«Es werden mit Sicherheit Gespräche geführt werden», sagte Rita Baldegger, Sprecherin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), und bestätigte damit einen Bericht der «NZZ am Sonntag». Die Schweiz war an einem Ministertreffen von 17 Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris am vergangenen Dienstag wegen ihrer Steuerpraxis an den Pranger gestellt worden.
Mangelnde Kooperation und unfairer Wettbewerb?
«Wir müssen nicht nur das Zuckerbrot benutzen, sondern auch die Peitsche», sagte Steinbrück. Er drohte nach dem Treffen damit, die Schweiz wegen mangelnder Kooperation und unfairen Wettbewerbs künftig wie Liechtenstein, Andorra und Monaco als Steuerparadies zu ächten.
OECD-Generalsekretär an Konferenz vertreten
Obwohl das Ministertreffen in Paris auf Einladung Frankreichs und Deutschlands und nicht unter Aegide der OECD stattfand, nahm daran auch OECD-Generalsekretär Angel Gurría teil. Ob die Schweiz Gurría dafür kritisieren wird, ist noch unklar. «Über den Inhalt der Gespräche informieren wir derzeit nicht», sagte Baldegger.
«Überrascht, befremdet und enttäuscht»
«Wir waren sehr überrascht, befremdet und vor allem enttäuscht über diesen Tonfall. So redet man nicht mit einem Partnerland», sagte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». «Es geht offenbar darum, dass Deutschland Geld braucht. Das kann ich gut verstehen. Aber man sollte deswegen nicht nach einem Sündenbock suchen», sagte die Aussenministerin weiter.
Das Bankgeheimnis mache die Schweiz nicht zur Steueroase – bei der Höhe der Steuern liege das Land im Mittelfeld der OECD-Staaten. Die Schweiz führe zudem eine Quellensteuer auf die Zinsen von Vermögen aus der EU an die Herkunftsländer ab. Allein an Deutschland seien so im vergangenen Jahr 131 Mio CHF geflossen.
Finanzministerium sieht kein bilaterales Problem
Das deutsche Finanzministerium sieht im Streit um die Ächtung von Steueroasen kein bilaterales Problem mit der Schweiz. «Am Pranger stehen diejenigen, die die OECD-Grundsätze für einen fairen Steuerwettbewerb nicht einhalten», sagte ein Sprecher des Berliner Ministeriums am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. Auch Länder wie die Schweiz sollten sich diesen Grundsätzen anschliessen.
EU-Botschafter verteidigt die Schweiz
«In Zeiten der Finanzkrise liegen die Nerven bei allen etwas blank», sagte der EU-Botschafter in Bern, Michael Reiterer, zur jüngsten Eskalation des Steuerstreits. «Unaufgeregtheit ist angesagt». Da die Diskussion alle paar Jahre wieder aufflamme, wäre jetzt eine Gelegenheit, die Steuerproblematik endlich zu lösen. «Die Schweiz hat ein Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU geschlossen, das Anti-Betrugsabkommen wird jetzt ratifiziert, die Schweiz kooperiert zur Vermeidung der Geldwäscherei», sagte Reiterer in einem Interview mit der Zeitung «Sonntag». Man könne die Schweiz also nicht eins zu eins mit Liechtenstein vergleichen.
Dialog mit Kanton funktioniert
Reiterer bekräftigte weiter, dass die Vorwürfe an Deutschland das Verhältnis mit der EU nicht in Mitleidenschaft ziehen würden. Denn auch der Dialog über die Unternehmensbesteuerung der Kantone funktioniere. Reiterer wies zudem auf das Treffen von Bundespräsident Pascal Couchepin mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Dezember in Brüssel hin. (awp/mc/pg/03)