Jacques Boschung, Managing Director EMC Schweiz

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Boschung, im zweiten Quartal 2010 hat EMC mit 4.02 Milliarden USD eine Umsatzsteigerung von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Rekordergebnis erzielt. Vor allem die USA lieferten hervorragende Zahlen. Wie präsentiert sich die Situation in der Schweiz und welche Ziele haben Sie hier, nachdem der Konzern das Jahresziel auf über 16.5 Milliarden Dollar angehoben hat?


Jacques Boschung: Wir haben in der Schweiz das gute Resultat der Corporation sogar übertroffen! Und Sie müssen wissen, dass wir selbst im Krisenjahr 2009 gewachsen sind. Ich bin also sehr zufrieden mit unserem Resultat. Zum Jahresziel: Absolute Zahlen für unser Land darf ich Ihnen keine bekannt geben, wir wollen und werden aber im zweistelligen Prozentbereich wachsen.



«Während wir früher ein moderates Wachstum von Transaktionsdaten hatten, ist das überdurchschnittliche Wachstum heute vor allem durch unstrukturierte Daten getrieben, zum Beispiel durch die elektronische Verarbeitung von eingescannten Dokumenten, digitale Fotos und Videos.» Jacques Boschung, Managing Director EMC Schweiz


Völlig losgelöst von jeglichen Krisen scheint der Speicherbedarf für jegliche Art von Daten und Informationen kontinuierlich und ungebremst zu wachsen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung, gibt es hier ein Wachstum ohne Ende?


Zurzeit scheint es tatsächlich ein Wachstum ohne Ende zu sein. Während wir früher ein moderates Wachstum von Transaktionsdaten hatten, ist das überdurchschnittliche Wachstum heute vor allem durch unstrukturierte Daten getrieben, zum Beispiel durch die elektronische Verarbeitung von eingescannten Dokumenten, digitale Fotos und Videos. Zum Datenwachstum tragen gegenüber früher auch viel mehr Privathaushalte bei, wobei es trotz allem die Unternehmen sind, die für 80 Prozent des Inhalts aller Informationen verantwortlich sind.


IDC hat im Auftrag von EMC eine Studie zum Datenwachstum erstellt. In den Jahren 2008-2012 wird eine Verfünffachung der jährlich erstellten und kopierten Datenmenge vorausgesagt,  bis ins Jahr 2020 eine Steigerung um den Faktor 44. Wie sollen hier die benötigten Speichermedien zu Verfügung gestellt werden und wo sollen die IT-Fachleute herkommen, die sich um die Verwaltung der Daten kümmern?


EMC hat als weltweit führender Anbieter von Speicherlösungen schon heute Technologien im Markt, die das enorme Wachstum bewältigen können. Neben der immer performanteren Hardware spielen hier neue Softwarelösungen eine entscheidende Rolle, zum Beispiel Lösungen zur Deduplizierung von redundanten Daten oder Lösungen, die für ein automatisches Tiering sorgen, also wenig verwendete Daten auf vergleichsweise günstigen Medien mit hohen Kapazitäten speichern, während Daten, die häufig verwendet werden und zu einer geschäftskritischen Anwendung gehören, auf schnellen, vergleichsweise teuren Medien gespeichert werden. Durch die Automatisierung werden letztlich auch weniger IT-Fachleute für die Verwaltung benötigt. Auch werden mehr und mehr Cloud Computing Services angeboten, Dienstleistung eines Service Providers, die über das World Wide Web, synonym für die Wolke, bezogen werden. Unternehmen benötigen also nicht unbedingt eigene Speicherkapazitäten und keine eigenen Storage-Fachleute mehr.


EMC hat seit 2003 über 7 Milliarden USD in über 40 Übernahmen investiert (so zum Beispiel Documentum, VMware, Dantz, RSA, Mozy, Iomega oder jüngst Data Domain). Wie sieht die Strategie dahinter aus und wie lassen sich so viele Unternehmen integrieren?


Unsere Strategie ist relativ einfach: Wir wollen weltweit die Nummer 1 bleiben für Informationsinfrastrukturen, angefangen beim Speichern von Informationen über den Schutz und die Sicherheit derselben bis zur Virtualisierung und der intelligenten Verwendung der Informationen. Der Erfolg von EMC bei all diesen Akquisitionen kommt daher, dass wir uns viel Zeit lassen bis zur vollständigen Integration und teils übernommene Firmen, zum Beispiel die Mehrheit der von Ihnen erwähnten, als eigenständige Divisionen weiterbetreiben. 



«Wir können mit unseren Deduplizierungslösungen Data Domain und Avamar sowie mit unserer E-Mail-Archivlösung SourceOne sicherstellen, dass Bild- und Videodaten wie auch E-Mails und deren Anhänge nicht mehrmals gespeichert werden.»


Unternehmen und sogar Anbieter von externen Lösungen (zum Beispiel Software as a Service, Storage as a Service, Application Service Provider) stöhnen unter der Last des zunehmenden Speicherplatzbedarf ihrer Kunden durch Bild-, Video- und E-Mail Archive. Welche Technologien oder Konzepte können hier Abhilfe schaffen?


Wir können mit unseren Deduplizierungslösungen Data Domain und Avamar sowie mit unserer E-Mail-Archivlösung SourceOne sicherstellen, dass Bild- und Videodaten wie auch E-Mails und deren Anhänge nicht mehrmals gespeichert werden. Oft werden in Organisationen ja die gleichen E-Mails mit den gleichen Anhängen von diversen Anwendern zigmal gespeichert. Durch ein gutes Backup-Konzept mit mehreren Generationen werden die gleichen Daten dann abermals multipliziert. SourceOnce sorgt im Übrigen dafür, dass ältere E-Mails automatisch auf günstigeren Medien verschoben werden, für den Anwender aber weiterhin im Zugriff bleiben.


Prozesse wie Speicher-Konsolidierung, Back-Up oder Datenbereinigungen stehen in Konkurrenz zu zeitkritischen Abläufen. Inwiefern können hier Flash-Speichermedien eine Rolle spielen und wie gestaltet sich die Preisentwicklung für Flash-Speicher in nächster Zukunft?


Flash-Speicher spielen klar eine wesentliche Rolle. Ebenso wichtig sind in diesem Zusammenhang Virtualisierung und neu auch Cloud Computing. Natürlich werden Flash-Speicher mehr und mehr eingesetzt um Antwortzeiten zu optimieren. Vermehrt, weil sich die Preise tatsächlich stark reduzierten. Seit der Ankündigung von Flash-Speicher auf unserer Symmetrix-Linie im April 2008, also vor gut zwei Jahren, haben sich die Preise von Flash-Speicher um Faktor 3 reduziert, kosten mit anderen Worten noch einen Drittel dessen, was sie ursprünglich kosteten. im Vergleich zu Fibre Channel Disks reduzierte sich der Preisnachteil von Faktor 30 pro TB auf Faktor 7 in der gleichen Zeit. Dieser Trend wird anhalten.



«Zugegeben, die Schweizer sind beim Thema Cloud Computing etwas zurückhaltender, vor allem auf der Unternehmensseite. Hier werden aber Cloud Computing Service Provider, die auf unsere Technologien setzen und ihr Rechenzentrum in der Schweiz betreiben, das Blatt wenden.»


Im Privatanwenderbereich haben Sie sich mit dem Zukauf von Iomega im Jahre 2008 massiv verstärkt. Wie ist die Integration verlaufen und welche technologischen Entwicklungen prägen dieses Marktsegment in nächster Zeit?


Iomega ist eine der der übernommenen Firmen, die autonom weiterbetrieben wird. Iomega hat also einen völlig eigenständigen Marktauftritt, der viel Sinn macht, weil sich Iomega in einem völlig anderen Marktsegment mit anderen Vertriebskanälen bewegt. Die Integration von Iomega hat vor allem auf der Entwicklungsebene stattgefunden. So wurden beispielsweise die Backup-Software EMC Retrospect für die Anwendung im Heimbereich erweitert und steht jedem Käufer eines Iomega-Drives kostenlos zum Download zur Verfügung. In Zukunft werden Sie auch vermehrt gemeinsame Entwicklungen für das untere KMU-Segment sehen.


Virtualisierungs-Technologien und Cloud-Computing würden es erlauben, die eigene Infrastruktur in verschiedenen Bereichen zu entlasten (Hardware, Software, Sicherheitskonzepte, Anwendungen). Trotzdem schienen bis anhin weder Unternehmen noch Privatanwender der «Wolke» ganz zu trauen. Wie sieht hier die Entwicklung aus und was bedeutet das für die Entwicklung Ihre Produktelinie?


Cloud Computing bietet enorme Vorteile, sowohl für die Unternehmen, egal ob gross oder klein, als auch für Privatanwender. Letztere trauen der Wolke doch schon einiges an, denken Sie zum Beispiel an E-Mail-Services, Social Media-Plattformen, Web-Fotoalben, etc.  Oder nehmen Sie unseren Online-Backup-Service Mozy, der von über einer Million Heimanwender und rund 50’000 Geschäftsleuten genutzt wird, die sich nicht darum scheren, wo genau Ihre Daten gesichert sind. Zugegeben, die Schweizer sind hier etwas zurückhaltender, vor allem auf der Unternehmensseite. Hier werden aber Cloud Computing Service Provider, die auf unsere Technologien setzen und ihr Rechenzentrum in der Schweiz betreiben, das Blatt wenden. Swisscom unter anderen geniesst zusätzlich auch ein grosses Vertrauen, sowohl auf Unternehmens- wie auch auf Privatanwenderseite. Wir müssen also weniger unsere Produkte anpassen als geeignete Partner finden, obwohl wir zum Beispiel mit den Security-Lösungen unserer RSA-Division auch einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Daten leisten.



«VPLEX von EMC bietet für grössere Unternehmen tatsächlich eine Alternative zum klassischen Outsourcing. Sie würden mit der asynchronen Version von VPLEX, die angekündigt aber zur Zeit noch nicht verfügbar ist, Ihre Datenspeicher virtualisieren und wären in der Lage, Daten von einem Rechenzentrum in Zürich in ein eigenes, aber viel günstiger betriebenes RZ in Bangalore zu teleportieren, um hier ein Beispiel zu nennen.»


Ressourcen werden gerne von dort bezogen, wo sie am günstigsten einzukaufen sind. Dies dürfte für On-Demand-Services nicht anders sein. Wird es hier für Speicherkapazitäten ein ähnliches Outsourcing in Richtung Osten geben wie bei anderen ICT-Dienstleistungen oder gibt es alternative Modelle?


Ja, natürlich wird es Billig-Anbieter aus dem Osten geben, die Ihre Daten speichern. Damit sind wir aber wieder beim Thema von eben: Sicherheit und Vertrauen als Trade-off zu tiefen Kosten. VPLEX von EMC bietet für grössere Unternehmen tatsächlich eine Alternative zum klassischen Outsourcing. Sie würden mit der asynchronen Version von VPLEX, die angekündigt aber zur Zeit noch nicht verfügbar ist, Ihre Datenspeicher virtualisieren und wären in der Lage, Daten von einem Rechenzentrum in Zürich in ein eigenes, aber viel günstiger betriebenes RZ in Bangalore zu teleportieren, um hier ein Beispiel zu nennen.


Während die Hardware tendenziell immer günstiger wird, steigt bei zunehmender Komplexität gleichzeitig der Speicherbedarf. Geht es hier für den Kunden also im besten Fall um ein Nullsummenspiel?


Teilweise schon, aber mit einer guten Strategie und einer sorgfältigen Umsetzung im Bereich des Daten-Managements können Unternehmen tatsächlich ihre Kosten reduzieren und ihre Komplexität in den Griff kriegen. EMC liefert hier mit seinen Lösungen einen wesentlichen Beitrag.


Die Schweiz gehört in der Anwendung neuer Technologien oft zu den ersten sich entwickelnden Märkten. Wie sieht es im Bereich Speicherung, Virtualisierung und Cloud Computing aus und wie sehen sie die weitere Entwicklung der Schweiz im internationalen Vergleich?


Die Schweiz gehört in allen erwähnten Segmenten sicher zu den Ländern, die neue Technologien schnell adoptieren. Zum Beispiel war Swisscom letztes Jahr der erste Kunde weltweit, der unsere damals neue High-End Storage-Plattform VMAX in Betrieb genommen hatte. Die Megatrends der IT kommen aber, wenn wir ehrlich sind, doch eher aus den USA, wo sie in der Regel sehr schnell auch Anwendung finden. Bei EMC zählt die Schweiz zu ein paar wenigen Ländern in der Grossregion EMEA (Europe, Middle East and Africa), die wir als Mature Market, reifen Markt, bezeichnen. Server-Virtualisierung zum Beispiel ist in der Schweiz weit fortgeschritten. Die Grundvoraussetzung für eine Early Adoption von Cloud Computing ist also gegeben. 


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Ich wünsche mir einerseits, dass sich der Trend der wirtschaftlichen Erholung in der Schweiz fortsetzt und es nicht zum teilweise befürchteten Double Dip kommt. Und zweitens wünsche ich mir, dass wir bei EMC noch oft von Rekordergebnissen reden können.





Der Gesprächspartner:
Jacques Boschung, geboren 1967, ist seit 14 Jahren im IT- und Telco-Geschäft tätig und bringt Erfahrung aus dem Software-, Hardware und Beratungsgeschäft mit. In seiner letzten Funktion war der gebürtige Freiburger bei Dell als Sales Director Corporate Business Switzerland & Austria sowie Member of the EMEA Corporate Senior Management Team tätig. Nach verschiedenen Funktionen bei Compaq war Jacques Boschung Country Manager der Personal System Group von IBM Switzerland.


Das Unternehmen:
EMC unterstützt mit seinen Technologien und Lösungen Firmen dabei, den maximalen Nutzen aus ihrem Informationsbestand zu ziehen. Dabei hilft EMC Organisationen von der Entwicklung über den Aufbau bis hin zur Verwaltung von flexiblen, skalierbaren und sicheren Informationsinfrastrukturen – die zukünftig vollständig virtualisiert sein werden. Zusammen mit Cisco und VMware treibt EMC im Rahmen der Virtual Computing Environment Coalition (VCE) die Entwicklung und Realisierung von effizienten, durchgängig virtualisierten Unternehmensinformationsinfrastrukturen voran und bietet Firmen Lösungen und Services zur Implementierung einer Private Cloud an.


Im Geschäftsjahr 2009 baute das Unternehmen seine führende Stellung im Markt für Informations-Management-Lösungen weiter aus. Im zweiten Quartal 2010 erzeilte EMC weltweit einen konsolidierten Gesamtumsatz in Höhe von 4,02 Milliarden US-Dollar, was einer Steigerung von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht. Der Anteil des Geschäfts am Gesamtumsatz des Geschäftsjahres 2009, der ausserhalb Nordamerikas erwirtschaftet wurde, betrug 47 Prozent.Derzeit beschäftigt EMC rund 40’000 Mitarbeiter weltweit, 40 Prozent davon ausserhalb den USA. In der Schweiz ist EMC mit dem Hauptsitz in Zürich und Geschäftsstellen in Bern und Gland/VD vertreten.

Schreibe einen Kommentar