Selbst in den schwierigen Neunzigerjahren glänzte Geberit mit starkem Wachstum. 2001 aber ging der Umsatz zurück. Das hänge nicht mit dem Börsengang von 1999 zusammen, beteuert CEO Günter Kelm.
Von Markus Schär
Günter Kelm (Foto: Keystone)
Moneycab: Herr Kelm, 2001 geht in die Geschichte ein als das erste Jahr von Geberit unter Ihrer Führung, in dem der Umsatz zurückging.
Günter Kelm: Wir wuchsen schon 1995 und 1996 nicht, aber es stimmt: Dies war das erste Jahr, in dem der Umsatz runterging. Aber Sie müssen die Relationen beachten: Real, also währungsbereinigt, beträgt der Rückgang nur ein Prozent; für den schwachen Euro können wir nichts.
Das wirtschaftliche Umfeld war unbestreitbar schwierig, aber Sie haben bisher auch in schwierigen Jahren erstaunliche Ergebnisse erzielt. Das weckt den Verdacht, Geberit sei im Hinblick auf den Börsengang auf Wachstum getrimmt worden.
Nein, ein Unternehmen lässt sich nicht so einfach auf Wachstum trimmen. Wir erwischten einfach eine glückliche Phase. Als die Familie Gebert 1997 das Unternehmen verkaufte, glaubte sie, nach einigen goldenen Jahren liessen sich die Erträge nicht weiter steigern. Aber wir brachten viele neue Produkte auf den Markt, und dazu kamen die Akquisitionen in Slowenien und vor allem in Grossbritannien. Wir konnten ja nur schon 1999 an die Börse kommen, weil es so gut lief. Gewöhnlich braucht ein Unternehmen fünf Jahre, um sich von einem Leveraged Buyout zu erholen.
Dann war der Konjunktureinbruch für Sie keine willkommene Entschuldigung?
Keineswegs, wir machten einfach den Abschwung mit, und das nicht einmal im vollen Ausmass: Ich finde, wir haben die Rezession mit Bravour gemeistert. Unter solchen Voraussetzungen eine EBITDA-Marge von 22,5 Prozent zu erzielen, ist eine gute Leistung.
Dabei belasteten Sie das Ergebnis des letzten Jahres noch mit Restrukturierungskosten, die erst dieses Jahr anfallen, und mit höheren Entwicklungsaufwendungen. Kam es angesichts des Minus nicht mehr darauf an?
Es geht nicht darum: Solche Zukunftsaufwendungen, wie wir sie etwa für die Entwicklung von Produkten für Südostasien einsetzen, werden viel früher geplant, völlig unabhängig vom Verlauf des Geschäftsjahres. Es gibt einfach auch Firmenkonjunkturen, Zeiten des Säens und Zeiten des Erntens, die nur im Idealfall die gesamtwirtschaftliche Konjunktur ausgleichen. Wir haben jetzt sehr viel gesät, deshalb können auch wieder Phasen mit einem stärkeren Wachstum kommen. Grundsätzlich gilt einfach: Wachstum ist kein linearer Prozess.
(Foto: Keystone)
An der Börse kletterte der Kurs von Geberit allerdings genau so lange, bis im Frühling 2000 die Private-Equity-Gesellschaft Doughty Hanson ausstieg. Seither ging es bergab.
Das ist reiner Zufall. Doughty Hanson steigt, ausser wenn es ganz schlecht geht, immer am Ende der Lock-up-Periode aus, und diese lief im Frühling 2000 aus. Kurz darauf, im Sommer, begann sich vor allem in Deutschland die Wirtschaft abzuschwächen, und der Markt reagierte sofort darauf. Die Konjunktur können wir aber nicht steuern.
Gerade von Deutschland sind Sie ja mit einem Umsatzanteil von mehr als einem Drittel sehr stark abhängig.
Ja, aber Sie müssen auch sehen: Mit den 600 Millionen Mark Umsatz, die wir in der Spitze erzielten, waren wir in Deutschland klar der grösste Anbieter von Sanitärtechnik. Mit 530 Millionen im letzten Jahr halten wir immer noch ein tolles Niveau. Deshalb betrachte ich die Lage relativ gelassen. Wenn sich die Befindlichkeit in Deutschland verbessert, gibt es auch wieder Wachstum.
Wann rechnen Sie damit?
Wir gehen davon aus, dass sich der Abschwung verlangsamt; Der Rückgang der Neubauten, im letzten Jahr 13 Prozent, dürfte sich dieses Jahr halbieren. Im zweiten Halbjahr 2002 sollte die Talsohle erreicht werden, für 2003 erwarten wir einen zaghaften Aufschwung. Da wir in Deutschland viele neue Produkte auf den Markt bringen, sollten wir uns aber von der negativen Entwicklung lösen können.
Wo liegt für Sie als Deutschen denn eigentlich in Deutschland das Problem?
Das Land ist verkrustet, es muss restrukturieren. Der Staatsapparat lähmt es, und die Regierung hat kein Konzept – was nicht heisst, dass Stoiber vorzuziehen wäre. Deutschland hat eine Anspruchsgesellschaft, der Leidensdruck muss wohl noch viel grösser werden, bis sich das Land bewegt.
Wie soll Geberit denn wachsen, wenn in Deutschland offensichtlich auf absehbare Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung zu rechnen ist?
Wir profitieren davon, dass wir jetzt unsere Systeme, die wir für Deutschland entwickelt haben, auf anderen Märkten einführen können: in der Schweiz, in den Niederlanden, wo wir ganz stark sind, und in Grossbritannien, das noch ein grosses Potenzial hat, vor allem aber auch in Italien, einem Supermarkt. Und neben unseren Kernmärkten stossen wir in Osteuropa, in den USA und im Fernen Osten vor. Sie sehen: Es gibt noch jede Menge Chancen.