzahl Mitarbeiter, einzig eine Frage der Qualität der Mitarbeiter. Diese stimmt bei uns.

In der Informatik haben Sie in den letzten fünf Jahren die Strategie vollständig gedreht. Vom eigenen Informatik Unternehmen (die IHAG Informatik) haben Sie auf eine Standard-Plattform eines Drittanbieters gewechselt (Apsys von Sungard). Wie hat sich das bezüglich der Kosten und der Flexibilität ausgewirkt?

Der Entscheid auf die Plattform eines Drittanbieters zu wechseln wurde nur sehr beschränkt aus Kosten- und Flexibilitätsgründen getroffen. Vielmehr aus Gründen der Weiterentwicklung und der Validität der Daten.


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Während andere Privatbanken wie LODH, Vontobel, Julius Bär eine Wachstumsstrategie verfolgen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, scheinen Sie nach einem Wachstumssprung im Jahre 2000 mit der Grösse der IHAG zufrieden zu sein. Haben Sie keine weiteren Wachstumsphantasien?

Wachstum kann kein absolutes Ziel sein. In Branchen, in denen gewisse Industrie-Standards  durchgesetzt werden, kann dies wichtig sein. Nicht so im Banking. Dort sind Ertrag und Nachhaltigkeit wichtigere Ziele als Wachstum.

Aber es ist schon richtig. Wir streben auch weiterhin Wachstum an, aber die konkreten Schritte müssen gut geplant und terminiert werden. Im Moment wird der Kampf um Marktanteile sehr hart geführt. Mit dem Resultat, dass die Kosten äusserst hoch sind. Wir sind der Meinung, dass wir mit unserer vor 3 Monaten in Lugano neu eröffneten Niederlassung einen mutigen und richtigen Schritt auf diesem Weg gemacht haben.

Als Jurist mit Urner Wurzeln hat es Sie schon früh für die damalige Volksbank nach China verschlagen. Eine Karriere bei den Grossbanken schien vorgezeichnet. Was hat Sie zu einer kleinen Privatbank mit Familiencharakter gebracht?

Die Bank of China hat sich mit der Bewilligung für die Credit Suisse Niederlassung in Shanghai viel Zeit gelassen. Ich war etwas lange auf «Stand-by» und suchte den Weg in die Schweiz zurück.
Vielfach wird erwartet, dass Auslandsrückkehrer wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, an dem sie zuvor gearbeitet haben. Ich denke, es ist schlecht investiertes Geld, Mitarbeiter im Ausland ausbilden und sie dann mit diesem Wissen nichts anzufangen zu lassen.

Bei Grossbanken wirken sich Auslandaufenthalte allgemein karrierehemmend aus. Davon ausgenommen sind Leute, bei denen der Zeitpunkt zur Erklimmung der nächsten Hierarchiestufe bereits feststeht und die nur ins Ausland «entsandt» werden, um ein braves CV noch etwas aufzubessern.


Wir sind hier beim Gespräch von ausgesuchten Original-Kunstwerken umgeben (unter anderem «der blaue Reiter» von Wassily Kandinsky und thematisch passend eines der Pferdebilder von Franz Marc). Was bedeutet für Sie Kunst im Alltag und welches Bild möchten Sie zur Zeit am liebsten in Ihrem Büro haben?

Ich bin sehr zufrieden mit meinen beiden Bildern, die sich in meinem Büro befinden. Es handelt sich zum einen um einen äusserst bekannten Monet «Camille Monet mit Jean und Kindermädchen im Garten» (soeben aus dem Kunsthaus zurück) und einem Daumier «Chanteurs des Rues». Kunst ist etwas Grossartiges. Für einen Finanzfachmann auch etwas Desillusionierendes. Wer hätte einem Vincent Van Gogh vor 100 Jahren ein IPO empfohlen? Die Performances in einzelnen Stilepochen sind gewaltig. Die Voraussehbarkeit praktisch Null.

Zum Schluss haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?

Jeden Tag einem Kunden in die Augen schauen zu dürfen und immer wieder zu versuchen, seine wahren Bedürfnisse erfüllen zu helfen.
Persönliches Glück, lösgelöst von Status und Leistung zu erfahren!







Heinz Stadler

Geburtsdatum 8. April 1957
Bürgerort&Bürglen (UR)

Ausbildung:
1977&Matura Typus C
1985 Lizentiat (lic. iur.)
1986 Dissertation (Dr. iur.) (Kriminologie/Viktomologie)
1993 Gastreferent an der Chinese University of Hong Kong
1995&Executive Training Program an der Michigan University&in Ann Arbor

Berufliche Stationen:
1987-1989 SKA Kommerzpraktikum in Zug
1989-1992 Geschäftsstellendirektor SVB in Altdorf
1992-1995 Representative und Head of Commercial Banking der SVB (später CS) in Hong Kong (Verantwortlich für die kommerziellen Tätigkeiten in China, Hongkong, Korea, Taiwan, Vietnam und den Philippinen)
1995-1998 Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung der IHAG Handelsbank in Zürich (6 Monate im Investment Banking der William Blair & Company in Chicago)
1999-2001 Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung der Privatbank IHAG (Verantwortlich für das  Kommerzgeschäft, Personal und IT)
2002-&Vorsitzender der Geschäftsleitung der Privatbank IHAG &Zürich AG

Diverses:
Swiss South-African Association, Rotary

Privatbank IHAG
1949 gründete Emil Georg Bührle, Unternehmer aus Leidenschaft, die Industrie- und Handelsbank IHAG. Er schuf sich damit seinen eigenen Freiraum, sprich, eine unabhängige Finanzwelt. Heute tritt dieselbe Bank, aber unter neuem Namen und mit neuer Ausrichtung, auf: Die Privatbank IHAG Zürich. Die Ausrichtung: Unternehmerische Unabhängigkeit, das globale Verständnis für Finanzen und die ureigene Kultur des Gründers. Kultur im doppeltem Sinn, als Unternehmensphilosophie und Kunst.



Zahlen per 31. Dezember 2004 in CHF Mio.
Die Schwankungen in den Ergebnissen 1999 und 2000 ergaben sich aufgrund  von Realisierungen von stillen Reserven in den Finanzanlagen

Bruttogewinn 14,7&
Jahresgewinn 9,2&
Erfolg aus Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft 12,8&
Erfolg aus dem Handelsgeschäft 2,7&
Erfolg aus dem Zinsengeschäft 14,4&
Geschäftsaufwand -19,2 
 
Eigenmittel 143,0&
Bilanzsumme 1 001,9 
 
Anzahl MitarbeiterInnen 73




 


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