Dies gelte insbesondere auch für die Situation in der Schweiz. Trotzdem dominierten heute die Abwärtsrisiken für das hiesige Wirtschaftswachstum, sagte Philippe Hildebrand, Vizepräsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), an einer Veranstaltung von Avenir Suisse in Zürich.
Risiken werden ausgeprägter
«Je länger die Kreditturbulenzen andauern, desto ausgeprägter werden diese Risiken werden», so Hildebrand in seiner Rede. Die SNB werde daher in den kommenden Wochen und Monaten die hereinkommenden Wirtschaftsdaten sorgfältig nach Anzeichen von Auswirkungen auf die Realwirtschaft untersuchen.
Geschäftsbanken gefordert
Die erste Priorität ist aber aus Sicht von Hildebrand klar: «Die Liquiditätsverhältnisse im Finanzsystem müssen sich wieder normalisieren.» Hier seien vor allem auch die Geschäftsbanken gefordert. Diese müssen Hildebrand zufolge alles unternehmen, um möglichst rasch betreffend ihren Exponierungen im Kreditmarkt sowie allfälligen Verlusten klare Verhältnisse zu schaffen.
Solvenzschwierigkeiten einzelner Institute zu erwarten
Andauernde Liquiditätsengpässe wären für das globale Finanzsystem ein äusserst gefährlicher Zustand. Einzelne Institute würden früher oder später in Solvenzschwierigkeiten geraten. Zudem würde sich eine solche Situation über verschiedene Kanäle zwangsläufig stark auf die reale Wirtschaft auswirken, warnte Hildebrand. Mittelfristig sei dann aber vor allem auch der Frage nachzugehen, wie es geschehen konnte, dass ’sich die Liquiditätsmodelle im Risikomanagement vieler Banken im Nachhinein als derart illusorisch herausstellen konnten›.
Zweifel an den Einflussmöglichkeiten der Geldpolitik
Die SNB will laut Hildebrand, obwohl derzeit die Normalisierung der Liquiditätsverhältnisse im Vordergrund steht, aber auch in Zukunft das Notwendige unternehmen, um die nun seit Jahren andauernde Preisstabilität in der Schweiz weiter zu gewährleisten. Dabei äusserte er aber gewisse Zweifel an den Einflussmöglichkeiten der Geldpolitik: «Möglicherweise verfügt die Geldpolitik heute über weniger Spielraum als 1998, um auf allfällige reale Auswirkungen der Kreditmarktturbulenzen mit Zinssenkungen zu reagieren, ohne dabei das Preisstabilitätsziel zu kompromittieren», so der Notenbanker weiter.
Die Tatsache, dass die Zinssätze von langfristigen amerikanischen Staatsanleihen nach dem Zinsentscheid des Fed letzte Woche angestiegen seien, könnte aus heutiger Sicht durchaus in diesem Sinne interpretiert werden, so der SNB-Vizedirektor.
Keine «europäische Stabilitätsinsel»
Aus europäischer Perspektive sei zudem nicht zu sehr damit zu rechnen, dass einzelne geographische Wirtschaftsblöcke gegenüber den aktuellen Marktturbulenzen immun seien. Bereits 1998 habe sich die Idee einer ‹Europäischen Stabilitätsinsel› zumindest teilweise als Illusion erwiesen. «Trotz viel versprechenden aktuellen europäischen Wirtschaftsdaten erscheint mir eine vorsichtige Haltung in dieser Hinsicht auch dieses Mal angesagt», sagte Hildebrand.
Auch Politik gefordert
Damit die Schweizer Wirtschaft auch in Zukunft solide dasteht, ist laut Hildebrand aber auch die Politik gefragt. Ihr müsse es gelingen, den Reformdruck aufrechtzuerhalten und eingeleitete Reformen konsequent weiterzuführen. Es gelte, die gute Konjunkturlage zu nutzen, um weitere Reformen tatkräftig umzusetzen. Bedauerlicherweise sei aber immer wieder zu beobachten, dass konjunkturell gute Zeiten in der Tendenz zu einer Erlahmung des politischen Reformeifers führten. (awp/mc/pg)