Hossein Adeli, Chairman und CEO, Ravand Institute for Economic and International Studies, Teheran
Von Gérard Al-Fil
Moneycab: Herr Dr. Adeli, die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat bei Ihrem Besuch in Teheran Mitte März Gaslieferungen von jährlich 5.5 Milliarden Kubikmetern ab 2011 während 25 Jahren vereinbart und dafür viel Kritik im In- und Ausland geerntet. Wie bewerten Sie die Angelegenheit?
Dr. Hossein Adeli
: Ich möchte die Initiative in drei Punkten kommentieren. Zuerst denke ich, dass Frau Calmy-Rey einen sehr intelligenten Schachzug unternommen hat. Im Iran liegen die grössten Öl- und Gasfelder der Welt. Kombiniert sprechen wir hier von einem Äquivalent von 315 Milliarden Fass Öl. Zweitens ist jeder Vertrag dieser Art immer langfristig ausgerichtet. Es geht ja nicht um ein Produkt aus dem Lebensmittelgeschäft. Die Absichtserklärung gilt für einen langen Zeitraum und dies festigt die Wirtschaftsbeziehungen. Was drittens die iranisch-amerikanischen Beziehungen betrifft, so ist deren jetziger Zustand sicher nicht ewig. Wer kann sagen, dass die Beziehungen in zehn Jahren noch so aussehen wie heute? Wenn Amerika seine Meinung ändert, könnte die Schweiz plötzlich ins Hintertreffen geraten. Deshalb hat sich Ihr Land hier einen Vorteil gesichert. Nun sind die USA selbst auf Energieimporte angewiesen. Einige US-Firmen waren ja schon vor ein paar Jahren hier und haben den Markt sondiert…
«Wenn Amerika seine Meinung ändert, könnte die Schweiz plötzlich ins Hintertreffen geraten.»
Hier im Iran?
Ja.
Welche Konzerne zum Beispiel?
Ich nenne hier nur Halliburton als Beispiel. Obwohl der Iran also seit dreissig Jahren von den USA offiziell boykottiert wird, studieren amerikanische Öl- und Gasfirmen den Markt sehr genau und halten sich bereit. Deshalb kann ich Frau Calmy-Rey nur gratulieren und sie unterstützen.
Der Präsidentschaftsanwärter der Demokraten Barack Obama macht den Iran zum Wahlkampfthema, bietet direkte Gespräche ohne Vorbedingungen an. Würden Sie sich also einen US-Präsidenten Obama wünschen, wie das offenbar die Mehrheit der Iraner will?
Wir glauben, dass das amerikanische System nicht gross veränderbar ist, auch wenn der «CEO» der USA wechselt. Seine Rolle ist im politischen System kleiner als man oft annimmt. Es hängt sehr davon ab, welche geistige Bewegung in Amerika vorherrscht. In den letzten acht Jahren war dies die Denkschule der Neokonservativen. Aber: Barack Obama hat einige interessante Dinge zur US-Aussenpolitik gesagt und wie er sie gestalten möchte. Wenn seine Vision und seine Denke im politischen System der Vereinigten Staaten Schule machen würde, dann könnte das Land wieder zur offenen Politik zurückkehren, die es nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgt hat: eine Politik, die den Dialog sucht, die für Menschenrechte wirbt und eine Politik des Ausgleichs. Ich denke aber, dass Herr Obama zunächst den USA selbst nützen würde, bevor er dem Iran dienlich sein wird. Nun müssen wir abwarten, ob Amerika bereit ist, einen Wandel mit Barack Obama zu akzeptieren.
«Wir glauben, dass das amerikanische System nicht gross veränderbar ist, auch wenn der «CEO» der USA wechselt.»
Sie erwähnten die Rolle des Iran als Machtfaktor im Öl- und Gasgeschäft. Für den iranischen Finanzsektor sieht es jedoch weniger rosig aus. Die Rating-Agenturen Standard and Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings bewerten keine Iranischen Schuldertitel mehr, und der Bank Melli Iran droht der EU-weite Lizenzentzug.
Ich glaube, dass die finanziellen Verbindungen nicht gekappt werden können. Wenn Fitch unsere Bonds nicht mehr rated, bitte, dann macht es eben jemand anders. Dies wird über intransparentere und inoffizielle Wege laufen. Die internationalen Kanäle sehen nur anders aus und werden kostspieliger für die iranischen Banken. Aber die alternativen Kanäle sind existent.
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Welche Kanäle meinen Sie?
Es wird über B-Commercial Banks und kleinere Institutionen laufen.
Nun hat selbst die Dubai Islamic Bank ihre Verbindungen in den Iran gekappt. Dubai gilt bislang als der Nabel zur Welt für den Iran, und jetzt steigt dort eine Bank nach der anderen aus dem Iran aus.
Wenn die Dubai Islamic Bank aufhört, mit dem Iran Geschäfte zu machen, dann fängt eine andere Bank an. Ausserdem müssen die Verbindungen zum internationalen Kapitalmarkt nicht nur über Dubai laufen. Es kann sogar näher an Amerika sein, z. B. über Kanada. Das internationale Finanznetzwerk ist so gross und und so komplex, dass es unmöglich ist, jeden Zahlungsstorm aufzuspüren. Es wächst jeden Tag, und es gibt immer neue Markteilnehmer.
«Wenn die Dubai Islamic Bank aufhört, mit dem Iran Geschäfte zu machen, dann fängt eine andere Bank an.»
Was im Iran auch sehr schnell wächst ist die Inflation. Wenn man sich in Teheran umsieht, dann stellt man fest, dass die Preise zum Teil um mehr als 30% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Was soll der Iran tun?
Zunächst muss der Iran mehr Disziplin bei der Fiskal- und Geldpolitik walten lassen. Als viertgrösster Erdölexporteur steigen die Einnahmen für den Iran enorm, was gut ist, aber was sich auch auf die Preissteigerung nachteilig auswirkt. Doch ist dies nicht ein rein iranisches Problem. Alle OPEC-Staaten kämpfen mit diesem Dilemma.
«Aber wenn man uns fragen würde, so würden wir antworten, dass erstens die Ausgabendisziplin erhöht werden muss.»
Geben Sie der iranischen Regierungen auch Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik?
Generell nein. Das Ravand Institut ist eine unabhängige Nicht-Regierungsorganisation. Aber wenn man uns fragen würde, so würden wir antworten, dass erstens die Ausgabendisziplin erhöht werden muss. Dies gilt auch für die monetäre Politik. Primäres Ziel unseres Instituts ist es, den internationalen Dialog mit Wirtschaftsführern, Akademikern und Ökonomen aus aller Welt zu vertiefen, und das leisten wir mit dem seit 2006 jährlich stattfindenden Forum im Mai.
Der Gesprächspartner
Dr. Seyed Mohammed Hossein Adeli (55) ist Gründer, CEO und Chairman des Ravand Institute for Economic and International Studies in Teheran, des ersten unabhängigen ökonomischen Think Tanks im Iran. Er gilt als einer der international anerkanntesten Diplomaten und Ökonomen der Islamischen Republik Iran. Dr. Hossein Adeli studierte an Universitäten in Teheran, New York (u. a. The New School) und Neu-Dehli. An der University of California erwarb er zwei Doktor-Titel, in Ökonomie und Betriebswirtschaftslehre. 1980, im Alter von nur 27 Jahren, wurde Adeli Generaldirektor für Wirtschaftsfragen im iranischen Aussenministerium. Mit 36 Jahren stieg er zum Gouverneur der iranischen Zentralbank auf. Der aus Ahvaz stammende Akademiker war von 1986 – 1989 Botschafter seines Landes in Japan, ausserdem von 1995 -1999 Botschafter in Kanada. Adeli wurde mehrfach international geehrt, u. a. 2002 in Genf mit dem Crans-Montana Development and Peace Award. Er ist auch Chairman der Amin Investment Bank, Teheran, und Mitglied im World Economic Forum (WEF)