Island will Volksabstimmung über Icesave-Rückzahlungen
Das Parlament hatte sie bereits abgenickt. Ein Referendum könnte auch die Chancen Islands auf einen schnellen EU-Beitritt gefährden: Eine Einigung zu Icesave gilt als Voraussetzung, um die Beitrittsgespräche voranzutreiben.
London und Den Haag wollen 3,8 Mrd. Euro zurück
Er werde den Gesetzentwurf nicht unterschreiben, teilte Grimsson am Dienstag in Reykjavik mit. Es geht um rund 3,8 Milliarden Euro, die Sparer vor allem aus Grossbritannien und den Niederlanden Icesave, der Online-Tochter der isländischen Landsbanki, anvertraut hatten. Für das Geld hatten zunächst die Regierungen in London und Den Haag garantiert.
Protestschreiben
In den vergangenen Tagen hatten 61.000 der 320.000 Einwohner Islands ein Protestschreiben gegen die Auszahlungspläne unterzeichnet. Grimsson betonte, das sei «ein Viertel der Wählerschaft», und sprach sich deshalb für eine Volksabstimmung aus. Das Parlament hatte den Gesetzentwurf Ende Dezember mit einer knappen Mehrheit von 33 zu 30 Stimmen gebilligt.
Rückzahlung im letzten Sommer vereinbart
Landsbanki war im Oktober 2008 zusammen mit den beiden anderen führenden isländischen Geldinstituten zusammengebrochen. Die britische und niederländische Regierung hatten darauf die Einlagen von rund 340.000 heimischen Kunden bei Icesave aus eigenen Mitteln zurückerstattet. Im vergangenen Sommer einigten sich die Länder dann darauf, dass Island die Schulden wieder zurückzahlt. Die Niederlande sollten rund 1,3 Milliarden Euro von Island zurückbekommen, Grossbritannien mehr als 2,3 Milliarden Euro. Mit dem Referendum – ein genauer Termin steht noch nicht fest – ist dies nun ungewiss.
Schärfere Töne
Das Finanzministerium in London erklärte, man werde Kontakt mit den Kollegen in Island aufnehmen. Das Problem solle in Zusammenarbeit mit den Niederlanden und der EU «so schnell wie möglich» gelöst werden. Schärfere Töne kamen aus den Niederlanden. Die Weigerung des isländischen Präsidenten, einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen, sei «sehr enttäuschend», sagte der niederländische Finanzminister Wouter Bos. Es sei unverantwortlich, dass Island seiner Verantwortung nicht gerecht werden wolle.
Tiefe Krise
Der Zusammenbruch des isländischen Bankensystems nach der Zuspitzung der weltweiten Finanz-Turbulenzen hatte Island in eine tiefe Krise gestürzt. Auf dem Tiefpunkt warnte die Regierung sogar vor einer Staatspleite. Für die isländischen Bürger wurde der Streit um die Rückzahlungsmodalitäten zu einem besonders bitteren Symbol für die alles andere als gerechte Verteilung der Krisenlasten: Die Isländer müssen die Folgen des Zusammenbruchs der Banken tragen. Verbitterte Menschen, viele von ihnen durch die Finanzkrise arbeitslos und hoffnungslos überschuldet, hatten gegen die kollektive Rückzahlung der Icesave-Schulden demonstriert.
IWF-Kredite für Island
Ende Oktober gab der Internationale Währungsfonds (IWF) dringend benötigte Kredite für Island frei. Der Streit über die Rückzahlung der Milliardenschulden hatte die Auszahlung verzögert. Zusammen mit Kredithilfen der nordeuropäischen Länder sowie aus Polen betrug die freigegebene Summe knapp 850 Millionen Dollar. Insgesamt hat der IWF Islands Regierung 2,1 Milliarden Dollar zugesagt. (awp/mc/pg/25)