IPCC: Thomas Stocker zum Co-Vorsitzenden der Arbeitsgruppe «Wissenschaft» gewählt

Die 29. Vollversammlung des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), die vom 31. August bis zum 4. September 2008 in Genf tagte, hat Stocker zusammen mit dem chinesischen Professor Qin dahe in dieses Amt gewählt, wie das UVEK mitteilt.


IPCC-Arbeit als Basis für Klimakonvention und Kyoto-Protokoll
Der Weltklimarat (IPCC) ist das wichtigste wissenschaftlich-technische Organ zur Beurteilung der weltweiten Klimaänderungen. Alle fünf bis sechs Jahre veröffentlicht das IPCC einen Evaluationsbericht, in dem sämtliche Aspekte des Klimawandels (Wissenschaft, Auswirkungen auf die Ökosysteme, Emissionsminderungs­massnahmen und -techniken) erörtert werden. Die Arbeiten des IPCC haben massgeblich zur Entstehung der UNO-Klimakonvention und des Kyoto-Protokolls beigetragen. 


Friedensnobelpreis 2007
Der 2007 erschienene 4. Bericht des IPCC hat wichtige Impulse für die Tätigkeiten des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und insbesondere der Vertragsparteienkonferenz vom Dezember 2007 auf Bali gesetzt. An dieser Konferenz hatten sich die Regierungen auf die sogenannte Bali-Roadmap geeinigt, welche einen Fahrplan für die Verhandlungen über das internationale Klimaregime ab 2012 vorgibt. Im Dezember 2007 wurde dem IPCC zusammen mit dem früheren US-amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore der Friedensnobelpreis verliehen.


Thomas Stocker wird zusammen mit dem chinesischen Professor Qin dahe den Vorsitz der Arbeiten der IPCC-Arbeitsgruppe I im Hinblick auf den für 2013 erwarteten 5. Evaluationsbericht führen. Wie bei den früheren Berichten wird je eine weitere Arbeitsgruppe die Auswirkungen der Klimaänderung beziehungsweise die sozioökonomischen Dimensionen des Klimawandels beleuchten. Jede Arbeitsgruppe wird von zwei Persönlichkeiten – je eine aus einem Industriestaat und einem Entwicklungsland – geleitet.


«Eine Ehre für die Schweiz»
Die Wahl Stockers sei eine Ehre für die Schweiz und ein Zeichen der Anerkennung für die Schweizer Klimaforschung und für die Schlüsselrolle in klimapolitischen Fragen, würdigte UVEK-Vorsteher Moritz Leuenberger den Entscheid. Er hatte sich für die Kandidatur Stockers eingesetzt. Die Schweiz sei erfreut darüber, das IPCC, dessen Sekretariat sich am Sitz der Weltorganisation für Meteorologie in Genf befindet, auf diese Weise noch stärker unterstützen zu können. Zur technischen Unterstützung wird in Genf ein rund 10-köpfiges Team aus wissenschaftlichen und administrativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen. Die Kosten von jährlich rund 1,8 Mio. Franken, die während einem Zeitraum von bis zu sieben Jahren anfallen, werden vom UVEK getragen. 


50 Schweizer Wissenschafter arbeiten IPCC-Berichten
An der Erarbeitung der Berichte des IPCC wirken mehr als fünfzig hochkarätige Schweizer Wissenschafter als Autoren oder Experten mit. Die Universitäten Bern, Zürich, Genf, Basel, die ETH Zürich, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), das Physikalisch-Meteorologische Observatorium Davos, das Konservatorium und der Botanische Garten Genf, das Schweizerische Tropeninstitut in Basel, die Forschungsanstalten Agroscope, das BAFU sowie MeteoSchweiz arbeiten mit dem IPCC zusammen. Der Co-Vorsitz der Arbeitsgruppe I des IPCC deckt verschiedene Interessen der Schweiz ab, sei es in der Aussen- und der Entwicklungspolitik, in Wissenschaft und Forschung, in der Sicherheit, in Wirtschaft und Entwicklung oder im Hinblick auf die nationale und internationale Klimapolitik. (UVEK/mc/pg)





Professor Thomas Stocker
Thomas Stocker (geb. 1959, Bürger von Zürich und Büron LU) ist in Zürich aufgewachsen, wo er an der ETH Zürich Umweltphysik studierte und 1984 mit dem Diplom abschloss. Anschliessend verfasste er an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie VAW der ETH Zürich unter der Leitung von Professor Kolumban Hutter seine Dissertation, für die er 1987 mit der Medaille der ETHZ ausgezeichnet wurde. Nach einem Forschungsaufenthalt am University College London erhielt Stocker ein Stipendium für Fortgeschrittene Forschende des Schweizerischen Nationalfonds für Wissenschaftliche Forschung, mit welchem er an der McGill University in Montreal (Kanada) von 1989 bis 1991 die Entwicklung effizienter Klimamodelle und die Untersuchung schneller Klimaänderungen vorantrieb. Von 1991 bis 1993 arbeitete Thomas Stocker als Associate Research Scientist am Lamont-Doherty-Erdobservatorium der New Yorker Columbia-Universität.


1993 wurde Thomas Stocker als Professor an das Physikalische Institut der Universität Bern berufen, wo er die Abteilung für Klima- und Umweltphysik leitet. Die wissenschaftliche Arbeit seines Teams umfasst die Modellierung abrupter Klimaänderungen, Untersuchungen über vergangene und künftige Änderungen der Ozeanzirkulation sowie die Rekonstruktion vergangener Klimazustände mithilfe von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis. Das Institut ist weltweit führend bei der Bestimmung der Treibhausgaskonzentrationen der vergangenen 800 000 Jahre an Luft, die in Eisbohrkernen eingeschlossen ist.


Thomas Stocker hat als Autor und Mitautor mehr als 140 wissenschaftliche Artikel publiziert. Seit 2006 ist er Mitglied des Nationalen Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds für Wissenschaftliche Forschung, und seit 2008 leitet er den Nationalen Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima / NCCR Climate). Stocker ist ausserdem seit 1997 in führender Rolle im Zwischenstaatlichen Sachverständigenausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) der UNO tätig. Für die Zustandsberichte der Arbeitsgruppe I, die 2001 und 2007 vom IPCC veröffentlicht wurden, hat der die Kapitel «Physical Climate Processes and Feedbacks» sowie «Global Climate Change Projections» koordiniert. Für seine Arbeiten wurde er 1993 mit dem Nationalen Latsis-Preis und 2006 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Versailles ausgezeichnet.

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