HSG erhält drei Forschungsprojekte zur «Gleichstellung der Geschlechter»
An der HSG werden Geschlechterkonstruktionen in Kinderkrippen, der Einfluss von Rentenreformen auf Verheiratete sowie die Rolle der familienergänzenden Kinderbetreuung erforscht.
21 Projekte bestimmt
Der Nationalfonds hat 119 Projektskizzen evaluiert und schliesslich landesweit 21 Projekte im Forschungsprogramm «Gleichstellung der Geschlechter» bewilligt. Die neuen Forschungsprojekte laufen in den nächsten Wochen an. Die drei neuen NFP-Projekte an der HSG unterstreichen die stetig steigende Bedeutung der SNF-Förderinstrumente in der Forschung an der Universität St.Gallen. Mehrere Initiativen des Prorektorats Forschung und der Forschungskommission tragen dazu bei, eine «SNF-Kultur» an der HSG zu etablieren. Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller, Prorektor für Forschung an der Universität St.Gallen, unterstreicht die Bedeutung der SNF-Projekte: «Die Projekte im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms zeigen, dass die HSG aktuelle und relevante Forschungsthemen auf hohem wissenschaftlichen Niveau behandelt und ein attraktiver Forschungsplatz ist.»
Geschlechterkonstruktionen in Kinderkrippen
Das Projekt «Puppenstuben, Bauecken und Waldtage: (Un)doing gender in Kinderkrippen» ist eine Kooperation zwischen der HSG und der Pädagogischen Hochschule des Kantons St.Gallen (PHSG). Es wird von Dr. Julia Nentwich (HSG) und Prof. Dr. Franziska Vogt (PHSG) geleitet. Sie untersuchen, wie in Kinderkrippen Geschlechterdifferenz «konstruiert» wird. Das heisst, wie sie durch Interaktionen und Handlungsangebote in alltäglichen Situationen «dramatisiert», also ins Zentrum des Interesses, oder aber «dethematisiert», also in den Hintergrund des Interesses gerückt wird (un/doing gender).
20 Deutschschweizer Kinderkrippen untersucht
In 20 Deutschschweizer Kinderkrippen werden mit Interviews und videobasierten Beobachtungen die Interaktionen zwischen Kindern und Erziehenden, die Spielangebote sowie die räumliche Situation analysiert. Es nehmen Kinderkrippen an der Studie teil, in denen auch mindestens eine männliche Fachperson beschäftigt ist. Dabei wird nicht nur erforscht, inwieweit geschlechtsstereotyp geprägte Spielsachen oder Interaktionsformen eingesetzt werden, sondern auch, welche Alternativen praktiziert werden. Ein Fokus liegt darauf, wie männliche Kleinkinderzieher in der Krippe alternative Interaktionsangebote machen. Das Forschungsprojekt zeigt, welche Relevanz Geschlecht in Kinderkrippen besitzt und legt damit eine Grundlage für die Entwicklung einer geschlechterreflexiven Pädagogik in der frühkindlichen Bildung und der Teilhabe von Männern in diesem von Frauen geprägten Berufsfeld.
Praxisrelevante Ergebnisse erwartet
Das NFP-Projekt trägt zugleich dazu bei, die Forschungszusammenarbeit der zwei Hochschulen zu stärken. Prof. Dr. Titus Guldimann (Prorektor Forschung, Entwicklung und Beratung an der PHSG) unterstreicht den erwarteten Forschungsertrag für die beiden Institutionen: «Interdisziplinäre Forschungsprojekte als Kooperation zwischen Universität und Pädagogischer Hochschule können gesellschaftliche Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven aufgreifen und bearbeiten: Geschlecht in Kinderkrippen aus pädagogischer und organisationspsychologischer Perspektive zu untersuchen, wird praxisrelevante Ergebnisse bringen.» Dem fügt der Rektor der PHSG, Prof. Dr. Erwin Beck, an: «Das Projekt ist ein gutes Beispiel für das Potenzial der Zusammenarbeit zwischen PHSG und HSG: Die Universität St. Gallen bringt ihre Expertise für Organisationspsychologie ein, wir die Bildung.»
Einfluss von Rentenreformen auf Verheiratete
Das Projekt «Familienbildung und Arbeitsmarktpartizipation im Lichte von Sozialversicherungsreformen» ist eine Kooperation zwischen dem Schweizerischen Institut für empirische Wirtschaftsforschung (SEW-HSG) und dem Soziologischen Seminar (SfS-HSG) im Rahmen des Forschungsschwerpunkts «Work, Ageing and Welfare» der Universität St.Gallen. Das Projekt untersucht den Einfluss von Rentenreformen in der Schweiz auf das Arbeitsangebot von Ehepartnern sowie auf Häufigkeit und Zeitpunkt von Scheidungen. Die Leitung haben Prof. Dr. Monika Bütler (SEW-HSG) und Prof. Dr. Franz Schultheis (SfS-HSG).
Altersvorsorge in 1990-er-Jahren grundlegend reformiert
Die Altersvorsorge in der Schweiz wurde in den 1990er-Jahren mit der 10. AHV-Revision und der Neuregelung der Beruflichen Vorsorge durch die Scheidungsrechtsrevision grundlegend reformiert. Dabei haben sich insbesondere die Rentenansprüche für Verheiratete verändert. Das Ziel beider Revisionen war es, die sich auf Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung spezialisierenden Zweitverdiener besser zu stellen, indem Rentenansprüche vom Erstverdiener zum Zweitverdiener umverteilt werden. AHV und Berufliche Vorsorge verwalten und verteilen einen grossen Teil des Lebenseinkommens um und beeinflussen so die Anreize bei wichtigen Entscheiden im aktiven Lebensabschnitt. Deshalb haben sie bezüglich der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann grosse Bedeutung.
Kombination von qualitativen Sozialforschung und quantitativer Ökonomik
Für die theoretische und empirische Untersuchung der Effekte werden Methoden der qualitativen Sozialforschung und der quantitativen Ökonomik kombiniert. Einerseits werden Motive und Entscheide der Individuen und Paare mittels Gerichtsakten, Gesprächen mit Spezialisten (Anwälten, Richtern) und Interviews mit geschiedenen Paaren analysiert. Andererseits werden mit administrativen AHV- und SAKE-Daten Veränderungen des Verhaltens untersucht. Die Untersuchungen liefern dem Gesetzgeber, der Verwaltung und anderen gestaltungswilligen Gruppierungen Informationen über Auswirkungen der von ihnen ergriffenen politischen Massnahmen.
Rolle der familienergänzenden Kinderbetreuung
Genderforschung zeigt, dass die Geburt des ersten Kindes oder bereits dessen Planung das Schlüssel-moment ist, in dem die Weichen für die spätere Arbeitsteilung in der Familie gestellt und die Rollen der Elternteile definiert werden. Es sind nach wie vor mehrheitlich Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren und die neu anfallende Familien- und Betreuungsarbeit übernehmen, während der Grossteil der Männer die traditionelle Ernährerrolle ausfüllt.
Karriere- und Lohnungleichheiten
Der (vorübergehende) Rückzug aus dem Erwerbsleben und die Pensenreduktion der Mütter führen zu Karriere- und Lohnungleichheiten. Darüber hinaus erfahren auch kinderlose Frauen Diskriminierung im Erwerbsleben, da sie vom Arbeitgeber als «potenzielle» Mütter und somit als weniger karriereorientiert eingestuft werden. Studien zeigen, dass familienergänzende Kinderbetreuung dazu beiträgt, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu überwinden: Länder mit einem guten Kinderbetreuungsangebot wie die skandinavischen zeichnen sich sowohl durch höhere weibliche Erwerbsquoten als auch durch geringere Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern aus.
Familienplanung und die Karriereentwicklung unter der Lupe
Mit der Studie «Gleichstellung der Geschlechter: Welche Rolle spielt die familienergänzende Kinderbetreuung?» wird erforscht, welche Rolle die familienergänzende Kinderbetreuung in der Schweiz für die Gleichstellung spielt. Mittels qualitativer und quantitativer Methoden wird unter der Leitung von Dr. Rolf Iten (INFRAS AG Zürich) und Prof. Dr. Michael Lechner (SEW-HSG) die Erwerbs- und Betreuungssituation in der Schweiz in neuartigem Umfang ausgeleuchtet. Dabei wird die Frage beantwortet, wie das bestehende Betreuungsangebot mit all seinen Komponenten ? Angebotsdichte, Preis, Qualität ? oder auch damit verbundene steuerliche Regelungen die Familienplanung (Zeitpunkt des Kinderkriegens, Anzahl Kinder) und die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern (Erwerbsentscheid, Erwerbsgrad, Lohn, Stellung im Beruf) beeinflussen. Die simultane Analyse der Bedeutung der verschiedenen Komponenten der Kinderbetreuung in der Vorschul- und Schulzeit ist in diesem Umfang noch nicht vorgenommen worden. Die Studie untersucht nicht nur das Arbeitsangebot, sondern auch die Familienplanung und die Karriereentwicklung von Frauen und Männern.
Handlungsempfehlungen
Die Analysen münden in Handlungsempfehlungen zuhanden der Gleichstellungs- und Familienpolitik auf Ebene von Bund, Kantonen, Gemeinden und Wirtschaft. Aus ihnen soll hervorgehen, mit welchen Massnahmen in der familienergänzenden Kinderbetreuung ein möglichst wirkungsvoller Beitrag zur Förderung der Gleichstellung geleistet werden kann.
Über die Universität St.Gallen (HSG)
Internationalität, Praxisnähe und eine integrative Sicht zeichnen die Ausbildung an der Universität St.Gallen (HSG) seit ihrer Gründung im Jahr 1898 aus. Heute bildet die HSG 6400 Studierende aus 80 Nationen in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Rechts- und Sozialwissenschaften aus.
Mit Erfolg: Die HSG gehört zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas. Für ihre ganzheitliche Ausbildung auf höchstem akademischem Niveau erhielt sie mit der EQUIS- und AACSB-Akkreditierung internationale Gütesiegel. Studienabschlüsse sind auf Bachelor-, Master- und Doktorats- bzw. Ph.D.-Stufe möglich. Zudem bietet die HSG erstklassige und umfassende Angebote zur Weiterbildung an. Kristallisationspunkte der Forschung an der HSG sind ihre 40 Institute, Forschungsstellen und Centers, welche einen integralen Teil der Universität bilden. Die weitgehend autonom organisierten Institute finanzieren sich zu einem grossen Teil selbst, sind aber dennoch eng mit dem Universitätsbetrieb verbunden.