IBM: Euopäisches Konsortium nimmt «Null-Watt-PC» ins Visier

In dem Projekt mit dem Namen «Steeper» werden die Forscher neuartige Transistoren ? die Grundbausteine von Computerchips und integrierten Schaltkreisen ? entwickeln, die den Energieverbrauch dieser Geräte im aktiven Zustand um das 10-fache senken und im Standby-Modus praktisch auf Null drosseln könnten. Das von der Europäischen Union (EU) unterstützte und auf drei Jahre angelegte Projekt steht unter der technischen Leitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Zu den Partnern gehören das IBM Forschungszentrum in Rüschlikon, CEA-LETI, das Forschungszentrum Jülich, Infineon, Global Foundries* sowie die Universitäten von Bologna, Dortmund, Udine und Pisa. Das Projektmanagement wird durch SCIPROM unterstützt.


«Wir nennen ihn den Null-Watt-PC»
«Unsere Vision ist es, gemeinsam mit der Industrie an der Entwicklung eines Computers zu arbeiten, dessen Stromverbrauch im Ruhezustand vernachlässigbar gering ist. Wir nennen ihn den Null-Watt-PC. Gelingt dies, wäre ein Meilenstein der IT-Forschung erreicht», erklärt Prof. Adrian M. Ionescu vom Nanolab der EPFL und Koordinator von Steeper. Gemäss der Internationalen Energie-Agentur (IEA) verursacht Elektronik heute rund 15 Prozent des Stromverbrauchs der Haushalte. Bis 2022 dürfte sich der Energieverbrauch verdoppeln und bis 2030 sogar auf ca. 1’700 Terawattstunden verdreifachen, was dem Gesamtenergieverbrauch der Haushalte in den USA und Japan im Jahr 2009 entspricht**.


Enormer Energieverbrauch im Standby-Betrieb  
Besonders unwirtschaftlich ist der enorme Energieverbrauch im Standby. Die EU schätzt, dass dieser bereits 10 Prozent des Energieverbrauchs der Wohnungen und Büros ihrer Mitgliedstaaten ausmacht***. Ohne spezifische Gegenmassnahmen wird der Energieverbrauch im Standby auf 49 Terawattstunden pro Jahr zunehmen, was beinahe dem aktuellen jährlichen Energieverbrauch von Portugal, Österreich und der Tschechischen Republik zusammen entspricht****.


Tunnel-Feldeffekttransistoren unter der Lupe
Um sein Ziel umzusetzen, erforscht das Konsortium so genannte Tunnel-Feldeffekttransistoren (Tunnel-FETs), die aufgrund ihres speziellen Aufbaus die Energieeffizienz im Vergleich zu heutigen Transistoren signifikant verbessern können. Als Grundbausteine für Prozessoren ? dem Herz moderner Elektronikgeräte ? bieten Tunnel-FETs einen besonders viel versprechenden Ansatz, um das Problem der Verlustströme, die ursächlich für den Standby-Verbrauch sind, in den Griff zu bekommen. Durch die fortschreitende Miniaturisierung sind bestimmte Schichten in heutigen Transistoren bereits so dünn, dass stetig ein kleiner aber nicht zu vernachlässigender Leckstrom fliesst. Ähnlich wie ein undichter Wasserhahn, der ständig tropft, führt dies zu einem kontinuierlichen Stromfluss, der sowohl im Betrieb als auch im Standby-Modus auftritt. Die in Steeper entwickelten Tunnel-FETs sollen nicht nur diesen unerwünschten Stromfluss «abdichten», sondern es auch ermöglichen, dass zum Schalten der Transistoren weniger Spannung benötigt wird.


Riesige Herausforderung
«Die Energiedissipation entwickelt sich zur grössten Herausforderung für die heutige Elektronik, insbesondere in Computern», betont Dr. Heike Riel, Leiterin der Nanoscale Electronics Forschungsgruppe bei IBM Research ? Zürich. «Mit Steeper wollen wir die Betriebsspannung der Transistoren senken, was einen deutlich geringeren Energieverbrauch für das kleinste Elektronikgerät bis hin zum grossen Supercomputer bedeuten kann.»


Quantenmechanische Effekte für energiearme Prozessoren
In Steeper werden drei verschiedene Arten von Tunnel-FETs untersucht: solche auf der Basis von Silizium (Si), Silizium-Germanium (SiGe) und Nanodrähten aus III-V-Halbleitern. Nanodrähte sind zylindrische Strukturen mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern (nm), die eine optimale elektrostatische Kontrolle des Transistorkanals ermöglichen. Ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter. In Tunnel-FETs wird quantenmechanisches Band-zu-Band-Tunneln genutzt, um den Transistor zu schalten. Beim Übergang vom «OFF»- in den «ON»-Zustand entsteht so eine steilere Schaltcharakteristik als bei konventionellen Transistoren, die bei 60 mV pro Dekade physikalisch limitiert ist. Dadurch benötigen diese neuartigen Transistoren effektiv weniger Spannung zum Schalten. Die steile Schaltcharakteristik ermöglicht gleichzeitig eine Reduktion des Leckstroms unterhalb der Schwellwertspannung und somit eine Verringerung des Energieverbrauchs im Standby.


Steep-Slope-Transistoren
Aufgrund dieser steileren, oder abrupteren, Charakteristik werden diese Tunnel-FETs auch als Steep-Slope-Transistoren bezeichnet, wovon sich der Projektname Steeper ableitet. Der kritische Faktor für den Erfolg des Projekts wird die Entwicklung eines energieeffizienten und steilen Tunnel-FETs sein, der in einem Spannungsbereich von unter 0,5 Volt arbeiten kann. Ein weiterer Teil von Steeper ist die Untersuchung der physikalischen und praktischen Grenzen für eine Leistungssteigerung von Tunnel-FETs, die auf Nanodrähten aus III-V-Halbleitern und deren Heterostrukturen basieren, und der Vorteile, die sich daraus für künftige energieeffiziente elektronische Schaltungen ergeben könnten. (ibm/mc/ps)


Hinweise und Quellenangaben
* Die Beteiligung von Global Foundries in Steeper ist z.Z. noch in Verhandlung.
** Gadgets and Gigawatts, International Energy Agency (IEA), Policies for Energie Efficient Electronics, ISBN 978-92-64-05953-3
*** European Commission Joint Research Center, Institute for Energy, European Codes of Conduct for ICT
**** Electricity Consumption and Efficiency Trends in the European Union, Status Report 2009, JRC-IE

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