Interview Ulrich Graf: «Wir arbeiten bei Kaba nicht nur, damit wir müde sind»
Ulrich Graf ist frustriert. Er steigert mit Kaba jährlich den Gewinn um 20 Prozent, trotzdem ist seine Firma gegenüber 2000 nur noch zwei Drittel wert. Was er dagegen macht, sagt er im Moneycab-Interview.
Von Markus Schär
(Foto: Keystone)
Moneycab: Herr Graf, Sie klagen, Sie hätten das Vertrauen in den Kapitalmarkt verloren.
Ulrich Graf: So ist es denn doch nicht ganz. Aber es frustriert uns natürlich, dass wir mit allen in denselben Topf geworfen werden, obwohl wir immer machen, was wir sagen: Es gibt so etwas wie eine Sippenhaftung. Niemand schaut mehr die Unternehmen genau an, niemand will mehr Aktien kaufen. Aber ich weiss doch, wie das läuft.
Wie?
Einer rennt dem anderen nach. Doch das ist halt die menschliche Natur. Wir sind nun einmal an der Börse. Deshalb können wir dem nur etwas entgegenhalten, indem wir so transparent wie möglich informieren.
Sie bedauern auch, dass Kaba jetzt nur noch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 hat statt 35 wie noch vor zwei Jahren. Ist das, was Sie Sippenhaftung nennen, nicht einfach die Vorsicht der Anleger, nicht mehr so hohe Preise zu bezahlen?
Darauf läuft die gegenwärtige Stimmung an den Börsen natürlich hinaus. Aber wir meinen, die Kaba-Aktie sei mehr wert, jetzt wäre also ein günstiger Zeitpunkt zum Einsteigen.
Sie sagen, die 20 Prozent Gewinnsteigerung, die Sie bisher jedes Jahr schafften, seien ein Ziel, keine Prognose. Glauben Sie diesmal selber nicht so recht daran?
Nein, das erzähle ich jedes Jahr. Wenn ich die Vorgaben als Prognose darstelle, errechnen die Analysten aufgrund ihrer eigenen Marktstudien noch höhere Ziele, und plötzlich geistern um zehn Prozent höhere Zahlen herum. Ich bin diesmal nicht mehr und nicht weniger überzeugt, dass wir das Gewinnwachstum erreichen, als in den früheren Jahren.
Was gibt Ihnen diese Sicherheit?
Dafür genügen einige einfache Überschlagsrechnungen. Wenn es uns wieder gelingt, so viel Free Cash-flow zu generieren, dass wir 100 Millionen zurückzahlen können, dann sparen wir 7 Millionen Franken an Zinsen. Heute stehen wir bei 62 Millionen Gewinn, diese Ersparnis brächte uns auf 69 Millionen, und die 5 Millionen, die noch fehlen, werden wir schon irgendwo zusammenkratzen.
Sie haben im letzten Geschäftsjahr, trotz miserabler Konjunktur, die Marge gesteigert, obwohl Sie die fast gleich grosse Unican integrieren müssen. Wie macht man das?
Eben indem wir machen, was wir sagen. Konkret: Wir haben einen Mann angestellt, der sich nur um unsere Value-Driver-Projekte bei der Integration kümmert. Er führt alle zwei Monate bei sämtlichen Projekten Audits durch, wo sie stehen. Das macht ihn natürlich fürchterlich unbeliebt, aber es bringt Erfolg. Dazu kommt, dass uns die amerikanische Politik des «Hire and Fire» ganz andere Möglichkeiten gibt. Die Amerikaner schmeissen zwar die Leute schnell raus, aber sie stellen sie auch gleich wieder ein, wenn es besser geht: Sie müssen ja nicht wie in Europa befürchten, dass sie sie kaum mehr entlassen können.
Die gegenwärtige Rezession war für Sie die schwerste in Ihren dreissig Jahren im Geschäft. Haben Sie jetzt das Schlimmste ausgestanden?
Ja, daran glauben wir. Wir sind jetzt so lean wie noch nie – wenn die Konjunktur nur ein bisschen anzieht, dann gibt es einen Klapf.
Aber zieht sie tatsächlich an oder stürzt sie in den USA erst recht ab?
Ich sehe in den USA auch keinen starken Aufschwung. Aber es hat noch keine Rezession ewig gedauert. Und weshalb fragt uns niemand, wie es uns geht?
Sagen Sie es mir bitte.
Es läuft gut, wir liegen in den zwei Monaten des neuen Geschäftsjahres über dem Vorjahr.
Beim Umsatz?
Nein, beim Ebit. Der Umsatz interessiert mich nicht – oder nur so weit, wie es ihn braucht, um Ebit zu erzielen. Es kann ja kein Ziel sein, nur zu arbeiten, damit man am Abend müde ist.
Profitieren Sie denn vom neuen Sicherheitsbedürfnis der Menschen?
Ja, wir erleben eine kleine Sonderkonjunktur. Das sagten uns ja alle nach dem 11. September voraus, deshalb schoss unser Aktienkurs kurzzeitig hoch. Damals geschah nichts, aber jetzt kommen diese zusätzlichen Regierungsaufträge, wenn Behörden ihre Gebäude absichern, damit nichts mehr passiert wie in Zug. So etwas dauert halt seine Zeit, erst jetzt profitieren wir davon. Aber es würde auch nichts schaden, wenn wir von der Konjunktur etwas Hilfe bekämen.