Ihr soziales Engagement machte sie als «Madonna von Bülach» berühmt. Heute leitet Heliane Canepa den weltgrössten Zahnimplantatehersteller, Nobel Biocare. Im Moneycab-Interview berichtet sie von turbulenten Zeiten und kühnen Plänen.
Von Marcus Balogh, Redaktion emagazine
Moneycab: Frau Canepa, einst träumten Sie von einer Saftbar an Zürichs Bahnhofstrasse. Stattdessen haben Sie erst den Herzkatheterhersteller Schneider zum Weltkonzern gemacht und stehen jetzt an der Spitze des weltgrössten Zahnimplantatherstellers. Was treibt Sie an?
Heliane Canepa: Leidenschaft. Leidenschaft für das, was ich mache, und Ausdauer. Es gibt eine Menge gut ausgebildeter Leute, eine Menge Menschen mit Talent, es gibt sogar mehr Genies, als wir denken. Aber die Grundlage für Erfolg ist Durchhaltevermögen und Fokus. Ein Ziel haben – und dann ran gehen und dran bleiben.
Haben Sie als Frau eine andere Art diese Eigenschaften einzusetzen als Ihre männlichen Kollegen?
Ich halte die Unterschiede zwischen Frauen und Männern für weniger bedeutend als die Unterschiede zwischen der einen Persönlichkeit und der nächsten.
Sie glauben also nicht, dass Männer Frauen Hindernisse in den Weg legen?
Doch, das glaube ich schon. Aber Männer legen auch Männern Hindernisse in den Weg. Jeder, der an die Spitze will, steht Hürden gegenüber, egal ob Frau oder Mann. Um ganz nach oben zu kommen, muss man ein Set an Eigenschaften haben, das nicht vom Geschlecht abhängt. Und eine Portion Glück schadet auch nicht.
Wieso Glück? Mit einer Beförderung erntet man doch die Lorbeeren seiner Arbeit.
Sicher muss man sich auf dem Weg nach oben beweisen. Aber man muss auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein.
So wie bei Nobel Biocare?
Stimmt. Ich war Verwaltungsrat von Nobel Biocare und hatte nicht damit gerechnet, an die Spitze der Firma zu treten. Aber dann ist der CEO von Nobel Biocare von einem Tag auf den nächsten zurückgetreten. Und da ich 20 Jahre Erfahrung in der Medizinaltechnik habe und abkömmlich war, wurde ich vom restlichen Verwaltungsrat gebeten, den Posten interimistisch zu besetzen.
Wie haben Sie die Angestellten in Schweden empfangen?
Sie dachten, ich bleibe höchstens drei Monate. Aber nach sechs Monaten habe ich versprochen: «Ich bleibe ewig! Denn mit der Firma wird es steil aufwärts gehen!»
Wie sieht es heute aus?
Wir haben ein super Team. Dass nach einem Jahr meine Versprechungen in Bezug auf Umsatz und Wachstum eingetroffen sind, spielt natürlich auch eine Rolle. Die Mitarbeiter sind selbstbewusster geworden, stärker und stolz. Und erst das bringt ein Unternehmen so richtig gut zum Laufen.
Sie sind weltweit bereits die Nummer 1 im Geschäft mit Zahnimplantaten. Wohin wollen Sie?
Es ist schwieriger, Nummer 1 zu bleiben, als von der Nummer 2 zur Nummer 1 aufzusteigen. Aber wir haben gute Vorraussetzungen, unsere Postion erfolgreich zu verteidigen. In Forschung und Entwicklung sind wir enorm stark, wir haben eine gut funktionierende globale Organisation, und ich habe jetzt auch zwei Produktionsfirmen in den USA.
Seit Ihrem Antritt bei Nobel Biocare haben Sie Geschäftsstellen in 25 Ländern besucht und an etlichen Kongressen für Zahnmediziner teilgenommen. Warum?
Wer ein Produkt verkaufen will, muss seine Kunden kennen. Und was die Kunden wirklich denken, findet man nur raus, wenn man ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht.
Ist es das, was Sie von der Konkurrenz unterscheidet?
Viele Wege führen nach Rom. Ich brauche das Feedback von meinen Kunden. Sie arbeiten ja schliesslich mit unseren Produkten. Ich sage meinen Mitarbeitern immer wieder: we provide, but they decide.
Gibt es für Heliane Canepa ein Leben nach der Arbeit?
Nach meiner Zeit bei Schneider habe ich mich gefragt: «Wie wird das wohl? Ein Büro zu Hause, nicht mehr zur Arbeit fahren.» Aber ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt. Auch mein Mann fand, es sei schön, abends nach Hause zu kommen und ein Licht brennen zu sehen. Was auch immer die Zukunft bringt, die Chancen stehen gut, dass ich damit glücklich bin.
Die Gesprächspartnerin
Heliane Canepa hat eine typische «Tellerwäscherkarriere» hinter sich. 1980, im Alter von 31 Jahren, tritt sie eine Stelle als «Mädchen für alles» bei der Medizinaltechnikfirma Schneider mit damals sieben Angestellten an. Sie rückt rasch auf: 1980 wird sie Geschäftsführerin Schneider Medintag, 4 Jahre später General Manager Schneider Europe.
1988 wird Canepa CEO, den Posten behält sie bis 1999. Schneider ist mittlerweile ein drei Milliarden Franken schwerer Konzern. Bekannt wurde Heliane Canepa, als der Schweizer Standort von Schneider in Bülach nach der Übernahme durch den schärfsten Konkurrenten geschlossen werden sollte. Sie verspricht, für jeden der 550 Angestellten einen neuen Job zu finden – was ihr auch gelingt.
Rund zwei Jahre danach übernimmt sie die Position des CEO von Nobel Biocare. Als erstes verschreibt sie Nobel Biocare ein strenges Restrukturierungs-programm. Sie verbessert die Profitabilität des Unternehmens und hofft, für das Gesamtjahr 2003 eine Ebitmarge (earnings before interests and taxes) von 23 bis 25 Prozent zu erreichen.
Canepa absolvierte Business Schools in Dornbirn/Österreich, am West London College in London, an der Sorbonne, Université de Paris sowie am Foreign Executive Development Program der Princeton University in den USA. Canepa ist Mitglied des Verwaltungsrates der Phonak AG sowie der schwedischen Medtech-Firma Entific Medical Systems AB.